Ein Hund, der hilflos und panisch im Wasser schwimmt und nicht an Land kommt, eine Katze, die völlig verdreckt in einem Mülleimer entdeckt wird: Wer viel im Netz unterwegs ist, kennt Videos wie diese. Tiere, gefilmt in größter Not, werden von hilfsbereiten Menschen aus ihrer misslichen Lage befreit, und die Netzgemeinde schüttet ihr Herz aus.
Dass offenbar viele der Kurzfilme nur gestellt sind, die Tiere absichtlich in die prekäre Lage gebracht wurden, wissen laut Tierschutzorganisationen wie Vier Pfoten oder der Welttierschutzgesellschaft hingegen nur wenige Menschen. Für die Ersteller der Videos sind diese laut einem Agenturbericht meist ein lukratives Geschäft. Es geht um Reichweite und attraktive Werbeerlöse im Umfeld der oft millionenfach geteilten Videos. Eine Masche, die auch Gaby Schwab vom Bremer Tierschutzverein kennt – und die ihr Sorgen macht.
Wie groß ist das Problem mit den Fake-Videos?
Gaby Schwab: Es ist auf jeden Fall viel mehr geworden. Auf allen Plattformen gibt es die Möglichkeit, dass man solche Videos meldet. Und da kann ich nur an jeden appellieren, das auch zu tun. Nicht kommentieren, auch nicht negativ, das bringt Reichweite. Das ist einfach massive Tierquälerei.
Warum erkennen viele Menschen die gestellten Szenen nicht als solche?
Ich denke, es ist oft so: Man hat sein Handy in der Hand, gerade vielleicht eine Pause und scrollt einfach da durch. Dann sieht man ein Tier in Not, was gerettet wird. Viele finden das erst mal toll, ohne sich Gedanken zu machen, ob das echt ist. Ich glaube, die Welt ist einfach zu schnelllebig. Es gibt nicht drei solcher Fälle, sondern 20. Dabei ist die Echtheit der Videos oft leicht zu überprüfen. Man muss nur mal überlegen: Da kommt jemand und rettet ein Tier in Not. Wer kommt denn auf die Idee, das dann zu filmen? Es ist immer zufällig jemand mit der Kamera da, der den Helfer filmt, aber selbst nicht anpackt. Das ist doch absolut unrealistisch. Da werden auch Katzen in Mülltonnen geworfen und dann kommt jemand mit dem Roller und rettet die. Ganz zufällig!
Was machen solche Situationen mit den Tieren?
Das ist Tierquälerei hoch drei. Die sind oft völlig apathisch, vielleicht sogar betäubt worden. Sie werden in die Hitze gelegt, in den Schlamm, ins Wasser, haben Panik. Es ist wirklich dramatisch.
Setzen Sie als Tierschutzverein nicht auch auf die Kraft der Bilder, um Spenden zu generieren oder Tiere zu vermitteln?
Ja, selbstverständlich. Das ist für Organisationen wie unsere extrem wichtig, weil man so wahnsinnig viele Leute erreicht. Wir machen aber nicht diese dramatischen Rettungsaktionen, bei uns ist es kein Fake. Und deswegen kann man das auch veröffentlichen.
Das heißt, Sie drappieren auch keine Tiere, damit sie besonders süß aussehen?
Nein. Bei uns sind das Tiere, die gerettet wurden und oftmals traumatisiert sind. Die kann man nicht einfach positionieren und sagen: Jetzt guck mal besonders traurig. Man macht 40 bis 50 Fotos und ist froh, wenn man zwei bis drei davon veröffentlichen kann.