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Fährchef im Interview „Die Tarife wurden deutlicher erhöht als geplant“

Die Fährgesellschaft Bremen-Stedingen hat sich schnelle Corona-Hilfen erhofft, aber nicht bekommen. Im Interview sagt Geschäftsführer Andreas Bettray, worauf er jetzt setzt – und sich Pendler einstellen müssen.
04.05.2021, 07:00 Uhr
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„Die Tarife wurden deutlicher erhöht als geplant“
Von Christian Weth

Herr Bettray, Sie haben sich schnelle Corona-Hilfen von den Gesellschaftern der Fährgesellschaft erhofft, aber nicht bekommen. Was nun?

Andreas Bettray: Die Corona-Pandemie ist ein Stresstest für unseren Fährbetrieb, wie für viele andere Unternehmen auch. Staatliche Hilfen sind bisher ausgeblieben, das Kurzarbeitergeld ausgenommen. Trotzdem bin ich optimistisch, da wir uns in keiner Existenz gefährdenden Lage befinden.

Das haben Sie vor einigen Wochen noch anders gesehen...

Weil ich damals noch nicht wusste, was ich jetzt weiß. Zwischenzeitlich sind uns Möglichkeiten aufgezeigt worden, eventuell staatliche Hilfen doch noch zu erhalten, mit denen wir unsere unbestrittene wirtschaftliche Schieflage zumindest teilweise ausgleichen könnten.

Und was sind das für Möglichkeiten?

Die Verkehrsminister der Länder arbeiten gerade an einem Rettungsschirm für den öffentlichen Personennahverkehr, um die Defizite durch die Corona-Krise auszugleichen. Dafür sollen die Regionalisierungsmittel 2021 um zunächst eine Milliarde Euro erhöht werden.

Was macht Sie so optimistisch, dass der Rettungsschirm tatsächlich kommt?

Den Vorsitz in der Verkehrsministerkonferenz hat derzeit die Bremer Verkehrssenatorin Maike Schaefer. Dies könnte für eine Unterstützung unseres Fährbetriebes sehr hilfreich sein. Anlässlich der Verkehrsministerkonferenz im vergangenen Monat wurde ein Imagevideo gedreht, das unter anderem auch unseren Fährbetrieb zeigt.

Und wenn die Senatorin keine Mehrheit findet?

Dann hilft uns eine Entscheidung, die der Aufsichtsrat zusätzlich zur Erhöhung der Fährtarife getroffen hat, damit wir kurzfristig unsere Einnahme- und Liquiditätssituation verbessern können.

Nämlich?

Vorgesehen war die Erhöhung der Fährtarife zum Ausgleich der allgemeinen Preis- und Kostenentwicklung erst im Juli 2021. Nun greift sie schon jetzt und damit zwei Monate vorher.

Und was bringt das an Euro?

Die Tariferhöhung wird uns für 2021 Mehreinnahmen von rund 130.000 Euro bringen.

Ihr Einnahmeverlust durch den Pendlerrückgang ist aber deutlich größer...

Dennoch wird das Geld helfen, das Minus nach und nach auszugleichen.

Sie haben zuletzt von einem Defizit von einer halben Millionen gesprochen. Und heute?

Laut dem vorläufigem Jahresabschlussbericht erwarten wir für 2020 ein Defizit in Höhe von rund 900.000 Euro.

Die Gesellschafter sagen, dass die Tariferhöhung sowieso in diesem Jahr gekommen wäre – auch in diesem Umfang?

Nein, in diesem Umfang nicht. Einzelne Tarife, vor allem den motorisierten Verkehr betreffend, sind deutlicher erhöht worden als ursprünglich vorgesehen war. Dabei haben wir bei der Kalkulation der Fährtarife die klimapolitischen Anforderungen und die klimaneutrale Mobilität explizit berücksichtigt und andere Fährtarife nicht erhöht.

Im vergangenen Jahr sind Sie an die Betriebsreserven gegangen und werden das auch in diesem tun. Wie lange kann das Unternehmen das durchhalten, sollte der Rettungsschirm ausbleiben?

Sollte der Rettungsschirm ausbleiben, helfen uns auf jeden Fall die Mehreinnahmen aus der Tariferhöhung unmittelbar weiter. Darüber hinaus erwarten wir, dass 2021 ein wirtschaftlich besseres Jahr wird als 2020.

Sie haben mal gesagt, dass die Gesellschaft ein Jahr wie das vergangene nicht noch einmal verkraften kann. Was wollen Sie versuchen, was Sie nicht schon probiert haben, um auf das Minus zu reagieren?

