Herr Gartelmann, vor einem Jahr haben Sie berichtet, dass Sie drei große Themen anschieben wollen – den Breitbandausbau im Blockland, die Sanierung der Wümme, die Dorfentwicklung am Deich. Ist das Feld für 2022 bestellt?
Ja, angeschoben ist das alles. Der Breitbandausbau läuft. Die Firma Stehnke kann im Januar schon weiter ausbuddeln. Der Deichverband am rechten Weserufer hat dankenswerterweise eine große Ausnahme gemacht und den Bau auf der Hochwasserschutzanlage auch in den Wintermonaten erlaubt. Vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. Wenn alles gut geht, könnten alle Haushalte im Blockland am Ende des Jahres 2022 ans schnelle Internet gehen.
Für die Sanierung der Wümme stehen EU-Gelder über die Projektförderung „Blaues Band“ zur Verfügung?
Ja, da haben sich verschiedene Naturschutzverbände zusammengetan. Das Projekt wird weiter ausgearbeitet. Daran beteiligt sind unter anderem der Deichverband und die Bremer Umweltbehörde. Ziel ist es, den Tidenhub zu senken, damit die Ufer nicht weiter abbrechen und die Häuser am Deich nicht weiter in Mitleidenschaft gezogen werden. Ein eher langfristiges Projekt.
Es heißt doch, die Uferabbrüche seien dramatisch - wie lange kann das denn noch warten?
Wir beobachten das genau. Fraglich ist dabei, wie es mit dem Lesum-Sperrwerk weiter geht. Das muss irgendwann im Rahmen des Generalplans Küstenschutz erhöht werden. Wenn das kommt, dann will ich aufpassen, dass wir das Lesum-Sperrwerk so umbauen lassen, dass wir im Blockland das Niedrigwasser loswerden – damit die Tide hier weniger stark verläuft. Allerdings kann das Lesum-Sperrwerk nur zusammen mit dem Ochtum- und dem Hunte-Sperrwerk generalüberholt werden. Es gibt erste Planungen.
Was wünschen Sie sich für die Dorfentwicklung am Deich?
Es ist wichtig, sich dem Strukturwandel zu stellen und wir haben dabei große Unterstützung aus der Umwelt- und Verkehrsbehörde. Dort hat man uns jetzt auch bei dem Pilotprojekt Öffnung der Deiche für alle, die dort ein Anliegen haben, unterstützt. Wir hoffen natürlich, dass das kein Eigentor wird.
Inwiefern?
Die Angst war ja immer, dass die Leute, die kein Anliegen haben, hier mit dem Auto Spazierenfahren. Aber das ist ja weiterhin verboten und wird auch mit einem Bußgeld bestraft. Dennoch wollen wir vorbeugen. Es werden Geschwindigkeitsmesstafeln aufgestellt und die Polizei hat versprochen, engmaschig zu kontrollieren. Autofahren am Deich ist nur erlaubt, wenn man hier jemanden besuchen will.
Gegebenenfalls wird das Projekt nach einem Jahr wieder gekippt?
So haben wir es im Beirat beschlossen. Aber wir sind mal optimistisch, dass sich alle an die Regeln halten.
Wie geht es mit der Dorferneuerung weiter? Gibt es zukünftig Geld aus Brüssel, oder gibt es keins?
Es gibt 12 Millionen Euro aus Brüssel für Bremer Agrarpolitik für den Zeitraum zwischen 2023 und 2027. Darin enthalten sind Fördergelder für Natur- und Küstenschutz, Dorfentwicklung und vieles mehr. Bislang hat Bremen das Geld anderweitig verplant, aber vielleicht finden wir noch einen Weg, um unsere Dorferneuerungspläne mit einzuflechten. Gespräche dazu finden schon statt. Wichtig ist, dass wir ländlichen Regionen – also Strom, Seehausen, Burglesum, Borgfeld, das Blockland - zukünftig einen eigenen Fördertopf bekommen – so wie das in Niedersachsen für ländliche Regionen längst üblich ist. Da gibt es Gelder für Dorfplätze und den Erhalt ortstypischer Häuser. So etwas brauchen wir auch. Es gibt in Bremen ja nicht nur die Martinistraße und den Wall.
Geld gibt es seit diesem Jahr für die Landwirte über die sogenannte Weidenprämie.
Ja, im Januar konnten wir das erstmalig beantragen. Für Grünland und Rinderhaltung gibt es eine Prämie. Es kommt darauf an, wie viel Hektar Land ich bewirtschafte und wie viele Rinder auf den Weiden gehalten werden – das ist ein wichtiger Schritt, um regionale und ökologische Landwirtschaft zu fördern.
Wie wandelt sich die Bevölkerungsstruktur am Deich – gehen die Jungen oder bleiben sie?
Viele kommen wieder. (lacht) Die Höfe verändern sich. Pro Betrieb dürfen inzwischen fünf Wohneinheiten geschaffen werden. Da sind wir hin- und hergerissen. Wenn jedes Haus hier fünf Wohnungen hat und die Mieter morgens alle zur Arbeit fahren, dann kann ich mir ausrechnen, wie hier irgendwann das Verkehrsaufkommen ist. Andersrum: Wenn man die Höfe nicht vermietet, dann rechnet sich das alles nicht. Wenn wir die schönen alten Häuser erhalten wollen, dann kostet das Geld. Dafür schaffen wir schönen Wohnraum.
Was wird 2022 die größte Herausforderung sein?
Gelassen bleiben, weniger Baustellen schaffen – denn der Giga-Bit-Ausbau, mit Glasfaser bis ans Haus, wird irgendwann auf der Wunschliste der Deich-Anwohner stehen. Mir ist wichtig, dass wir die Dorferneuerung vorantreiben und so viele alte Häuser erhalten wie möglich. Das Blockland ist ein Naherholungsgebiet geworden, darauf müssen wir aufmerksam machen. Bis dahin heißt es erst mal: Tief durchatmen!
Das Gespräch führte Petra Scheller