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Amtsgericht Blumenthal Vor Gericht wegen Corona

Dem Ordnungsamt liegen seit März 2020 exakt 22.988 Anzeigen wegen Verstößen gegen die Corona-Verordnungen vor. In Bremen-Nord werden die ersten Fälle bereits verhandelt.
20.09.2021, 18:00 Uhr
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Vor Gericht wegen Corona
Von Patricia Brandt

Im Bus oder im Geschäft keine Maske tragen – in Zeiten von Corona handelt es sich dabei um einen Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz. Exakt 22.988 Verstöße gegen Corona-Verordnungen hat das Bremer Ordnungsamt seit März registriert. Für die Anzeigen wurden Bußgelder in Höhe von fast 700.000 Euro angesetzt. Jetzt werden die Fälle justiziabel: In mehreren Verfahren mussten sich auch Nordbremer vor dem Blumenthaler Amtsgericht verantworten. Jedoch nicht alle Betroffenen werden für ihre Corona-Versäumnisse zur Kasse gebeten.

„OWI Infektionsschutzgesetz“ steht auf dem Zettel an der Tür zu Saal A003. Es ist nicht die erste Verhandlung vor dem Amtsgericht Blumenthal, bei der es um eine Ordnungswidrigkeit in Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen geht. Ob das Gericht nach Tausenden von Anzeigen jetzt mit Verhandlungen wegen Corona-Verstößen überzogen wird, kann Anna Reinke, Sprecherin des Gerichts, nicht einschätzen. Es gebe keine Statistik.

Keine genaue Statistik zu Verfahren

„Ich habe keine Liste, aus der ich die genaue Anzahl der Ordnungswidrigkeitsverfahren aufgrund eines vorgeworfenen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz ablesen kann“, sagt auch der Blumenthaler Richter Jakob Leßner. Er habe selbst noch nicht so viele Verfahren mündlich verhandelt. „Die Zahl liegt im einstelligen Bereich.“ Die Zahl der schriftlichen Beschlussverfahren, ohne Verhandlung, sei höher: „Sie liegt im deutlichen zweistelligen Bereich.“

Zu einer mündlichen Verhandlung kommt es in der Regel nur, wenn die Betroffenen Widerspruch einlegen. Zum Beispiel gegen die Höhe des Bußgelds. Relevant ist diese insbesondere auch für Gewerbetreibende. Der Grund: Erhalten Geschäftsinhaber einen Bußgeldbescheid über eine Summe von mehr als 200 Euro, droht ihnen eine Eintragung ins Gewerberegister. „Bei weiteren Vorfällen kann dem Inhaber die Zulassung entzogen werden“, erklärt Jakob Leßner. Ob die Strafe  abgemildert werden kann, liegt im Ermessen des Gerichts.

Nicht jeder muss zahlen

Für die 22.988 in der Hansestadt gefertigten Anzeigen wurden laut Innenressort zwar bis Anfang September Bußgelder in Höhe von 699.177 Euro angesetzt. Ob das Geld aber in die Staatskasse fließt, ist offen. Nach Auskunft des Innenressorts ist eine Darstellung über die  Einnahmen derzeit nicht möglich – „die technische Auswertung ist sehr umständlich und umfangreich und müsste zurzeit noch händisch erfolgen“, so Karen Stroink aus der Behörde.

Nicht alle Frauen und Männer, die einen Bußgeldbescheid erhalten haben, müssen zahlen. „Wir haben grundsätzlich auch die Möglichkeit, die Verfahren einzustellen“, sagt Jakob Leßner. Er berichtet beispielsweise von einem Verfahren, das eingestellt wurde, weil der Betroffene bei der Kontrolle in der Bahn ein Attest vorgelegt habe, das ihn vom Tragen einer Maske befreien sollte. Das Ordnungsamt hatte laut Leßner dennoch ein Verfahren eingeleitet, da Zweifel bestanden, dass dieses Attest den Anforderungen genügt und richtig ist. Der Richter dazu: „So etwas kann schlicht im Rahmen der Kontrolle vor Ort nicht abschließend geprüft werden.“

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„Es hat diverse Einstellungen gegeben, da wir prüfen, ob ein Vorwurf erheblich ist“, berichtet auf Anfrage auch eine Jugendrichterin des Amtsgerichts Blumenthal, die ihren Namen nicht nennen möchte. „In fast allen Fällen ging es um die Maskenpflicht in der Vegesacker Innenstadt oder am Bahnhof. Viele Jugendliche wussten nicht, dass sie Maske tragen müssen oder haben, als sie von den Polizeibeamten angesprochen wurden, gleich die Maske aufgesetzt. In solchen Fällen haben wir eingestellt.“

In vielen Fällen von Jugendlichen seien die rechtskräftigen Bußgeldbescheide vom Ordnungsamt auch umgewandelt worden, so die Richterin weiter. Statt ein Bußgeld zu zahlen, werden die Heranwachsenden sogenannte Corona-Schutz-Kurse besuchen, die verschiedene Jugendeinrichtungen zur Sensibilisierung aufgelegt haben.

Kein hartnäckiger Widerstand

Die meisten Nordbremer, die bisher wegen eines Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz erwischt worden sind, haben sich offenbar nicht hartnäckig gegen die Behörden gestellt. „Wirklich renitente Betroffene hatte ich hier bislang nicht“, so Richter Leßner. Einige versuchten allerdings um eine Strafe herumzukommen. Der Richter erzählt von einem Fall, bei dem sich aus der Anzeige ergeben habe, dass der Betroffene die Maske unterhalb des Kinns getragen habe. „Der Vorwurf lautete dann im Bußgeldbescheid, dass er keine Maske getragen habe, woraufhin der Betroffene Einspruch einlegte mit der Begründung, er habe sehr wohl eine Maske getragen.“ In der mündlichen Verhandlung konnte jedoch schnell geklärt werden, dass ein Tragen der Maske unterhalb des Kinns offensichtlich dem Nichttragen gleichsteht. Jakob Leßner: „Der Betroffene hat seinen Einspruch zurückgenommen.“

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