Mit Schiffen und Wassersport hatte der in Lüchow-Dannenberg aufgewachsene Raban Heimann so gar nichts zu tun. Dennoch kam er 2017 nach Bremen, fürs Studium, Schiffbau und Meerestechnik. Schnell fand er heraus, dass die Theorie auch gar nicht sein Ding war. Gleich im ersten Semester recherchierte er "rein interessehalber" mal, "was es so für Bootswerften in der Umgebung gibt". Die Winkler Werft in Lesum sagte ihm sofort zu, er fragte nach einem Praktikumsplatz. Es klappte und er "wusste sofort, das ist mein Ding". Er ließ Studium sein, bekam 2018 den Ausbildungsplatz und wurde in diesem Februar ausgezeichnet – als Deutschlands bester Nachwuchs-Bootsbauer beziehungsweise Bundessieger im Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks.
Vielfältige Gewerke auf der Werft
"Gar nicht so ungewöhnlich" ist für Bootswerft-Chef Hans Stützle, dass aus Praktikanten Auszubildende werden. Über Nachwuchssorgen beziehungsweise Facharbeitermangel kann sich die Winkler-Werft nicht beklagen. 35 feste Mitarbeiter – neben Bootsbauern gehören auch andere Gewerke wie beispielsweise Schlosser, Maler, Tischler dazu. Die Vielfalt zeichnet die Winkler-Werft aus. Für Raban Heimann ein Glücksfall, "ich habe hier so viel gelernt", gesteht der 25-Jährige. Die für das Angebot eher kleine Werft habe dem Auszubildenden viel ermöglicht. "Wir machen alles und können alles. Das heißt, aus eigener Leistung bauen wir mit jedem Material ein Boot."
Respekt vor dem Handwerk
Raban Heimann hat von dieser Vielseitigkeit profitiert, "theoretisch wird das jedem Auszubildenden beigebracht, doch nicht jeder hat die Möglichkeit, alles praktisch zu erleben. Im Bootsbau lernt man zudem Verständnis für Formen, die nicht rechtwinkelig sind, und wie man diese Formen aus verschiedenen Materialien zusammenführen kann". Metall, Kunststoff, Holz, Farbe, Technik und Takelage, traditionelle und moderne Boote, sogar Schiffstransport, "ein ganz wichtiges Element", Raban Heimann hat alles von der Pike auf gelernt. Auch den generellen Umgang mit den Booten, "Überziehschuhe sind ein wichtiger Aspekt", sagt Raban Heimann und lacht, zollt damit aber gleichzeitig der handwerklichen Arbeit den nötigen Respekt. "Ein Boot muss am Ende nicht nur gut aussehen, es muss auch handwerklich sehr gut ausgeführt sein." Auch für Hans Stützle eine wichtige Aussage: "Bootsbau ist so enorm teuer für Kundinnen und Kunden, dass man nicht genug Sorgfalt aufbringen kann."
Dreieinhalbjahre Ausbildung
Raban Heimann hatte diese Möglichkeit, während seiner gesamten dreieinhalbjährigen Ausbildungszeit. Er hatte die Chance, an mehreren größeren Projekten mitzuarbeiten, darunter auch die Reparatur einer eleganten, knapp 20 Meter langen Segeljacht von 1928. Das breite Spektrum der Winkler Werft, von der traditionellen Holzkonstruktion an Booten und Jachten bis hin zum Faserverbund-Werkstoff, vom klassischen Bootsbau über die Motorentechnik bis hin zur Takelage, begeistert ihn genauso wie der Umgang der Kolleginnen und Kollegen untereinander. "Ich habe gelernt, dass für mich der soziale Aspekt während der Arbeit genauso wichtig ist, wie die Möglichkeit, mit verschiedensten Materialien etwas so schönes wie ein Boot herzustellen", gesteht Raben Heimann, dass er keine Sekunde bereut habe, in die praktische Welt des Bootsbaus einzutreten.
Hilfe beim Bootsbau eines Kollegen
Das machte der Auszubildende sogar nach Feierabend, "einen Monat nachdem ich hier angefangen bin, bis zum Dezember 2019". Da half er einem Kollegen, der auf der Werft sein eigenes Boot abstellen durfte und es ausbaute. "Dabei habe ich ebenfalls viel gelernt", schwärmt Raban Heimann. "Es ist ein Privileg, von so viel Wissen zu profitieren." Ein Glücksfall auch für Hans Stützle: "Wir sind sehr stolz auf Raban", erzählt der Werft-Chef davon, noch nie einen Bundessieger im Deutschen Handwerk ausgebildet zu haben. Relativiert allerdings gleich: "Bei uns sind viele gute Handwerker beschäftigt." Es gebe sogar aus anderen Fachrichtungen ausgebildete Handwerker, die auf der Winkler Werft ein Praktikum mit anschließender Umschulung in Betracht ziehen würden.
Menschlich muss es stimmen
Für sie alle gelten laut Hans Stützle die gleichen Auswahlkriterien: "Menschlich muss es stimmen, der Mitarbeiter muss sich einordnen und einfügen können, ohne schüchtern zu sein, und selbstständiges Arbeiten ist sehr von Vorteil." In Raban Heimann hat Hans Stützle diese Wunschfähigkeiten gleich zu Beginn gesehen. "Es waren richtig warme Tage, als Raban sein Praktikum bei uns begann. Gleich am ersten Tag habe ich mit ihm gearbeitet – wir haben Holzstämme umgeschichtet." Der damalige Praktikant habe die "schweren Bohlen" getragen, durchgesehen, katalogisiert, und Hans Stützle habe gewusst, "das passt".
Seine Leidenschaft: ein Folkeboot
Für Raban Heimann passt es immer noch, er fühlt sich sehr verbunden mit der Werft, aber auch mit Bremen, "derzeit passt es perfekt zu dem, was ich jetzt habe": Freizeitausgleich – auf der Winkler Werft dürfen die Mitarbeiter auch das Segelboot des Chefs nutzen –, Freundeskreis, soziales Umfeld. Auf eine andere Werft wechseln? "Kommt für mich nicht in Frage." Und die mittelfristigen Pläne: Die Instandsetzung seines eigenen Segelbootes – ein altes nordisches "Folkeboot", seetüchtig und aus Holz für zwei bis vier Personen, das Raban Heimann auf der Winkler Werft unterstellen und woran er auch in seiner Freizeit arbeiten darf. Gut zwei Jahre Zeit gibt er sich dafür. Und dann? "Richtig segeln lernen, die Welt vom Wasser aus kennenlernen – gern auch länger – und dann zurückkommen."