Nach kurzem Geplänkel im Mittelkreis fliegt der Ball auf den linken Flügel, worauf Muhammad Sey schon gelauert hat. Der linke Offensivmann aus Gambia, der für das Team von Sierra Leone aufläuft, stürmt die Außenbahn entlang. Er nimmt den Ball in voller Fahrt auf und legt ihn sich weit vor. Fast zu weit: Der algerische Keeper stürmt heraus, wittert seine Chance, den Angriff zu vereiteln. Doch Sey fährt die rechte Fußspitze aus, hebt den Ball mit dem Außenrist über den Goalie zum 2:0 ins Netz und dreht jubelnd ab.
Auf dem Erdwall, der das Spielfeld zur einen Seitenlinie hin abgrenzt, wird es laut. Der Großteil der Zuschauer jubelt, einige liegen sich in den Armen und stimmen Gesänge an. Der Fan, der fast das gesamte Spiel über auf einer Trommel zwischen seinen Beinen musiziert, erhöht schlagartig den Takt. Ein anderer Anhänger schwenkt eine Stange umher, an der die grün-weiß-blaue Flagge Sierra Leones hängt, während die Spieler zu Sey stürmen und ihn unter sich begraben.
„Ich habe den Torwart gesehen, wusste aber, dass ich schneller bin“, erklärt Sey später, nachdem sein Team das Viertelfinale mit 5:1 gewonnen und in die Runde der letzten Vier des 13. African Football-Cup eingezogen ist. Der 20-Jährige, der schon zum Führungstreffer die Vorarbeit lieferte, gehört zu den auffälligsten Spielern des Turniers – und steht seit kurzem beim Bremer SV unter Vertrag.
Auf Bremen-Liga-Niveau
Auch andere Spieler, die am vergangenen Sonntag in der Pauliner Marsch auf dem Platz standen, haben bereits Oberliga-Luft geschnuppert. Manche gehen sogar in der Regionalliga auf Torejagd. Für Schiedsrichterobmann Manfred Seifert bewege sich das Niveau des Turniers auf Höhe der Bremen-Liga. „Eher sogar noch höher“, sagt der Referee des BSC Hastedt, der in den Gruppenspielen selbst gepfiffen hatte. In den K.o.-Spielen aber pfeifen andere, junge Schiedsrichtergespanne, die es nicht selten mit lamentierenden und gestikulierenden Spielern zu tun haben. Im Vergleich zu früher käme das aber wesentlich weniger vor, sagt Seifert: „Man darf das alles nicht so eng sehen, dann macht das Turnier auch großen Spaß.“
Weniger erfreulich war eine Auseinandersetzung am letzten Vorrundenspieltag, bei der etwa 40 Menschen mit den Fäusten aufeinander losgingen. Den Anlass boten Beleidigungen, die zwei Spieler der Teams Guinea-Bissau und Senegal ausgetauscht hatten. „Auf dem Platz hat es keinen Ärger gegeben, das war erst nach dem Spiel“, sagt Tala „Chief“ Awolola. Der Organisator des African Football-Cup schüttelt den Kopf, wenn er an die Schlägerei zurückdenkt. Der bereits ausgeschiedenen Mannschaft von Guinea-Bissau droht nun eine Sperre für die nächste Austragung, Senegal durfte nur nach Zahlung einer Geldstrafe im Turnier bleiben – der „Chief“ greift durch beim, so sagt er, „einzigen Turnier“ seiner Art in Europa. Hierfür verweist er auf den Regelkatalog mit 26 Punkten, der solche Vorkommnisse unterbinden soll. Zumindest während der Partien hätten die Vorschriften die gewünschte Wirkung gezeigt.
Auch wenn es auf dem Platz mit vollem Einsatz zugeht, steht unter den Zuschauern der Spaß im Vordergrund. Etwa 750 Menschen tummeln sich rund um die zwei Plätze, auf denen jeweils zwei Viertelfinalpartien zeitgleich ausgetragen werden. Die meisten Fans lehnen auf den Zähnen, die das Spielfeld abgrenzen. Andere sitzen im Schatten auf Plastikstühlen und lauschen dem Reggaeton, der aus den Lautsprechern dröhnt. Auf einem anderen Rasen, ein wenig abgelegen von den Fußballplätzen, geht es vor allem um Speisen. Gutgelaunte Frauen stehen hinter Wärmebehältern mit Reis und Hähnchen auf
Kunden, die unter anderem an den Zelten
von Mommies Corner und Karibu warten. Junge Männer sitzen auf Bierbänken und schälen Bananen. Andere Ständn haben Süßigkeiten im Angebot oder flechten den Besuchern die Haare.
Für Amed Fadika hat der African Football-Cup neben der sportlichen Herausforderung auch etwas von einem großen Familientreffen. „Das hier ist unsere Zeit, unsere einzige Möglichkeit, dass wir alle einmal zusammen sind“, sagt der 22-jährige Kapitän der Elfenbeinküste, der zum vierten Mal an dem Turnier teilnimmt. Nicht einmal eine Handvoll Leute aus seinem Team lebt in Bremen, der Trainer etwa wohnt in Wilhelmshaven, manche Spieler kommen aus Hannover, aus Zeven. Alle haben aber eine Beziehung zu Bremen und sind miteinander befreundet. Nicht alle von ihnen spielen im Verein. Auch Fadika, der mehrere Jahre in der Landesliga Lüneburg auflief, ist aktuell auf der Suche, sagt er: „Natürlich nutzen wir das Turnier auch, um uns zu bewerben“. Genau so sei es auch gedacht, sagt „Chief“ Awolola: „Scouts müssen nicht nach Afrika reisen, um Talente zu finden.“ Eines Tages, so hofft er, soll einer der beim African Football-Cup entdeckten Spieler im Dress des SV Werder Bremen auflaufen. „Das ist mein großer Traum.“
Weitere Informationen
Die Sieger der Viertelfinalpartien treffen am Sonntag, 4. August, ab 14 Uhr in der Pauliner Marsch aufeinander. In der Woche darauf steigt am Sonntag, 11. August, ebenfalls in der Pauliner Marsch um 14 Uhr das Endspiel des diesjährigen African Football-Cup.