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Bremens größtes Denkmal Ein Wohnquartier als Denkmal

Grün- und Beton bilden zusammen das schützenswerte Ensemble Gartenstadt Vahr. Das ursprüngliche Farbkonzept des Bremer Farbdesigners Hans-Albrecht Schilling aus den 50er-Jahren soll wiederaufleben.
01.08.2018, 16:24 Uhr
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Ein Wohnquartier als Denkmal
Von Christian Hasemann

Es ist das größte Denkmal Bremens und so groß, dass es sich eigentlich nur richtig aus der Luft erfassen lässt. Dann aber erschließt sich auch der Name: Gartenstadt Vahr.

Es handelt sich bei der Gartenstadt Vahr um ein sogenanntes Ensemble-Denkmal. Dabei steht statt eines Gebäudes oder einer Statue ein ganzes Stadtquartier unter dem besonderen Schutz des Denkmalgesetzes. Oder besser: wird stehen, denn das Denkmalverfahren läuft derzeit noch. Die Beteiligten haben aber keinen Zweifel daran, dass die Gartenstadt Vahr mittelfristig auf die Liste der Denkmäler im Lande Bremen landen wird. Das Verfahren ist komplex, weil mit einer Vielzahl an Eigentümern und Eigentümerinnen gesprochen werden muss, von denen die Gewoba die größte ist. Die Denkmalpfleger gehen davon aus, dass das gesamte Ensemble 2020 unter Schutz stehen kann.

Bedeutende Leistung des Städtebaus

Für die Denkmalpflege Bremen ist die Gartenstadt – ursprünglich: Grünstadt an der Vahr – eine bundesweit bedeutende Leistung des Städtebaus der Nachkriegszeit. Der Städteplaner Ernst May und die beiden Bremer Architekten Max Säume und Günther Hafemann sowie der Gartenarchitekt Karlaugust Orf setzten eine an den Prinzipien der "Organischen Stadtbaukunst" orientierte Wohnsiedlung um.

Karlaugust Orf war von Ernst May während seiner Zeit als Chef der Planungsabteilung bei der Neuen Heimat Hamburg in dessen Mitarbeiterstab berufen worden und wirkte auch an der Gewoba-Großsiedlung Grünhöfe in Bremerhaven (1954-1957) mit, die den Lauf der Zeit allerdings nicht unverändert überstanden hat. Er setzte seine Zusammenarbeit mit Ernst May auch nach dessen Ausscheiden bei der Neuen Heimat fort, zum Beispiel bei der Neuen Vahr (1956-1961), die Ernst May, inzwischen als freier Stadtplaner erneut mit Max Säume und Günther Hafemann für die Gewoba plante. Karlaugust Orf hatte in den 30er-Jahren in Berlin-Dahlem und nach dem Krieg bei Hermann Mattern in Kassel studiert. Er war ab 1937 Mitarbeiter des Gartenarchitekten Wilhelm Hübotter in Hannover, hatte 1939 am General-Grünplan für Wien mitgewirkt und war dann ab 1950 bei Hermann Mattern tätig, unter anderem für die Gartenschauen in Kassel und Köln.

Die in Ost-West-Ausrichtung gebauten Gebäude mit unterschiedlichen Höhen laufen auf ein elfstöckiges Hochhaus am Heideplatz zu. Die Straßen sollten geschwungen und möglichst kreuzungsfrei auskommen. Zum Konzept gehörten außerdem großzügige Freiraumflächen, daher auch der Name Gartenstadt Vahr. Der Entwurf folgte, so die Bremer Denkmalpflege, den für den Nachkriegsbau charakteristischen Idealen von Licht, Luft und Sonne.

Zum Konzept gehört auch die Farbgestaltung durch den Bremer Farbkünstler Hans-Albrecht Schilling, der nach wie vor als Farbberater für die Gewoba tätig ist. Entscheidend für das Bestreben, das gesamte Quartier unter Schutz zu stellen, sei die städtebauliche und freiraumgestalterische strukturelle Qualität der Anlage, weniger das einzelne Bauwerk oder das Baudetail, heißt es von den Denkmalpflegern. Mehrgeschossige Mietshäuser dominieren die Gartenstadt, insbesondere an den Rändern gibt es aber zahlreiche Reihenhauszeilen.

Kommt der Ensemble-Schutz, wird es keine neuen Gebäude in der Gartenstadt Vahr geben können, außer denen, die sich bereits in Planung befinden. Eine Nachricht, die wohl die meisten Bewohner positiv aufnehmen werden. Inhalt der Gespräche zwischen Gewoba und Landesdenkmalamt ist neben der Farbgestaltung auch die Gestaltung der Grünanlagen. Für die Besitzer der Eigenheime an den Rändern wird sich nach Auskunft des Landesdenkmalamtes nichts ändern.

Flüchtlinge als erste Bewohner

Die Gartenstadt Vahr war eine der Antworten der Politik auf die große Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit dem „Gesetz zur Behebung der Wohnungsnot im Lande Bremen“ hatte sich das Bundesland verpflichtet, in kürzester Zeit tausende neue Wohnungen und Eigenheime zu bauen. 1954 wurde auf der Hastedter Feldmark damit begonnen, die Gartenstadt Vahr und wenig später die Neue Vahr aus dem Boden zu stampfen. Schon 1957 stand die Gartenstadt, zu dem Zeitpunkt noch weitgehend ohne Grün, aber mit viel Beton.

Die Architekten planten die Siedlung mit knapp 2200 Wohnungen. Den Einwohnern sollte ein „Leben wie in einer Kleinstadt“ ermöglicht werden. Von den Bremer Großsiedlungen der Nachkriegszeit gilt die Gartenstadt Vahr, die als kleinere und ältere Schwester der deutlich prominenteren Neuen Vahr angesehen wird, als der gelungenste Entwurf. Zu den ersten Bewohnern zählten unter anderem Flüchtlinge aus den noch verbliebenen Barackensiedlungen in der Stadt und dem Stadtteil.

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