Modeboutiquen, Elektroartikel, Buchhandlung, Spielzeugladen und sogar Fachgeschäfte für Wein, Tee, Käse und Pralinen: Was die Vielfalt des Einzelhandels anbelangt, hat es Findorff im Vergleich zu vielen anderen Stadtteilen noch richtig gut. Doch es gibt auch Anlass zur Besorgnis. Das sind zum Beispiel die Ladengeschäfte in bester Lage, die seit Monaten leer stehen, oder fragwürdige Nachfolger finden.
Im Findorffer Wirtschaftsausschuss hat man sich darüber Gedanken gemacht, ob und wie man den Einzelhandel im Stadtteil in eine Richtung steuern könnte, die den gefürchteten „Trading Down“-Effekt verhindert – die qualitative Abwärtsspirale, die sich auch negativ auf die Wohn- und Lebensqualität im Stadtteil auswirken könnte. Eine mögliche Lösung wäre eine Kooperation mit den Eigentümern der entsprechenden Immobilien. Doch unter den Geschäftsleuten mag man nicht so recht daran glauben.
Die „großartige und vielfältige Einzelhandelslandschaft“ im Stadtteil bewahren
Den Vorschlag, ein „Eigentümernetzwerk“ als gemeinsames Austauschforum von Stadtteilpolitik, Geschäftsleuten, Besitzern der Ladengeschäfte und Gewerbeimmobilien ins Leben zu rufen, erläuterte Ausschussmitglied Nina Braun, sachkundige Bürgerin der Grünen-Fraktion. Ziel sei es, die „großartige und vielfältige Einzelhandelslandschaft“ im Stadtteil zu bewahren und zu steigern. Sie stellte sich eine „Entwicklungsvision von politischer Seite“ vor, um Branchen in den Stadtteil zu locken, die diese Vielfalt ergänzen und stärken.
Theoretisch ein gutes Ziel, fand natürlich auch ihre Ausschusskollegin Marcella Dammrat-Tiefensee (SPD). Die Unternehmerin, die seit mehr als 20 Jahren ein Geschäft im Stadtteil führt und auch als Vorsitzende des Vereins der Findorffer Geschäftsleute fungiert, zweifelte indes an der praktischen Umsetzbarkeit. Ihrer eigenen Erfahrung nach bekomme man es häufig mit Eigentümern zu tun, die weit weg von Bremen wohnen, ihre Immobilien von ansässigen Verwaltern betreuen lassen, und deren Interesse am Stadtteil nicht übermäßig ausgeprägt sei. Sie seien vorrangig daran interessiert, ihr Objekt zu vermieten – an wen auch immer. Oder mitunter noch nicht einmal das, wie das Beispiel des ehemaligen Schoko-Ladens an der Hemmstraße zeige, an dem es ihres Wissens durchaus Interesse gebe. „Wir können uns viel wünschen und vorstellen“, so Dammrat-Tiefensee. Von Seiten des Geschäftsleute-Vereins habe man schon öfter erlebt, dass die Einflussmöglichkeiten gering seien.
Mietendeckel könnte Abhilfe leisten
Warum ein Ladengeschäft in bester Lage einfach nicht vermietet werde, fragte sich auch Christian Gloede (Linke). Seine Vermutung: Die Miethöhe schrecke potenzielle Interessenten ab. Abhilfe könne ein politisch beschlossener „Mietendeckel“ leisten, wie er Anfang 2020 in der Bundeshauptstadt Berlin für Wohnraumvermietungen in Kraft trat.
Tatsächlich sei die Sorge um den Stadtteil durchaus begründet, so Dammrat-Tiefensee. Erste Signale für eine negative Entwicklung seien bereits an diversen Stellen zu beobachten. Sie plädiere dafür, „zu reagieren, bevor die Dinge aus dem Ruder laufen.“ Im März dieses Jahres hat sich der Verein der Findorffer Geschäftsleute um den Marketing-Profi Oliver Nullmeyer verstärkt, der sich als Stadtteilmanager hauptamtlich um die Belange des Vereins kümmern, die Kommunikation nach Innen und Außen verbessern, die Digitalisierung vorantreiben und Netzwerke innerhalb und außerhalb des Stadtteils knüpfen soll.
Vom Engagement des Vereins würden aber nicht nur die Mitglieder selbst, sondern indirekt auch die Geschäfte „links und rechts davon“ profitieren, erklärte Nullmeyer. Im Ausschuss wurde die neu geschaffene Stelle, die aus Mitteln der Wirtschaftssenatorin und aus dem Vereinsbudget finanziert wird, begrüßt. Eine gesunde Einzelhandelslandschaft, so CDU-Mitglied Oliver Otwiaska, sei die beste Voraussetzung, gute neue Unternehmen für den Stadtteil zu interessieren.