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Kreuzdeich in Borgfeld Schleusen auf nach 20 Jahren

Per Knopfdruck hat Bremens Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) am Montag die Schleusen am Kreuzdeich geöffnet. Im Rahmen eines Festaktes lobte sie Bremens größtes Ausgleichsprojekt als Gewinn für die Natur.
19.09.2022, 18:33 Uhr
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Schleusen auf nach 20 Jahren
Von Antje Stürmann

Borgfeld. Blubbernd, wirbelnd und schäumend strömt Wümme-Wasser auf die Wiesen hinterm Kreuzdeich. Bremens Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) hat per Knopfdruck die Schleusen geöffnet und auf diese Weise nach fast 20 Jahren eines der größten Bremer Naturausgleichsprojekte feierlich abgeschlossen.

Die Senatorin nannte ihn einen "guten Tag für den Naturschutz". Auf rund 25 Hektar sollen am Kreuzfeld in Borgfeld naturnahe Biotopkomplexe entstehen, in denen sich seltene Pflanzen- und Tierarten ansiedeln können. Die Überschwemmungslandschaft, ein sogenannter Polder, wird sich über 17 Hektar erstrecken. "Die Flächen sollen gleichzeitig der Naherholung und dem Naturerleben für Bürgerinnen und Bürger dienen", so das federführende Bremer Amt für Straßen und Verkehr (ASV). Die Überschwemmungsfläche könne von Bürgerinnen und Bürgern auf dem zusätzlich angelegten Gehweg komplett umwandert werden. Neben einem bereits vorhandenen Rastplatz auf dem Deich wurde ein Aussichtshügel inklusive zweier Bänke neu angelegt, von dort aus lasse sich das rege Treiben der rastenden Wasservögel beobachten. Das Gebiet soll künftig im Osten durch ein Waldstück abgegrenzt werden, das noch angelegt werden muss.

Mehr Lebensraum für Wasservögel

Dass die Vogelwelt schon jetzt die nassen Wiesen nutzt, bewiesen zahlreiche Gänse und Enten immer wieder mit ihrem Flügelschlagen und ausgiebigem Geschnatter. Sogar ein seltener Fischadler kreiste über dem Deich. "Und das, wo im Polder angeln und schwimmen verboten ist", ulkte ein Besucher.

Mit dem Überschwemmungsgebiet entstehe auch für Wasservögel mehr Lebensraum, sagte Senatorin Schaefer, "ich freue mich, dass dieses Projekt einen großen Beitrag zum Naturschutz leisten kann". Die rund drei Millionen Euro Bau- und Planungskosten bezeichnete sie als "gut angelegtes Geld".

Axel Theilen, im Umweltressort für Naturschutz und Landschaftspflege zuständig, erinnerte: Bereits in den 1990er-Jahren sei parallel zur Entwicklung der Borgfelder Baugebiete Ost und West die Idee aufgekommen, dass sich die Flächen nahe dem Wümme-Bogen sehr gut als Ausgleichsflächen eignen würden. Damals habe die Projektgesellschaft Borgfeld erste Grundstücke dafür erworben. "Danach hat die Arbeitsgemeinschaft Kreuzdeich überlegt, was man mit diesen Flächen am sinnvollsten anstellen könnte: vom extensiv genutzten Grünland bis zur Rückverlegung des Deichs" sei vieles im Gespräch gewesen, so Theilen. "Was wir heute hier haben, ist ein Kompromiss aus beidem." Die Feuchtflächen seien einer Flussaue nachempfunden; das vorsichtige Zu- und Ableiten von Wümmewasser durch das 31 Meter lange Stahlrohr im Deich imitiere zudem die "natürliche Dynamik" von Ebbe und Flut.

