Herr Schumacher, Sie wollen 2025 den landwirtschaftlichen Betrieb Ihrer Eltern in Borgfeld übernehmen, was treibt Sie an?
Enno Schumacher: Ich habe mein ganzes Leben hier auf dem Hof an der Katrepeler Landstraße verbracht. In der Schule hatte ich kurz überlegt, ob ich eine Banklehre machen soll. Aber die Landwirtschaft ist spannender.
Die Landwirtschaft steckt in der Krise, heißt es. Wie sehen Sie das?
In der Landwirtschaft ging es schon immer auf und ab. Meine Ausbildung als Landwirt habe ich 2015/16 absolviert – mitten in der Milchkrise. Da haben wir über 17 Cent Milchgeld pro Liter gesprochen – da war die Anspannung in den Betrieben riesig. Das war ein Betrieb mit Neubauten – mit Investitionen vorweg – da gab es Ängste, dass man das alles nicht mehr bezahlen könne. Wenn man jeden Monat weiß, dass am Ende nichts übrig ist, dann ist das schwierig. Als ich mit der Ausbildung fertig war, ging es zum Glück wieder bergauf.
Worin sehen Sie die größte Herausforderung für die Landwirtschaft im kommenden Jahr?
Die größten Probleme liegen in der Planungsunsicherheit. Durch häufige Regierungswechsel und die Reformation der Agrarförderpolitik ist da einiges im Argen. Es gibt EU-, Bundes- und Ländermittel. Es gibt eine Grundunterstützung und Sondertöpfe. Die Laufzeiten sind meistens fünf Jahre. Wenn man Stallungen baut, dann plant man für 30 Jahre – wenn sich dann jedoch alle fünf Jahre die Anforderungen für die Tierhaltung ändern, ist das ein Problem. Hinzu kommt in unserer Region, dass wir viele Naturschutzflächen haben – auf dem Dauergrünland haben wir keinen Marktertrag. Das müssen wir mit der Tierhaltung wieder reinholen.
Seit 25 Jahren züchtet Ihre Familie Rinder und verkauft das Fleisch inzwischen im eigenen Hofladen – alles in Bioland-Qualität. Setzen Sie das fort?
Ja, wir haben in den vergangenen Jahren viel investiert – in Stallungen, in den Hofladen, in die Rinderzucht – mit meiner Schwester haben wir zusammen am Hollerdeich eine Pferdepension eröffnet. Das wollen wir weiterentwickeln. Wir bewirtschaften rund 150 Hektar – in Borgfeld und Oberneuland, Timmersloh und im Blockland. Seit 2007 haben wir unsere Stallungen am Hollerdeich. Jetzt heißt es für mich, die Investitionen wieder reinzuholen.
Der konventionelle Markt macht dem Biomarkt Konkurrenz – macht Ihnen das zu schaffen oder profitieren Sie nach wie vor von der Bio-Nische?
Momentan sind die Milchpreise auf dem konventionellen Markt sehr hoch – die haben praktisch den Biomarkt eingeholt. Beim Fleisch liegt die Preisspanne zwischen 15 und 35 Cent pro Kilo, die wir vom Schlachthof für Bio-Ware mehr bekommen – im Vergleich zu konventionellen Produkten. Wenn man an der Ladentheke den Preisunterschied zwischen Bio-Ware und konventionellen Produkten sieht, dann fragt man sich: Wer steckt sich das Geld ein?
Wer?
(lacht) Die Landwirte sind es jedenfalls nicht. Vermutlich der Einzelhandel und die großen Konzerne. Ein Beispiel: Der konventionelle Schlachtmarkt zahlt den konventionellen Landwirten für das Kilo Fleisch 5,80 Euro – was momentan sehr hoch ist. Wir Biolandwirte bleiben aber auch unter sechs Euro. Wir haben zurzeit rund 16 Cent pro Kilo, die wir mehr bekommen. Für das gesamte Tier, bei 450 Kilo, redet man von 70 bis 80 Euro, die wir mehr erwirtschaften als konventionelle Landwirte. Dafür haben wir aber ein Drittel mehr Aufwand.
Um selbst vom Gewinn zu profitieren, vertreiben Sie Ihr Fleisch nicht mehr über Supermärkte?
Nein. Das passt nicht. Die Supermärkte wollen zwar regionale Produkte anbieten – aber da heißt es dann: Liefert uns doch ein paar Filetstränge. Aber wir verkaufen das ganze Tier – die Knochen, Bauch, Innereien – eben alles. Damit wir nichts wegwerfen müssen. So ist es ökologisch sinnvoll. Die Leute kommen zu uns auf den Hof. Die Nachfrage ist nach wie vor gut. Wir ergänzen uns da mit anderen Betrieben aus der Region – neben Rindfleisch gibt es auch Geflügel, Wild, Lamm, Eier, Wurstwaren. Das breite Angebot lockt die Kundinnen und Kunden.
