Dieses ‚Weißt du noch?‘ sei es, was sein Programm ausmacht, sagt Dirk Böhling. Genau dieses Gefühl des gemeinsamen Erinnerns sei es, was sein Publikum für einen Abend an ihre Sitze fesselt; ihnen Lacher, wehmütige Schmunzler und wissendes Kopfnicken entlockt. Aus einer Gruppe fremder Menschen im Publikum wird gemeinsam mit Dirk Böhling und seiner musikalischen Begleitung Martin Olding eine Gemeinschaft: Eine Gruppe ehemaliger Kinder, die ihre eigene Jugend in der Gegenwart kaum wiedererkennen und den Schritt in die Vergangenheit wagen, um mit viel Humor über eine Zeit zu sprechen, die es so nie wieder geben wird, aber die sie über Jahre hinweg in ihren Herzen getragen haben.
So konnten Böhling und Olding auch den Bremer Norden am vergangenen Freitag im Lichthof Kunstfabrik von ihrem Programm „Tri Top, Disco, Bandsalat – Babyboomer-Geschichten für die Kinder der 70er- und 80er-Jahre“ überzeugen. Mit Lesungen aus Böhlings Buch, begleitet von musikalischen Stücken aus der Zeit, die Olding auf der Gitarre spielte und mit Gesang unterstütze, öffneten sie dem Publikum die Tür zu einer Reise in die gemeinsame Vergangenheit. Die ehemalige Fabrik bot einen Raum für Nostalgie, den das Publikum und die Künstler nur gerne mit Leben füllten. „Das war damals eine überschaubare Zeit mit nur drei Fernsehprogrammen“, sagt Böhling im Gespräch, bevor es für ihn auf die Bühne geht.
Die Babyboomer-Generation – und damit auch seine Zielgruppe – sei laut Musiker Martin Olding eine Generation gewesen, die damals nicht immer im Mittelpunkt gestanden habe. Die Aufmerksamkeit, die sie an den Abenden der Lesung bekommen, tue ihnen gut. „Wir haben die Leute nach kürzester Zeit bei uns. Ich mache manchmal Pausen und sie füllen diese“, erzählt Böhling über seine Erfahrungen mit dem Programm. Die musikalische Lesung setzt auf ein Miteinander zwischen dem Lesenden, dem Musiker und dem Publikum. Immerhin kennen sich mit dem Thema alle aus – die gemeinsam erlebte Kindheit mit den gleichen TV-Werbejingles, Fernsehprogrammen, Teenie-Magazinen und Freiluftabenteuern im Grünen verbinden. Auf Passagen aus seinem Buch bekommt Böhling begeisterte Antworten aus dem Publikum. Wenn Olding „Crocodile Rock“ oder „Hotel California“ spielt, müssen sich die Gäste nicht lange bitten lassen, bevor sie mitsingen.
Welt war überschaubarer
„Die Leute sagen immer, die Zeit wäre besser gewesen. Das stimmt nicht“, sagt Böhling. Er deutet auf sein Handy: „Heute hauen sie uns Nachrichten um die Ohren, die man nicht hören möchte.“ Mit den drei damaligen Fernsehprogrammen sei die Welt überschaubarer gewesen. Eine Nachrichtenflut wie heute habe es damals nicht gegeben. Das TV-Programm gehörte am Sonnabend zur Routine wie das Bad und die Stulle zum Abendbrot. Was am Wochenende passierte, sorgte am Montag auf dem Schulhof für spannenden Gesprächsstoff. Erinnerungen an die Hitparade zeichneten Szenarien, die dem Publikum nur gut bekannt sind. Auch am Schlager ging die Zeitreise am Freitagabend nicht vorbei. Gemeinsam wurde gesungen und überlegt, wie die Lieder wohl heutzutage klingen würden. Mit „Gute Nacht, John-Boy“ und Paulchen Panthers „Wer hat an der Uhr gedreht?“, verabschieden sich Böhling und Olding letztendlich vom Publikum, das glücklich über die Erinnerungen zurück ins Hier und Jetzt kehrt.
„Es war richtig schön. Natürlich waren die Erinnerungen das Schönste. Man erkennt sich wieder. Das waren sehr sympathische Leute auf der Bühne, die lesen und singen“, lobt Elisabeth Dierker das Programm. „Ich wurde an meine Kindheit und Jugend erinnert. Das hat den Nagel auf den Kopf getroffen“, sagt auch Dany Glade, die mit einem Jugendfreund von damals zu Besuch war. Beide erkennen sich in den Worten von Dirk Böhling wieder. „Es macht ein bisschen wehmütig auf eine andere Zeit. Man ist halt so aufgewachsen und man weiß, dass Kinder jetzt anders aufwachsen“, ergänzt sie. „Die Musik und die Reise in meine Jugend waren wunderbar. Es war schön, dem wieder zu begegnen, was unsere Kinder nicht mehr haben“, sagt auch Marianne Wojciechowski. „Ich habe eineinhalb Stunden gut gelacht.“