Blumenthal. Die Mehrheit der Blumenthaler Beiratspolitiker findet es gut, dass sich Betreiber Onyx Power eine Option zur Stilllegung des Kraftwerks offen hält. Genauso wie die Option selbst: in Farge nicht mehr Kohle zu verbrennen, sondern Holz. Das Gros der Fraktionen findet sie sogar so gut, dass sie die Wirtschafts- und die Umweltbehörde auffordern will, Gespräche mit dem Betreiber aufzunehmen. Auch wenn die Parteien wissen, das kein normales Holz verbrannt werden soll. Und die Regierungsparteien ein anderes Ziel im Koalitionsvertrag vereinbart haben.
Was werden könnte, wenn das Kraftwerk doch nicht abgeschaltet wird, hat Frank Fischer den Stadtteilpolitikern skizziert. Kurz vor der September-Sitzung des Beirats trafen sich einige mit dem Betriebsleiter, um Näheres darüber zu erfahren, was das Unternehmen zuvor nur angedeutet hatte. Nach Angaben der CDU sprach Fischer von Holz der Kategorie A3, das anstelle von Steinkohle verbrannt werden könnte. Von einer Übergangslösung, die vielleicht 20 Jahre dauert. Und davon, dass dann die Technik so weit ist, um nicht mehr Holz, sondern Wasserstoff in Strom umzuwandeln.
Kritik von den Grünen
Für fast alle Parteivertreter hört sich das verlockend an, nur für Bianca Frömming nicht. Die Grünen-Politikerin sagt, dass A3-Holz lackiertes, beschichtetes, verleimtes Holz ist. Dass das Kraftwerk zur Verbrennungsanlage für Sondermüll wird, wenn der Betreiber tatsächlich sein Konzept umsetzen sollte. Und dass der geplante Kohleausstieg am Ende dann doch genau das Gegenteil von dem wird, was er sein sollte: eine saubere Sache. Frömming ist die einzige Mandatsträgerin, die den Antrag der SPD, die Behörden zu Gesprächen mit dem Kraftwerksbetreiber aufzufordern, nicht unterstützt.
Dass alle anderen Verhandlungen wollen, kommt nicht von ungefähr. Es geht um Jobs. 93 Frauen und Männer arbeiten im Kraftwerk. Und Blumenthal, meint die Mehrheit der Fraktionen, ist auf den Erhalt der Stellen angewiesen. Auch Frömming will, dass alle ihren Arbeitsplatz behalten. Auch sie kann sich vorstellen, das Kraftwerk am Netz zu lassen: wenn nicht behandeltes Holz verfeuert würde, sondern Holz, das etwa von Borkenkäfern befallen ist. Wenn es nicht ganz aus Schweden käme, so wie der Betriebsleiter es gesagt haben soll, sondern aus Deutschland. Und wenn in ein Fernwärmenetz investiert würde.
Onyx Power kann nach eigenem Bekunden noch nicht genau sagen, was wird – und darum auch nicht, wie ein Umbau im Detail aussehen könnte. Eine Unternehmenssprecherin erklärt, dass die Umwandlung vom Kohle- zum Holzkraftwerk nur eine Möglichkeit ist. Und diese Möglichkeit noch geprüft wird. Ihr zufolge ist deshalb noch vollkommen offen, wie viel Geld der Betreiber ausgeben würde, um den Standort umzurüsten und für wie viele Beschäftige es anschließend in Farge weitergehen könnte. Sie rechnet damit, dass Ende des Jahres mehr Klarheit herrscht. Auch über ein mögliches Aus des Kraftwerks.
Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi will sich der Betreiber an Auktionen des Bundes beteiligen, bei denen es Prämien für die Stilllegung gibt. Den Zuschlag bekommt, wer das günstigste Angebot macht. Die erste Bieterrunde war Anfang des Monats. Kurz zuvor hatte Onyx Power die Grundlage dafür geschaffen, sich an den Auktionen beteiligen zu können: Der Betreiber schloss mit den Beschäftigten einen Tarifvertrag ab und handelte mit ihnen und der Gewerkschaft unter anderem Vorruhestandsregelungen sowie Abfindungen aus. Zum Abschluss kam es in der zweiten Augusthälfte.
Das Treffen zwischen Betriebsleiter Fischer und einigen Stadtteilpolitikern war später. Was er ihnen skizzierte, ist der Behörde bislang noch nicht vorgestellt worden. Jens Tittmann sagt, von keinen Gesprächen über eine Umrüstung des Kohlekraftwerk zum Holzkraftwerk zu wissen. Was der Sprecher von Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) dagegen ganz sicher weiß, ist: Dass Onyx Power momentan eine unbefristete Lizenz für den Betrieb eines Steinkohlekraftwerks in Farge hat. Und dass der Betreiber eine Genehmigung braucht, wenn er künftig auf Holzverbrennung umsteigen will.
Ob die Gewerbeaufsicht und das Umweltressort ihr Okay für eine Umrüstung geben würden, darüber kann Tittmann derzeit nur spekulieren. Kein Konzept, keine Einschätzung. Fest steht für den Sprecher der Senatorin allerdings etwas anderes: Die Koalitionspartner haben sich nicht bloß darauf verständigt, den Kohleausstieg in Bremen voranzutreiben, sondern zugleich, den CO₂-Ausstoß im kleinsten Bundesland weiter zu verringern. Und ein Kraftwerk, in dem Holz zur Energiegewinnung verbrannt wird, steht laut Tittmann diesem Ziel genauso entgegen, wie ein Kraftwerk, in dem Kohle verfeuert wird.
Skeptisch ist er auch bei den 20 Jahren, die der Betriebsleiter für die Stromerzeugung mit Holz angegeben haben soll. Testanlagen mit Wasserstoff, meint Tittmann, gibt es doch schon jetzt. Bianca Frömming sieht das ähnlich. Die Grünen-Politikerin sagt, dass zwei Jahrzehnte eine lange Zeit sind, in der weiterhin der Qualm aus dem Schornstein des Kraftwerks aufsteigen soll. Sie findet, dass es schon seit Langem viel zu viele Verbrennungsanlagen in Blumenthal gibt – und dass der Beschluss des Beirats, die Behörden zu Gesprächen mit dem Betreiber aufzufordern, verfrüht ist.
In der nächsten Woche wollen die Parteien noch einmal über das Kraftwerk sprechen. Diesmal im Sprecherausschuss, in dem die Fraktionsspitzen sitzen.