Welche Herausforderungen birgt der Klimawandel für die Landwirtschaft?
Durch das Hochwasser Anfang vergangenen Jahres stand das Wasser mehrere Monate lang auf unseren Flächen. Wir konnten nicht aussäen, mussten Neusaaten beantragen – das hat so lange gedauert, bis die Felder verunkrautet waren. Dann müssen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden – was durchaus zu vermeiden gewesen wäre. Hätten wir Landwirte mehr Freiräume, könnten wir ökologischer wirtschaften. Das Problem ist, dass kein Politiker mehr kurzfristig regionale Entscheidungen treffen kann – das ist bei Hochwasser und anderen Klimaereignissen aber notwendig. Das wird alles in Brüssel entschieden – und das dauert oft viel zu lange. Damit schaden wir unserer Wirtschaft.
Haben Sie im vergangenen Jahr an den Bauernprotesten teilgenommen?
Ja, einmal, aber eher aus Solidarität zu den Kollegen. Wir bekommen für unsere Arbeit viel Lob – die Leute schätzen das, was wir machen. Unser Ansehen in der Gesellschaft ist nicht so das Problem. Ich glaube, das ist in Bremen ganz in Ordnung. Wir sind ein kleines Bundesland und die Leute kommen deshalb mehr zusammen. Was fehlt, ist leider oft das Verständnis dafür, dass wir die Ernte einfahren müssen – auch an Feiertagen oder am Abend.
Dann beschweren sich die Anwohnerinnen und Anwohner?
Ja. Das ist ein Problem. Viele Leute haben zwar Verständnis, aber manche rufen einfach gleich die Polizei, anstatt mal selber mit uns zu reden. Dann klärt sich das nämlich meistens – wenn das Wetter umschlägt und wir noch Heu einfahren müssen. Dann spricht man und erklärt, dass wir noch eine halbe Stunde brauchen.
Was kann die Landwirtschaft tun, um in der Bevölkerung wieder mehr Verständnis für ihre Arbeit zu bekommen?
Es ist wichtig, ins Gespräch zu kommen – bei Trecker-Fahrten, bei Demos, aber man muss den Leuten auch erklären, warum man streikt – da gab es oftmals einen guten Austausch und Daumen hoch am Straßenrand. Was nicht geht, sind politische Botschaften wie Galgen am Straßenrand. Wir müssen besser erklären, warum wir beispielsweise den Agrardieselausgleich brauchen: Weil wir mit unseren landwirtschaftlichen Maschinen nicht auf der Autobahn unterwegs sind, und Straßen abnutzen, sondern damit unsere Felder bewirtschaften. Deshalb haben wir dort eine Steuervergünstigung – und die ist sinnvoll. Wir Schumachers öffnen unseren Hof regelmäßig für Besucher und Schulklassen. Wir feiern den Weideaustrieb, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
Was wünschen Sie sich fürs kommende Jahr von der Politik?
Weniger Auflagen: Wir mussten beispielsweise für den Hofladen vor drei Jahren eine TSE-Kasse anschaffen, die alles verschlüsselt an das Finanzamt übertragen kann. Damals haben wir die Kasse angemeldet, aber da funktionierte das seitens des Amtes noch gar nicht. Also hätten wir damals noch drei Jahre mit der alten Kasse weiterarbeiten können. Wir haben inzwischen einen ganzen Raum voller Kassen! Wir müssen Kassenwaagen zehn Jahre aufbewahren – ständig gibt es neue Bestimmungen, die dann aber doch gar nicht greifen. Ich wünsche mir, dass man da mit gesundem Menschenverstand ran geht. Und nicht ständig neue Auflagen schafft, die sich hinterher als überflüssig herausstellen.
Wo sehen Sie Ihren Betrieb in fünf Jahren?
Wir wollen das Höfesterben überleben. Kleine Betriebe wie wir, mit 180 Kühen, haben die gleichen Auflagen wie große Betriebe mit mehreren Tausend Tieren. Viele kleine Betriebe hören deshalb auf, vor allen Dingen, wenn sie keine Nachfolger haben: Wer mit Mitte 50 eine Siloplatte für seinen Hof bauen soll und 300.000 Euro investieren muss, für den rechnet sich das ohne Nachfolge nicht. Dann sagen sich die Landwirte: Dann dreh ich die Bude eben dicht. Hinzu kommt: Die Baukosten haben sich in den letzten 20 Jahren verdreifacht. Die Baugenehmigung für unseren Pferdestall hat dreieinhalb Jahre gedauert – obwohl ein Teil der Halle schon stand. Man muss in dieser Zeit ja die Kredite bedienen und hat nichts zum Abbezahlen erwirtschaftet. Da laufen einem die Kosten aus der Hand.