Lesum. Sitz- statt Stehplätze mit guter Sicht für alle, feste Open-Air Bühnen statt Walking Acts an unterschiedlichen Standorten sowie ein hygienetaugliches Corona- Konzept. Unter dem Motto „Alles anders“ gastierte La Strada in diesem Jahr statt wie sonst im Viertel erstmals in Knoops Park. Bei den ausverkauften fünf Vorstellungen der Corona-Edition blieb es überwiegend trocken, ein Regenschauer während der Nachmittagsvorstellung am Sonnabend sorgte für eine ungewollte Unterbrechung. Kurz nachdem die Gebrüder Pastek mit ihrem amüsanten Boxkampf-Slapstick begonnen hatten, goss es so stark, dass etliche Besucher Zuflucht unter den Bäumen suchen mussten. „Schirme runter!“, hörte man aufgebrachte Besucher skandieren, denen die Sicht versperrt wurde.
Schon am Einlass mussten sich die Besucher einer nicht zwingend ernst gemeinten Zollinspektion von „Checkpoint Henry“ unterziehen. „Sind Sie immer lieb, superlieb oder nur am Wochenende ab 20 Uhr?“ fragte der Belgier Hendrik das um Einlass bittende Publikum, teilte die Zuschauer in Gruppen ein und wirkte dabei wie ein schnurrender Charlie Chaplin in Fantasieuniform. Schließlich sei es notwendig, dass zu einem Festival wie diesem nur „ganz liebe Leute“ zugelassen würden. Wer den skurrilen Checkpoint über sich hatte ergehen lassen, musste vor dem Platznehmen noch die Kapriolen von „This Maag“ aus Holland und „El Goma“ aus Argentinien über sich ergehen lassen. Während des Einlassprogramms nahmen die beiden Spaßvögel unerbittlich jeden aufs Korn, der auf das Festivalgelände strömte und nach einem Platz auf einem der Plastikstühle Ausschau hielt.
Pantomimischer Meuchelmord
Bellend und auf allen Vieren näherten sie sich einem Hund, sorgten mit Plastikpfeilen an Greifarmen für Verwirrung oder verwickelten ahnungslose Besucher in absurde Dialoge. Wer dem quirligen Duo den Rücken zuwandte, hatte schnell den diabolisch grimassierenden "El Goma“ hinter sich, der zu den Klängen der Duschszene von Hitchcocks "Psycho" mit einem pantomimischen Messer einen Meuchelmord vortäuschte. In einer anderen Nummer arbeitete sich das Duo scheinbar ausweglos daran ab, sich wechselseitig einen Tischtennisball in den Mund zu werfen. Dass die Darbietung dabei ständig schiefzugehen schien, sorgte mit Gelächter.
"Galli Royal gegen Boa Cracking Pastek“ lautete dann das Boxduell der Gruppe "Cie. Charlie" aus Belgien. Bewusst daneben zielende Aufwärtshaken mit eingespielten Geräuschen, Pirouetten mit dem Sitzhocker und pantomimische Wrestlingduelle sorgten dafür, dass sich der Zuschauer wie in einer live gespielten Szene aus einem Bud Spencer-Film fühlte. Das belgische Trio sorgte mit exaktem Timing, osteuropäisch anmutendem Kauderwelsch und viel Selbstironie für eine unterhaltsame halbe Stunde. Wenn "Galli Royal" die Ringseile kurzerhand zur Hängematte umfunktionierte oder mit seinem Bruder einen intimen "Kampfwalzer" tanzte, löste er Begeisterungsstürme beim Publikum aus. Bei so viel Applaus ließ sich das Trio nicht lumpen und warf Bananen in die Besuchermenge.
Ein wenig zäh hingegen nahm sich die Nummer des niederländischen Projekts „Slaagman Productie“ aus. Im Schlafanzug und barfuß erzählte Jaag Slagman mit starkem holländischen Akzent die etwas wirre Geschichte einer Maus, die sich im Wald verirrt. Schnell werden die rauschenden Äste und sich wogenden Baumkronen für ein grausiges Monster gehalten. Die Adaption einer Parabel von Heiner Müller wurde verbal und pantomimisch umgesetzt. Fleur Dikken begleitete die Erlebnisse des poetischen Nagetiers eindrucksvoll am Cello. Auch bei Franz Fendt sorgte nicht jede Pointe- so es denn eine gab – für Lachsalven. In der Rolle des Kulturforschers Adrian Fritz präsentierte der Bremer allerlei Fundstücke aus seinem Archiv. Ob seine Anekdoten um Legenden wie Elvis Presley und Albert Einstein sich tatsächlich so zugetragen hatten – das blieb der Fantasie der Zuschauer überlassen. Zu den skurrilen Fundstücken des selbst ernannten Kulturforschers gehörten ein Dachrinnenreiniger, ein Holzfächer mit darauf verewigten Grüßen, ein angeblicher Liebesbrief von Elvis aus seiner Zeit als Soldat im hessischen Friedberg sowie ein ganzes Arsenal unterschiedlichster Masken. Gesangseinlagen und eine Pantomime um eine hartnäckige Fliege lockerten die Präsentation des Kuriositätenkabinetts ein wenig auf.
Mit Plastikstühlen waren die Zuschauer zu den Auftritten von Franz Fendt und Slaagman Productie in mit Flaggen gekennzeichnete Ecken des Parks gewandert. Zum Finale mit dem belgisch-französischen Act „Modo Grosso“ ging es zurück zur Hauptbühne. Während Déborah Colucci ihre Künste an der Harfe unter Beweis stellte, zeigte ihr Partner Alexis Rouvre synchron zur Musik seine artistischen Fähigkeiten. Als Balljongleur und Seilkünstler verbog sich der Belgier nach Kräften. Zuvor hatte er unter dem Gelächter des Publikums versucht, seiner musikalischen Begleiterin den Schemel unter der Harfe wegzuziehen. Um die Pressemitteilung von Modo Grosso zu zitieren: „Gemeinsam erschaffen die beiden einen Raum, in dem Harmonien und Dissonanzen entstehen und miteinander verschmelzen.“.