Borgfeld. Efeu, Wein und Rosen ranken über die Fensterläden. Der Vorgarten ist eine wilde Blumenwiese. Der Brunnenhof an der Straße Upper Borg liegt im Dornröschenschlaf. Und hinter den Kulissen wird gerungen. Zentrale Frage: Wie kann man das fast 200 Jahre alte, geschichtsträchtige Ensemble erhalten? Um eine Lösung zu finden, werfen jetzt auch Vertreter des Amtes für Denkmalschutz noch einmal einen Blick auf die Gemäuer.
Der Brunnenhof stellt in Borgfeld ein kleines Politikum dar, denn das reetgedeckte Fachwerkhaus erzählt Borgfelder Geschichte. Der Sohn eines Windmüllers hat es 1825 als eines der ersten Häuser Borgfelds auf einer alten Wurt erbaut, um es vor Hochwasser zu schützen. Später ließen gut betuchte Bremer ihre Wäsche mit dem klaren Wasser aus dem Ziehbrunnen im Garten blütenweiß waschen. Die Wäscherei der Familie Bischof im Nebengebäude gab es nach Angaben des Heimatarchivs bis kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs. „Der Brunnenhof gehört zu den das Ortsbild prägenden Bauten“, sagt Heimatforscher Johannes Rehder-Plümpe. Und er ist ein Beispiel dafür, wie sehr sich das alte Borgfeld mit seinem dörflichen Charme verändert: Alte Bauernhäuser werden verkauft, durch Stadtvillen ersetzt, alte Bäume gefällt. Unerträglich, finden Kritiker. Einige befürchten, dass sie ihren Wohnort in ein paar Jahren nicht wiedererkennen werden.
Hauptsache, das Haus bleibt stehen
Jetzt soll der Brunnenhof den Besitzer wechseln. Zum Verkauf stehen das Fachwerkhaus mit 138 Quadratmetern Wohnfläche, die sich auf sechs Zimmer verteilen; ein zweigeschossiges Nebengebäude und das rund 1200 Quadratmeter große Grundstück. Friedrich-Albert Bischof will es für mindestens eine halbe Million Euro verkaufen – nicht mehr und nicht weniger. An zusätzliche Kosten für eine Sanierung denkt er nicht, Bischof ist der Meinung: „Im Grunde kann man so einziehen, es muss nicht alles umgebaut und vermietet werden.“ Wohn- oder Gewerbeflächen im Nebengebäude schaffen? Tabu. Bischof befürchtet: „Wenn man an einer Seite etwas aufreißt, macht man auch an anderer Stelle etwas kaputt.“ Allein in dem Haus leben kann der 90-Jährige gelernte Installateur aus gesundheitlichen Gründen nicht. Er wohnt bei seiner Lebensgefährtin. „Mir ist wichtig, dass das Haus nicht abgerissen wird, dass es jemand kauft, der drin wohnen möchte“, sagt der Borgfelder. Die Enkeltochter komme für ihn darum als Erbin nicht in Frage: „Sie will schnellstmöglich verkaufen“, glaubt Bischof.

Ein Schild weist auf die Historie des Brunnenhof hin.
Aber es gebe auch so Interessenten. „Das Problem ist, es haben alle kein Geld“, sagt Bischof. Immobilienmakler Anton Perl von der Gesellschaft Postbank Immobilien hat nach eigenen Angaben mit drei von zehn vorwiegend privaten Interessenten tiefergehende Gespräche geführt. Sollten größere Investoren ein Auge auf den Brunnenhof geworfen haben, sind sie bislang durchs Raster gefallen. Doch auch die potenziellen Käufer sind laut Perl am starken Willen und den Vorstellungen des jetzigen Besitzers gescheitert. „Der letzte Interessent war fast schon beim Notar, letztendlich ging es um zu viel Geld.“
Ein neuer Interessent hat jüngst im Beirat vorgefühlt: Roman Förster. Seine Chancen, glaubt Makler Perl, stehen gut. „Herr Bischof hat seine Einschränkungen in letzter Zeit deutlich verändert. Er möchte verkaufen und die neuen Besitzer noch persönlich kennenlernen.“ Der einstige Hobbyhistoriker sehe ein, dass seine preislichen Vorstellungen schwer aufrecht zu erhalten sind, so Perl. Roman Förster seinerseits möchte noch gar nicht so offen über seine Pläne reden. Der 44-jährige Maschinenbau-Ingenieur würde den Brunnenhof gern als Familiendomizil wieder aufbauen und den Hof weiterführen. Allerdings ohne Ackerbau, wie er sagt. Allein für die Sanierung veranschlagt Förster mindestens 250 000 Euro.
