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Weniger Fährfahrten wegen Corona-Krise Fährgesellschaft fährt runter

Erst hat die Fährgesellschaft Bremen-Stedingen die Zahl der Schiffe reduziert, jetzt stellt sie den Nachtbetrieb an einer Fährstelle ein. Ihr Geschäftsführer schließt weitere Einschränkungen nicht aus.
27.03.2020, 18:20 Uhr
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Fährgesellschaft fährt runter
Von Christian Weth

Bremen-Nord. Andreas Bettray hat immer mal wieder Zwischen- und Abschlussbilanzen erlebt, die besser hätten sein können – aber solche Zahlen wie jetzt hat der Fährchef noch nicht erlebt. Das Minus bei den Pendlern, die täglich mit dem Schiff über die Weser setzen, ist inzwischen so groß, dass seit dieser Woche ein Sonderfahrplan gilt. Und ab der nächsten ein Sonderfahrplan Nummer zwei. Wie beim ersten steht auch beim Nachfolger der Grund für gestrichene Fähren und Fahrten gleich dabei: Corona-Krise.

In der Vorwoche hat Bettray entschieden, dass an allen Nordbremer Fährstellen nur noch eine Fähre fährt. In dieser hat er gemacht, was er noch nie gemacht hat: die Nachtfahrten zwischen Blumenthal und Motzen auf unbestimmte Zeit gestrichen. Eigentlich, sagt der Fährchef, hätte er mehr machen müssen als das – wenn er denn allein aus wirtschaftlichem Kalkül entscheiden würde. Nach seinen Worten müsste dann nämlich der Nachtbetrieb an allen drei Fährstellen sofort eingestellt werden. Denn auch zwischen Vegesack und Lemwerder sowie Farge und Berne fahren tagsüber immer weniger Menschen mit der Fähre – und nachts noch weniger.

Bettray sagt, dass er jedoch nicht allein die wirtschaftlichen Interessen berücksichtigen kann. Und letztlich auch nicht muss. Er spricht vom Aufsichtsrat und den Gesellschaftern, die ihm in der vergangenen Woche signalisiert haben, dass sie genau das wollen, was auch er will: den Fährverkehr unbedingt aufrecht zu erhalten. Sowohl die Stadt Bremen als auch die niedersächsischen Umlandgemeinden haben ihm zufolge erklärt, dass das Priorität hat. Laut Bettray ist zwar nicht über finanziellen Hilfen gesprochen worden, der Fährchef geht aber fest davon aus, dass es sie geben wird, wenn am Ende des Jahres Bilanz gezogen wird.

Wie die ausfallen wird, wenn die Pendlerzahlen weiterhin sinken, kann sich Bettray nur zu gut vorstellen. Als Corona, Kontaktverbote und Homeoffice noch keine Themen waren, kam der Fährchef auf 7300 bis 8100 Autos, Lastwagen, Fußgänger und Zweiradfahrer tagsüber an jeder Fährstelle. Jetzt kommt er noch auf etwas mehr als halb so viele Fahrzeuge und Passagiere. Noch größer ist das Minus in der Nacht. Die Zahlen waren mal dreimal so hoch, wie sie jetzt sind. Bettray hat sich die neueste Statistik geben lassen. Demnach hatte die Crew an der Fährstelle Blumenthal-Motzen am Mittwoch 154, am Donnerstag 147 Pendler.

Die Fährstellen Vegesack-Lemwerder und Farge-Berne kommen nachts auf jeweils 50 Autos und Lastwagen mehr. Darum will Bettray dort die Nachtfahrten vorerst beibehalten. Beide gelten als die am stärksten frequentierten Fährverbindungen im Bremer Norden. Doch auch, wenn zwischen Blumenthal und Motzen schon immer weniger Pendler fahren, ist der Nachtbetrieb nicht ohne vorherige Debatte eingestellt worden. Weil viele Schiffsbauer die Fährstelle nutzen, hat Bettray am Donnerstag mehrere Gespräche mit Vertretern verschiedener Werften geführt – mit dem Ergebnis, dass er die Fahrten nicht einfach so gestrichen hat, sondern einen Kompromiss eingegangen ist.

Eigentlich wollte Bettray, dass zwischen Blumenthal und Motzen die letzte Fähre um 19.30 Uhr fährt. Weil manche Werften aber länger arbeiten, macht jetzt auch die Spätschicht auf der Fähre länger. Zumindest von montags bis donnerstags ist die letzte Fahrt ab Motzen erst um 22 Uhr – und ab Blumenthal fünf Minuten später. Der Fährchef sagt, dass er das nicht allein entschieden hat. Betriebsrat und Belegschaft haben der Mehrarbeit zugestimmt. Nach eigenem Bekunden wäre es Bettray im Grunde lieber gewesen, wenn es für sie beim normalen Pensum geblieben wäre. Schließlich, auch das geht aus den Sonderfahrplänen zur Corona-Krise hervor, sollen die Crews geschont werden.

Bettray sagt, für den Fall, dass sich ein Besatzungsmitglied mit dem Virus infiziert und die gesamte Crew in Quarantäne muss, eine personelle Reserve zu brauchen. Auch deshalb fahren ihm zufolge mittlerweile nicht mehr alle Fähren. Deren Auslastung, meint er, ist eine Sache, die Sicherheit der Mannschaft eine andere. Von den 80 Mitarbeitern sind nach seiner Rechnung momentan 20 Prozent auf Abruf zu Hause, ab nächster Woche, wenn die Nachtschicht an der Fährstelle Blumenthal-Motzen entfällt, werden es 30 Prozent sein. Der Fährchef spricht von Überstunden, die jetzt genommen werden, und von Urlaub, der nun vorgezogen wird.

Was danach folgt, ist bereits entschieden. Laut Bettray wird die Fährgesellschaft das machen müssen, was andere Unternehmen inzwischen schon gemacht haben: Kurzarbeitergeld beantragen. Nach Angaben des Fährchefs sind erste Gespräche bereits geführt worden. Wann es so weit ist, darüber kann er momentan nur spekulieren. Genauso wie er nicht sicher sagen kann, ob es irgendwann weitere Einschränkungen bei den Fährverbindungen gibt – und auf den ersten und zweiten Sonderfahrplan demnächst ein dritter und vierter folgt. Bettray sagt, dass er nichts ausschießt. Auch nicht, dass nicht nur weitere Fähren und Fahrten ausfallen, sondern irgendwann auch eine Fährstelle.

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