In der Vorwoche reichte es Kay Bienzeisler endgültig. Der SPD-Politiker wurde, was er noch nie im Beirat wurde: laut. Er klagte über Lärm, Müll und zugeparkte Gehwege im Blumenthaler Zentrum. Und darüber, dass er und andere das schon oft beklagt haben, sich aber nichts an der Situation ändert. Zwei Tage später waren Kräfte des Ordnungsamtes und der Polizei im alten Ortskern unterwegs und am übernächsten Tag noch einmal – allerdings nicht, weil Bienzeisler im Stadtteilparlament emotional geworden war, sondern weil die Beamten aktuellen Hinweise nachgingen.
So sagt es Ortsamtsleiter Oliver Fröhlich. Und so sagen es Ralf Goldmann und Michael Steines von der Polizei. Der Kommissariatschef und der Abteilungsleiter Nord-West sprechen von einer gezielten Aktion, bei der Läden kontrolliert, aber auch Beschwerden von Anwohnern überprüft wurden. Bei einigen ging es um wiederholte Ansammlungen von Menschen und Verstöße gegen Corona-Auflagen, bei anderen um Ruhestörungen. Einem Kioskbesitzer wurde verboten, sein Geschäft weiterhin zu öffnen, weil er Tische und Stühle rausgestellt hatte, ohne eine Genehmigung dafür zu haben.
Nach Bienzeislers Ansicht hat der Einsatz der Beamten gewirkt. Er findet, dass es seither etwas ruhiger im Quartier ist. Das meint auch Abraham Siekmann, der ein Nachbar des Beiratspolitikers ist. Beide haben am vorvergangenen Wochenende die Polizei verständigt, weil Anwohner der George-Albrecht-Straße draußen so laut Musik abgespielt haben, dass sie durchs geschlossene Fenster zu hören war. Ihnen zufolge mussten die Beamten zweimal kommen, um für Ruhe zu sorgen. Siekmann kommt nach eigener Rechnung pro Jahr auf ein bis zwei Anrufe bei der Polizei wegen Ruhestörung.
Nachbar Bienzeisler sagt, schon so oft die Polizei gerufen zu haben, dass er gar nicht mehr sagen kann, wie oft. Seine Frau führt inzwischen Buch, wie häufig es draußen laut wird. Der Stadtteilpolitiker hat nachgeschaut und von Anfang Mai bis heute 33 Einträge im sogenannten Lärmprotokoll gefunden. Bei einigen Fällen geht es um quietschende Reifen und Motoren, die immer wieder aufheulen, bei anderen um wummernde Bässe, die aus Lautsprechern dröhnen. Sowohl morgens als auch mittags und nachts. Mal eine Dreiviertelstunde, mal eine, mal eine halbe.
Die beiden Anwohner befürchten, dass sich die Ruhestörungen fortsetzen werden, so wie in jedem Sommer. Und dass auf den Kontrolleinsatz der Beamten in der vergangenen Woche so bald kein neuer folgen wird. Ortsamtsleiter Fröhlich und Kommissariatsleiter Goldmann sagen etwas anderes: Dass sie im engen Austausch stehen und Einsatzkräfte sofort kommen, wenn der Verwaltungschef von Anwohnern, Beiratspolitikern und Geschäftsleuten auf Probleme aufmerksam gemacht wird. Viele rufen inzwischen im Ortsamt an statt auf der Wache.
Bienzeisler will sich nicht mehr irgendwo melden müssen, damit für Ruhe gesorgt wird. Er will, dass sich die Situation im Zentrum ein für alle Mal verbessert. Der SPD-Politiker fordert, dass der Runde Tisch zum alten Ortskern wieder tagt. Dass sich der Integrationsausschuss mit ihm befasst. Und dass alle mal zusammenkommen, um zu sagen, was genau sie eigentlich machen, um die Lage für Anwohner zu verbessern – die Baubehörde, das Ordnungsamt, die Polizei, das Quartiersmanagement, das Innenressort. Ortsamtsleiter Fröhlich sagt, dass das Treffen vorbereitet wird.
In dieser Woche haben sich Bienzeisler und andere Blumenthaler Parteivertreter mit Olaf Bull getroffen. Der Staatsrat der Innenbehörde soll wissen, was im alten Ortskern los ist – und sagen, ob Senator Ulrich Mäurer (SPD) ins Zentrum des Stadtteils kommen kann. Das ist er schon einmal. Bienzeisler weiß das. Seiner Meinung nach hatte sich nach dem Besuch des Behördenchefs die Lage im Quartier entspannt, wenn auch nur vorübergehend. Der Stadtteilpolitiker spricht von einem Auf und Ab und davon, dass die Zahl der Probleme im Sommer zunimmt.
Im Grunde wollen er und Nachbar Siekmann mehr als einen Auftritt des Senators und einem Austausch der Behörden im Integrationsausschuss. Sie hoffen wie alle Fraktionsvertreter darauf, dass das Zentrum zum Sanierungsgebiet erklärt wird – und damit städtebauliche Instrumente zur Verfügung stehen, die die Stadt sonst nicht hat. Zum Beispiel Vermieter zu enteignen, wenn sie sich nicht um ihre Immobilien kümmern. Bienzeisler und Siekmann finden, dass das bei einem Großteil der Häuser an der George-Albrecht-Straße der Fall ist.
Für sie ist der alte Ortskern ein Brennpunkt und inzwischen so etwas wie ein rechtsfreier Raum. Kommissariatschef Goldmann und Abteilungsleiter Steines nennen das Quartier anders, vor allem weniger dramatisch. Sie sprechen von einem Viertel, das soziale Probleme hat – und in dem die Polizei genauso oft ist wie in anderen Gebieten der Stadt, in denen es immer mehr leere Läden und immer weniger Arbeit gibt. Steines vergleicht das Blumenthaler mit dem Gröpelinger Zentrum. Er ist für beide Stadtteile zuständig.