Holger Eichhorn, den kennen in Borgfeld alle. Manch ein Kind ist mit dem Kontaktpolizisten (Kop) aufgewachsen. Ende Juni wechselt der 61-Jährige nach 45 Berufsjahren, davon fast zehn Jahre als Kop in Borgfeld, in den Ruhestand.
Es ist ein verregneter Tag, an dem Holger Eichhorn zum letzten Mal als Polizist in der Grundschule Borgfeld die Fahrradführerscheine abnimmt. Für viele der Zehnjährigen, von denen einige mächtig aufgeregt sind, ist es trotzdem einer der schönsten Tage im Schulhalbjahr. Holger Eichhorn prüft mit ernstem Blick Klingel, Bremsen, Licht und Reifenprofile an den Fahrrädern; er macht den Kindern aber auch Mut, lobt sie und reagiert locker, wenn es mal nicht so rund läuft und umgefahrene Pylonen durch die Gegend kullern. "Ruhe und Gelassenheit zeichnen ihn aus bei der Arbeit mit Kindern", weiß Lehrerin Janina Wrede. Ihre Kollegin Sandra Bischof lobt Eichhorns geduldige und verständnisvolle Art.
Gute Basis für ein Miteinander
So kennen ihn auch die Borgfelder im Ort. Und der, sagt Eichhorn, habe ihm die Arbeit immer leicht gemacht. "Borgfeld ist nach wie vor ein Dorf am Rande der Stadt mit bürgerlicher Struktur", sagt er, "im Grunde hat man eine gute Basis des Miteinanders; in den meisten Fällen spricht man miteinander und kann mit Gesprächen vorankommen." Ein "Dorf" mit Wochenmarkt und Veranstaltungen biete dazu viele Möglichkeiten.
Holger Eichhorn ist nahbar, er hat sein Ohr überall und er vermittelt. "Wenn ich mich überall nur durchsetzen will und eine Sonderstellung habe, würde das nicht funktionieren", glaubt er. In die Karten spielt ihm, dass er in Borgfeld aufgewachsen ist und hier Fußball gespielt hat. "Das hilft", sagt er, "ich kenne viele, viele kennen mich und ich weiß vieles."
Während die Kollegen in anderen Stadtteilen Knöllchen verteilen, konzentriert sich Eichhorn auf das Miteinander im Ort. Borgfeld hat seine eigenen Themen – Kriminalität gehört nicht dazu. Auch eskalierende Nachbarschaftsstreitigkeiten, zu denen die Polizei gerufen wird, gibt es laut Eichhorn nur wenige. Für Ärger sorgen vielmehr nicht angeleinte Hunde im Naturschutzgebiet. In der Spitze sind es die Verkehrsverhältnisse, die heiß diskutiert werden, sagt Eichhorn: Die Straßen im Ort gab es schon vor 80 Jahren, aber heute fahren doppelt so viele Fahrzeuge auf ihnen. "Es ist zu eng." Das sorgt für Konflikte.
Die schlimmste Zeit
Die herausforderndsten Momente seiner beruflichen Laufbahn erlebte Holger Eichhorn in Zeiten der Corona-Pandemie. Es sei eine schlimme Zeit für die Menschen und für die Polizei gewesen – und "die schlimmste Zeit für mich als Kontaktpolizist", sagt Eichhorn. "Ein Kontaktpolizist ohne Kontakte ist wie eine Nudelsuppe ohne Nudeln."
Eine besonders gute Erfahrung dagegen hat Eichhorn 2015 nach Ankunft der Geflüchteten in Borgfeld gemacht. Da war der Vater zweier erwachsener Söhne gerade ein Jahr Kontaktpolizist in Borgfeld. "Die Belegung der Sporthalle hat nicht funktioniert, als die Wohncontainer auf der Borgfelder Warf aufgestellt wurden, war das eine gute Sache."
Ein anderes großes, emotional sehr bewegendes Thema war das Hochwasser zum Jahreswechsel 2023/24. Größere Aufgaben hatte die Polizei nicht zu bewältigen. Spuren hat die Verzweiflung der Menschen hinterlassen. "Ich habe gesehen und erlebt, wie manche den Tränen nah waren", sagt der erfahrene Kontaktpolizist. "Das ist mir nahe gegangen, auch als Borgfelder."
Große Aufgabe für Borgfeld
Eine große Aufgabe sieht er für Borgfeld künftig darin, darauf zu achten, dass das Gutbürgerliche, das Miteinander nicht verloren geht. Viele, sagt er, sehen nur ihre eigene Situation als Radfahrer, als Fußgänger oder als Autofahrer. "Ich wünsche mir, dass wir weniger aufeinander schimpfen und stattdessen miteinander reden und etwas unternehmen." Der beschauliche Ortsteil Borgfeld, sagt er, habe eine Chance, dass alle gut miteinander auskommen können. "Ich wünsche mir, dass die Menschen das auch erkennen und wahrnehmen." Es sei besser, aufeinander Acht zu geben und Dinge gemeinsam zu tun. Eine Idee liefert Eichhorn gleich mit. An der Grundschule Am Borgfelder Saatland hatten Kop, Eltern, Behörden und Schulleitung ein Projekt Elternlotsen eingerichtet, das der Pandemie zum Opfer gefallen ist. "Vielleicht kann man das wieder aufleben lassen."
Dass Holger Eichhorn demnächst in den Ruhestand wechselt, bedauern viele – auch Leonie, die ihm an der Grundschule begegnet: "Eigentlich sehr schade, ich finde, die Polizei hilft uns sehr. Ich fand Herrn Eichhorn sehr nett", sagt die Zehnjährige. Auch Merle äußert am Tag ihrer Fahrradprüfung Anerkennung: "Herr Eichhorn macht seine Arbeit ganz gut." Eilika bestätigt das: "Er ist ein guter Polizist."
Eichhorn, der während seiner Zeit in Borgfeld auch Sonderdienste am Rande von Fußballspielen und Demonstrationen in der Bremer City geschoben hat, will die gewonnene Freizeit gemeinsam mit seiner Ehefrau Gabriele Eichhorn beim Radfahren in der Natur genießen und sich einen Traum erfüllen: einmal am Gardasee Urlaub machen. Pläne für die Zukunft gibt es nicht. Nur eines steht schon fest, wie er lachend verkündet: "Die Grundschule Borgfeld hat mich als Vorlese-Opa verpflichtet."