Beim Beirat rennt Förster offene Türen ein, wie Sprecher Gernot Erik Burghardt (FDP) sagt. Die Ortspolitiker unterstützen den Neuborgfelder mit Tipps und Kontakten. Jörn Broeksmid (CDU): „Klar, wollen wir den dörflichen Charme Borgfelds erhalten und weiterentwickeln.“ Wolfgang Klüver (CDU) sitzt dem Bauausschuss vor, er begrüßt Försters Ambitionen ebenfalls. Heike Klatte (parteilos) sieht den Eigentümer am Zug: „Einen alten Hof zu erhalten geht nur, wenn der Besitzer an jemanden verkauft, der diesen mit Herzblut erhält.“ Dazu gehörten auch die Vorstellungen des Käufers. „Wenn alte Häuser nicht verändert werden dürfen, stehen sie leer und werden unverkäuflich.“
In dieser Woche befasst sich Bremens oberster Denkmalpfleger Georg Skalecki mit dem Brunnenhof. „Das Landesamt für Denkmalpflege prüft die Denkmaleigenschaften des Brunnenhofs und Möglichkeiten, wie man das Ensemble erhalten kann“ – ohne dass es den neuen Besitzer ruiniere, so Skalecki. In den Gesprächen gehe es vordergründig um die Sanierungskosten, Zuschüsse für den Erhalt von Kulturdenkmälern und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten. Grundsätzlich sei der Brunnenhof kein eindeutiges Denkmal. Dafür sei die Bauernstelle zu oft umgebaut worden, weiß Heimatarchivar Rehder-Plümpe.
Dennoch wirft der Denkmalpfleger alles in die Waagschale. Interessenten, die wie Förster die historische Bausubstanz erhalten möchten, stünden nicht gerade Schlange, begründet Skalecki. Er jedenfalls habe zum Brunnenhof kein weiteres Gespräch mit diesem Schwerpunkt geführt. Rehder-Plümpe: „Viele wollen abreißen und eine Stadtvilla bauen.“ Friedrich-Albert Bischof macht da nicht mit. Der Brunnenhof soll bleiben, wie er ist, sagt er, „sonst behalte ich das Haus, ich muss ja nicht verkaufen.“
Der historische Brunnenhof
Den Borgfelder Brunnenhof gibt es seit 1825. Er wurde nach Angaben des Heimatarchivs von Friedrich Geerken, dem Sohn eines Windmüllers, auf einer alten Wurt (Upper Borg 19) erbaut. Die Hofstelle besteht aus einem reetgedeckten Fachwerkgebäude und einem massiv gemauerten, zweigeschossigen Nebengebäude. Darin betrieb die Familie Bischof von 1883 bis kurz vor dem Ende des Ersten Weltkrieges eine Wäscherei. „Die Wäsche wurde in großen Körben mit dem Pferdewagen bei der Kundschaft in Bremen abgeholt und nachdem diese gewaschen und gebleicht worden war, wieder zurück gebracht“, heißt es in einem Text des Heimatarchivs. Der Brunnenhof ist demnach auch Wohnsitz von Gemeindevorsteher Albert Bischof gewesen.
Ursprünglich gehörten zu der alten Bauernstelle einige Morgen Land. Heute ist das Grundstück rund 1200 Quadratmeter groß. Das Haupthaus mit rund 140 Quadratmetern Fläche wird als Wohnung genutzt und ist seit den 1950er-Jahren immer weiter ausgebaut worden. Erhalten blieben unter anderem die große Dielentür und ein Spruchbalken am Giebel. Seinen Namen verdankt der Borgfelder Brunnenhof dem aus dem 18. Jahrhundert stammenden Ziehbrunnen im Garten.