Ich habe unterm Strich nur zwei Stellschrauben. Die eine Schraube ist die Möglichkeit, Kosteneinsparungen weiter auszuschöpfen, die andere Möglichkeit ist die Erhöhung der Einnahmen. Etwas anderes bleibt mir nicht, um auf das Defizit zu reagieren.

Um Kosten zu senken, haben Sie zeitweise die Zahl der Fähren reduziert, den Takt runtergefahren und eine Fährstelle geschlossen. Worauf müssen sich Pendler 2021 einstellen – außer auf neue Tarife?

Ziel meines Handelns ist die Aufrechterhaltung der betrieblichen Abläufe bei gleichzeitiger Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit. Der Aufsichtsrat hat mir die Möglichkeit eingeräumt, Einschränkungen im Fährbetrieb vorzunehmen, sollten sich die Beförderungszahlen nicht zufriedenstellend entwickeln. Ich kann daher nicht ausschließen, dass an einer Fährstelle demnächst wieder der Betrieb eingestellt wird, zumindest nachts.

Und welche Fährstelle könnte es treffen?

Nach derzeitigem Stand den Fährbetrieb zwischen Blumenthal und Motzen. Während wir an den Fährstellen Vegesack-Lemwerder und Farge-Berne einen Beförderungszuwachs feststellen, gehen die Beförderungszahlen an der Fährstelle Blumenthal-Motzen kontinuierlich zurück.

Um wie viel?

Allein im März hatten wir an der Fährstelle Blumenthal-Motzen einen Beförderungsrückgang von mehr als 20.000 Fahrzeugen.

Und wie sicher sind die Arbeitsplätze, wenn sie weiterhin Kosten senken müssen?

Trotz der Einschränkungen, die es immer wieder gab, haben wir bislang keinem einzigen Mitarbeiter kündigen müssen.

Stand das denn mal zur Debatte?

Wir haben einen konstruktiven Austausch mit unserem Betriebsrat, der die Entwicklung an den Fährstellen genau vor Augen hat, betriebliche Einschränkungen mit uns diskutiert und wenn notwendig auch mitträgt. Hätte der Betriebsrat die bisherigen Einschränkungen nicht mitgetragen, wäre die Lage anders gewesen.

Vor der Pandemie haben viele gefordert, dass Fährfahrten für Fußgänger und Radfahrer kostenlos werden müssen – quasi als Ausgleich für die Brücken, die in der City gebaut werden. Was ist daraus geworden?

Das kann ich nicht sagen. Aber sollte die Forderung tatsächlich umgesetzt werden, dann bin nicht ich dafür verantwortlich, dass der Fährbetrieb entsprechende Kompensationszahlungen erhält. Das ist dann Sache der Politik. Einer Entscheidung sehe ich deshalb entspannt entgegen.

Auch dem neuen Wesertunnel?

Auch dem. Die Inbetriebnahme des Wesertunnels lässt sich nicht aufhalten und ist nach derzeitigem Stand für 2026 geplant. Wir haben also Zeit, uns auf die damit verbundenen Auswirkungen vorzubereiten.

Und warum wollen Sie dann jetzt schon mit einer Analyse des Pendlerverhaltens beginnen, wenn noch Zeit ist?

Weil wir die Zeit, die wir noch haben, auch effektiv nutzen wollen.

Das Gespräch führte Christian Weth.

Zur Person

Zur Person

Andreas Bettray (63)

leitet seit 19 Jahren die Fährgesellschaft Bremen-Stedingen. Davor arbeitete er für die Verkehrsbetriebe Wesermarsch. Bettray wohnt in Oldenburg, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Info

Zur Sache

Der Fährbetrieb in Zahlen

Die Fähren Bremen-Stedingen GmbH besteht seit 28 Jahren. Es gibt zwei Gesellschafter: das Land Bremen und den Landkreis Wesermarsch. Der Aufsichtsrat hat acht Mitglieder. Die Anteilseigner wechseln sich von Jahr zu Jahr mit dem Vorsitz ab. Die Fährgesellschaft beschäftigt 82 Menschen. Für den Bordbetrieb sorgen 18 Schiffsführer, elf Maschinisten und 41 Decksleute. Das Unternehmen hat vor der Corona-Pandemie jährlich rund 2,2 Millionen Fahrzeuge und fast fünf Millionen Personen befördert. Der Dieselverbrauch der Schiffe beläuft sich pro Jahr auf etwa 960.000 Liter. 2019 betrug die Bilanzsumme 14,8 Millionen und der Umsatz 8,1 Millionen Euro. Für Schiffsreparaturen wurden in dieser Zeit fast eine Millionen Euro ausgegeben.

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