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Tanzsport: Interview mit Roberto Albanese "Auf eine Larifari-Saison hatte ich keinen Bock"

Das A-Team des Grün-Gold-Clubs Bremen geht mit einer neuen Choreografie in die Saison. Formationstrainer Roberto Albanese will neue Reizpunkte setzen, es soll sich niemand "auf der linken Pobacke ausruhen".
05.11.2021, 22:35 Uhr
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Von Frank Büter

Herr Albanese, bei der Deutschen Meisterschaft am 13. November in Bremerhaven wird sich Grün-Gold mit einer neuen Choreografie präsentieren. Das kommt auf den ersten Blick etwas überraschend, denn die alte Choreografie „Music is the key“ war ja nach vielen Enttäuschungen zuvor wirklich so etwas wie der Schlüssel zum Erfolg. Warum schmeißt man diesen Schlüssel sprichwörtlich nach nur einer getanzten Saison wieder weg?

Roberto Albanese: Das kann ich erklären. Wir hatten die Choreografie nach der ersten Saison nochmal komplett überarbeitet, hatten noch detaillierter am Grundgerüst gefeilt und den Anspruch höher geschraubt. Das machen wir immer so. Wir hatten da echt ein tolles Produkt gezaubert, waren mega gut vorbereitet und topfit…

Doch dann ist im letzten Jahr erst die Deutsche Meisterschaft aufgrund von Corona ausgefallen, dann die Weltmeisterschaft.

Richtig. Jedes Mal waren wir bereit, doch dann ging’s komplett runter. Das hat man auch den Tänzern angemerkt. Und weil es dann im Lockdown auch keine Bundesliga gab, hatte ich im März ein Produkt, das in sich so fertig war, dass man daran nicht noch mehr hätte arbeiten können.

Die Choreo war also ausgereizt?

Ja, und die Tänzer waren auf dem Höhepunkt, ohne die Meisterschaften getanzt zu haben. Dann verpufft natürlich irgendwann auch die Emotionalität in so einer Musik, und der Anspruch der Tänzer an sich selbst sinkt. Mir war klar, dass ich sie physisch nicht von März bis November auf diesem Leistungsniveau halten kann. Weil der Druck nicht hoch genug ist. Weil sie wissen, dass sie das Ding beherrschen. Dann wäre es so eine Larifari-Saison geworden – und da hatte ich überhaupt keinen Bock drauf.

Sie sagen, Sie hätten darauf keinen Bock gehabt. Treffen Sie diese Entscheidung dann allein oder wird das Team mit einbezogen?

Es war eine Symbiose. Erstmal habe ich nach Rücksprache mit dem Trainerteam eine Entscheidung für mich selbst getroffen. Dann habe ich auch mit der Mannschaft gesprochen. Und das Team war bereit, etwas komplett Neues zu machen. Gerade die Tänzer, die schon länger dabei sind, haben gesagt, dass sie das als Challenge brauchen.

Als die Formation im Frühjahr bei der RTL-Tanzshow Let’s Dance aufgetreten ist, war also schon klar, dass dieser Auftritt auch das Ende für „Music is the key“ sein wird?

Ja, und das war nochmal ein schöner Abschluss. Erst danach haben wir dann angefangen, an der neuen Choreo zu arbeiten. Im Nachhinein bin ich ganz froh darüber, denn so haben sich gerade die neuen Tänzer noch einmal ganz anders zeigen und entwickeln können.

Weil alle wieder bei null anfangen und sich durchbeißen müssen?

Ja, das ist für alle wieder eine ganz andere Drucksituation. In der alten Choreo waren sie drin wie in einem gewärmten Nest. Sie wussten, welche Mechanismen funktionieren. Sie waren in einer Komfortzone. Jetzt mussten sich alle erst einmal wieder umstellen und neu sortieren. So bekommt man dann auch die Entwicklung hin, die man für die neuen Tänzer im Team braucht.

Über wie viele neue Tänzer sprechen wir?

Vier sind neu dabei, zwei Jungs und zwei Mädchen. Insgesamt haben wir zehn Paare.

Was ist denn zuerst da, wenn Sie dann so eine neue Choreografie entwickeln: Die Idee von einer Musik oder die Idee der tänzerischen Präsentation?

Die Musik steht immer am Anfang. Durch die Musik erhält man die Bilder im Kopf. Wenn man dann die Tänze in den Liedern hört und arrangiert, bekommst du dadurch auch die Idee für die Choreografie.

Sie haben sich bei der Musik für eine Auswahl italienischer Pop-Klassiker entschieden, darunter Gloria von Umberto Tozzi oder Svalutation von Adriano Celentano. Ist das auch Ausdruck Ihrer persönlichen Wurzeln?

Es ist schon so, dass diese Lieder zum Teil meine Kindheit mitbegleitet haben. Damit bin ich groß geworden. Das hat auch einen emotionalen Bezug für mich. Eros Ramazzotti, das war das erste Konzert, in das ich gegangen bin. Aber es sind auch moderne Songs dabei wie zum Beispiel Il Volo mit Il Mondo. Das Besondere aber ist, dass wir aus diesen vielfältigen Songs mehr oder weniger eine klassische Musik arrangiert haben.