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"Borgfeld freut sich über dieses neu geschaffene Stück Land", erklärte Ortsamtsleiter Karl-Heinz Bramsiepe in seiner Ansprache. Schon jetzt werde der zwei Kilometer lange Rundweg mit den Sitzbänken gut genutzt. "Dieses Projekt hat das Ortsamt und den Beirat sehr viele Jahre beschäftigt." Dabei habe es im Ort auch kritische Stimmen gegeben. "Manch einer fragte sich, warum man dieses Gebiet so umkrempeln muss, um Natur zu schaffen." Letztendlich habe sich der Aufwand aber gelohnt, so Bramsiepe.

Viele Experten beteiligt

Viel Zeit gekostet hat bei der Umsetzung vor allem der Erwerb der Grundstücke durch die städtische Anstalt Immobilien Bremen. Erst vor zwei Jahren hatte der Senat die Finanzierung abgesegnet, 2021 konnte die städtische Gesellschaft Hanseatische Naturentwicklung (Haneg) mit den Arbeiten beginnen, erklärte Simone Hegner vom ASV. Sie sprach von einem vielschichtigen Projekt, an dem vom Deichverband über Behörden, Landschaftsarchitekten, Politiker, Planungsbüros und Technikexperten viele Beteiligte mitgearbeitet haben.

Deichhauptmann Michael Schirmer, der die Entwicklung des Überschwemmungsgebietes von Anfang an mitbegleitet hat, lobte das Projekt. "Wir kommen endlich unserer gesetzlichen Verpflichtung nach: mit 20 Jahren Verzögerung, es wird Zeit." In den kommenden Jahren könnten sich an den Ufern und im Flachwasser der Polderfläche eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt entwickeln. Darauf freut sich auch die Borgfelderin Marlies Weitler, die den Festakt vom Deich aus verfolgte. "Die Wasserflächen ziehen viele verschiedene Arten an", das mache es noch spannender, Vögel zu beobachten, so Weitler.

Fünf Hektar Wald geplant

Bleibt noch eine letzte Aktion. Laut Simone Hegner sollen im östlichen Bereich noch in diesem Jahr 9100 Gehölze gepflanzt werden; am Graben sind weitere 700 geplant. Ein Ausgleich für "verlorene Waldflächen", erklärt Axel Theilen. Der geplante fünf Hektar große Wald mache das Gebiet für Erholungssuchende noch abwechslungsreicher. Hegner geht davon aus, dass in drei Jahren dann wirklich alle Arbeiten abgeschlossen sind.

Zur Sache

Das Projekt

Mit der Renaturierungsfläche am Kreuzdeich wird die großflächige Versiegelung beim Bau der Wohngebiete Borgfeld-Ost und Borgfeld-West ausgeglichen, einem Teilstück der Autobahn 281, beim Ersatzbau der Wümmebrücke, bei der Anbindung der Ortsentlastungsstraße Lilienthal sowie die Versiegelung von Grünflächen beim Bau der Straßenbahnlinien 4 von Borgfeld bis zum Falkenberger Kreuz. Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen sind gesetzlich vorgeschrieben.

Damit ausreichend Wasser in den Polder mit Flach- und Tiefengewässer eingeleitet werden kann, wurde der Borgfelder Deich für den Einbau eines Einlassbauwerkes zur Wümme geöffnet und im Anschluss in einen hochwassersicheren Zustand zurückgeführt. Konkret bedeutet dies, dass die Hanseatische Naturentwicklung GmbH (Haneg) für das Amt für Straßen und Verkehr (ASV) die Arbeitsgemeinschaft (Arge) Kreuzdeich unter anderem damit beauftragt hat, ein 31 Meter langes Stahlrohr in den Deich zu verlegen, durch das Wümmewasser eingeleitet wird.

Die Einleitung wird künftig automatisch gesteuert. So ist gewährleistet, dass die vorgesehene Stauhöhe eingehalten wird, heißt es beim ASV. Mit Gesamtkosten von rund drei Millionen Euro liege das Projekt im Kostenrahmen der 2020 von der Deputation genehmigten Mittel.

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