Frau Feindt, Sie sind gerade zu Besuch in Ihrer früheren Heimat in Lesum gewesen und reisen nun erneut nach Harare. Die Hauptstadt Simbabwes gilt als Hochrisikogebiet. Haben Sie keine Angst, sich anzustecken?
Regina Feindt: Die Infektionslage in Deutschland ist schlimmer als in Simbabwe. Die Zahlen in Simbabwe sind bereits im Dezember wieder gefallen. Als ich nach Deutschland geflogen bin, dachte ich noch, dass ich auf den Weihnachtsmarkt gehen kann, das hatte sich dann mit Omikron erledigt. Die Todeszahlen in Simbabwe sind aber noch relativ hoch, was darauf zurückzuführen ist, dass relativ wenige Menschen geimpft sind.
Wie hoch ist die Impfquote?
Circa 20 Prozent der Bevölkerung in Simbabwe haben zumindest eine Impfung bekommen. Das ist für den afrikanischen Durchschnitt zwar vergleichsweise hoch, aber immer noch viel zu niedrig. Wobei man davon ausgeht, dass schon relativ viele Menschen den Infekt gehabt haben.
Wer sich die Seite des Auswärtigen Amtes anschaut, sieht, dass die Kriminalität in Simbabwe gestiegen ist. Vor allem in den Innenstädten von Harare und Bulawayo werden verstärkt Taschendiebstähle und Überfälle verzeichnet. Wie bewerten Sie das?
Die erhöhte Kriminalitätsrate hat etwas mit der Verarmung zu tun, die im Zuge von Corona verstärkt zu beobachten ist. Die Wirtschaft ist nach wie vor angespannt. Es gibt eine Hyperinflation mit Inflationsraten um die 200 Prozent pro Jahr. Die Preissteigerungen für Nahrungsmittel sind sehr hoch. Für das Gros der Bevölkerung, das sind vor allem Tagelöhner, sind diese Preisstürze schwer zu verkraften. Zumal, wenn es zwischendurch einen Lockdown gibt. Wir haben offiziell immer noch einen Lockdown, allerdings sind die Ausgangsbeschränkungen nicht mehr so streng wie bei früheren Wellen. Kriminalität ist für einige die letzte Option. Während auf dem Land die Hungersnot kleiner geworden ist, weil die Ernte im letzten Jahr gut ausfiel, ist die Verarmung in der Stadt besorgniserregend.
Wie gehen Sie mit der angespannten Sicherheitslage um?
An einigen Straßenkreuzungen und an Ampeln besteht nachts ein erhöhtes Überfallrisiko. Ich meide deshalb bestimmte Wege, die Hotspots sind. Unser Büro Harare ist sehr gut gesichert, und ich habe in meinem Haus auch einen Nachtwächter. Ich bewahre in meinem Haus auch keine Wertgegenstände auf.
Was wird Ihre Aufgabe in den nächsten Monaten sein?
Ich arbeite noch einige Tage im Homeoffice, bevor mein Rückflug geht. Gerade heute Morgen habe ich erfahren, dass es Überschwemmungen in Gweru, das ist eine Stadt im Zentrum des Landes, gegeben hat. Ganze Häuser sind überspült worden. Unser Team ist schon vor Ort. In solchen Notsituationen verteilen wir Trinkwasser und Wasseraufbereitungstabletten. Daneben Seife, Zahnbürsten, Eimer. Denn häufig sind nach Überschwemmungen Hygieneprobleme die Folge. Dann drohen Cholera und Typhus. Deshalb bieten wir auch Hygienetrainings an. Es geht in dieser Situation natürlich auch darum, Nahrungsmittel bereitzustellen.
Gibt es aktuell in Simbabwe ein Herzensprojekt für Sie?
Mir liegen alle Projekte am Herzen. Bei zwei Projekten habe ich besonders große Hoffnung, dass wir eine Anschlussfinanzierung der Bundesregierung oder der EU bekommen. So haben wir in Gokwe angefangen, unter anderem eine Mango-Trocknungsanlage aufzubauen, um in die Direktvermarkung zu gehen und die Zwischenhändler auszuschalten. Die Bauern bekommen faire Preise für die getrockneten Mangos, die in Simbabwe verkauft werden. Die Gewinnmarge ist hoch. Das erfreut die Bauern, die die Mangos früher zum Teil wegschmeißen mussten, weil sie alle zur gleichen Zeit reif sind und Teile der Ernte dann oft vergammeln.
Und das andere Projekt?
Da arbeiten wir mit den Bauern unter anderem an veränderten Haltungsbedingungen für Tiere. Gutes Futter ist bisher ein Kostenfaktor. Wir haben den Bauern gezeigt, dass es günstiger für sie ist, Schoten eines bestimmten Baums zu trocknen. Diese Früchte sind sehr proteinreich und gut für die Rinder. Das Projekt hat inzwischen einen positiven Nebeneffekt: Die Bauern fangen an, Baumschulen zu errichten um die Bäume zu vermehren.
Dies ist Ihr letztes Jahr als Landesdirektorin der Welthungerhilfe in Harare. Was ist es für ein Gefühl, das südliche Afrika bald zu verlassen?
Dieser Cut wird nicht leicht für mich sein. In einer so langen Zeit fängt man, sich soziale Netzwerke aufzubauen. Ich habe meinen Alltag und Freunde in Simbabwe. Die Kollegen im Büro der Welthungerhilfe in Harare sind mir ans Herz gewachsen. Für einige war es ein Schock, als ich gesagt habe, dass es mein letztes Jahr sein wird. Aber der ständige Wechsel ist Teil des Berufs und ich freue mich natürlich auch auf neue Herausforderungen.
Sie haben bereits in Afghanistan, Myanmar und nicht zuletzt in Nepal gearbeitet. Wie wird es nun für Sie weitergehen?
Wie es weiter geht, ist noch nicht ganz klar. Wir haben bei der Welthungerhilfe die Regelung, dass wir nicht länger als fünf bis sechs Jahre in einem Land bleiben. Für die Rolle eines Landesdirektors braucht es Distanz, um einzuschätzen zu können, welche Projekte sinnvoll für die verschiedenen Interessengruppen sind.
Die innenpolitische Lage ist derzeit angespannt…
2023 wird es Wahlen geben. Schon jetzt findet Wahlkampf statt, und die Regierungspartei schafft es, die Opposition kleinzuhalten. Das ist etwas, das wir seit Monaten beobachten. Die Ausgangsbeschränkungen haben auch zur Folge, dass sich die zivilgesellschaftliche Gruppen abends nicht mehr treffen können. Die Pressefreiheit ist sehr eingeschränkt. Es gibt noch freie Medien, aber der Druck ist hoch, wenn sie sich kritisch äußern. Wir als Welthungerhilfe sind nicht so betroffen, weil unsere Themen nicht so sensibel sind. Aber dass Menschenrechtsorganisationen eine Warnung von Regierungsseite erhalten, ist nichts Neues. Das gab es unter Mugabe, und das ist stärker geworden.
Das Interview führte Patrica Brandt.