Was heißt das genau?

Wir haben viel mit Tenören gearbeitet und diese Popsongs sehr pompös auf eine klassische Ebene gebracht. Am Ende ist es gar kein Popsong mehr, sondern hat Symphoniecharakter.

Wie muss man sich das vorstellen, wenn Sie die Musikauswahl treffen? Sitzen Sie dann stundenlang da und stöbern durch Playlisten und Tapes? Oder haben Sie eine Idee im Ohr?

Es gibt immer ein Lied, ein Bindestück, das dich dahin bringt, weitere Lieder hinzuzunehmen. Ein Song, der dich inspiriert und dich emotional mitnimmt.

Verraten Sie mir, welcher Song in diesem Fall für die Inspiration gesorgt hat?

Es war eine klassische Version, die ich von Ti Amo gehört habe. Die aber war nicht zu benutzen, denn das war ein Dreivierteltakt, also eigentlich ein Standardtanz. Daraufhin habe ich diesen Dreivierteltakt umarrangieren lassen in einen Viervierteltakt und bin da sehr orchestral und symphonielastig rangegangen. Dann kamen weitere Songs hinzu – und so ist die Musik Puzzleteil für Puzzleteil entstanden.

Wie lange dauert es, bis die Choreografie dazu entwickelt ist? Und worauf kommt es dabei an?

Das ist ein längerer Prozess mit mehreren Durchläufen. Das Produkt wird immer noch verfeinert und angepasst, weil es auch Passagen gibt, die dann nicht zur Mannschaft passen. Und natürlich versucht man auch, neue Dimensionen von Bildern zu kreieren und kleine Überraschungsmomente für das Auge zu erzeugen.

Der Name der neuen Choreografie ist Emozioni. Wo kommt dieser Titel her?

Italienische Musik ist sehr gefühlvoll, sehr melodisch und warmherzig. Gleichzeitig hat sie aber auch eine gewisse Kraft, die durch die Tenöre noch verstärkt wird. Emozioni ist das, was die Musik macht. Das hat uns dazu gebracht, diese Choreografie so zu nennen. Aufgabe der Tänzer ist es jetzt, die Emotionen und diese Warmherzigkeit auszudrücken.

Von außen betrachtet, dürfte die Aufgabe erstmal darin bestehen, die anspruchsvolle Choreo tänzerisch umzusetzen. Sie haben einmal mehr neue Maßstäbe gesetzt in puncto Bilderwechsel und Schwierigkeitsgrad. Wollten Sie damit bewusst neue Reizpunkte setzen?

Mir ging es tatsächlich auch darum, dass die Mannschaft noch mal zeigt, warum sie Weltmeister geworden ist und warum sie an der Spitze dieses Verbandes steht. Es soll nicht aussehen wie vorher. Die Mannschaft soll sich steigern und weiter verbessern.

Und möglichst auch alle Titel erfolgreich verteidigen?

Die Mannschaft selbst hat dieses Ziel, die Titel verteidigen zu wollen. Und das ist auch das Ziel des Trainerstabs. Wir gehen ja jetzt nicht in eine WM rein und sagen, dass wir Vize-Weltmeister werden wollen. Das ist nicht unser Anspruch. Aber wir wissen auch, dass wir im Fokus stehen und dass wir abliefern müssen. Hier darf sich keiner auf der linken Pobacke ausruhen.

Die erste Bewährungsprobe ist nun die DM in Bremerhaven. Wie ist der Stand der Vorbereitung? Ist die Formation bereit?

Ich habe das Gefühl, dass die Mannschaft sich gefunden hat. Die Mannschaft ist kompakt, sie weiß, wie sie nach dieser langen Pause an die Meisterschaft herangehen muss.

Haben sich denn schon die acht Paare herauskristallisiert, die dort aufs Parkett gehen werden?

Wir haben die ganze Zeit über den Wettkampf offen gehalten. Und nach wie vor haben wir nicht entschieden, wer die DM tanzt. Wir werden im Verlauf der Saison auch alle Tänzer brauchen, denn dann kommt schon bald die WM, und im Januar startet die Liga.

Die gastgebende TSG ist ein langjähriger Rivale. Mit welchen Gefühlen reist man jetzt nach Bremerhaven?

Bremerhaven ist immer etwas Besonderes. Man erinnert sich gern an viele heiße Duelle. Bremerhaven hat wieder Ambitionen, Bremerhaven will den Titel gewinnen und auch international dabei sein. Gleiches gilt für Velbert und auch Buchholz. Da sind also mindestens drei, vier Teams, die ihr Top-Level zeigen müssen, wenn sie den Titel gewinnen wollen.

Das Gespräch führte Frank Büter.

Zur Person

Roberto Albanese (48)

ist seit dem Zusammenschluss mit dem TSC Schwarz-Silber Bremen im Jahr 2002 als selbstständiger Trainer für den Grün-Gold-Club tätig. Unter der Regie des gebürtigen Bremers mit italienischen Wurzeln wurde die Lateinformation des Klubs 15-mal Deutscher Meister,
viermal Europameister und zehnmal Weltmeister.

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