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Findorffer Geschichte Schaufenster in die Vergangenheit: Schild erinnert an Leihbücherei

Als der Friseursalon aus dem kleinen Ladengeschäft an der Hemmstraße auszog und das Firmenschild abgebaut wurde, offenbarte sich ein Stück Findorffer Vergangenheit.
03.03.2025, 05:48 Uhr
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Von Anke Velten

Findorff-Bürgerweide. Das Straßenbild verändert sich permanent, Geschäfte kommen und gehen, und wie schnell gerät in Vergessenheit, was vorher einmal war. Vor einem kleinen Findorffer Ladengeschäft, das neu vermietet werden soll, eröffnet sich zurzeit ein temporärer Blick in die Vergangenheit: Der Abbau des Firmenschilds der Vormieter brachte eine viel ältere Schicht ans Licht. Die Räume an der Hemmstraße 182/184 waren vor einigen Monaten frei geworden, weil der Friseursalon Haarstation ein paar Häuser weitergezogen war. Um sich noch an die „Leihbücherei K. Arend“ erinnern zu können, benötigt man indes ein Gedächtnis, das Jahrzehnte zurückreicht.

„Burda-Schnitten“ und Bürobedarf

Darauf weist nicht nur der nostalgisch geschwungene Schriftzug hin, sondern auch ein Sortimentsbereich, der für viele junge Leute von heute erklärungsbedürftig sein könnte: Neben Zeitschriften, Bürobedarf, Papier- und Schreibwaren konnte man sich hier einst mit „Burda-Schnitten“ versorgen. Geschickte, aber sparsame Hobbyschneiderinnen leisteten sich mit dieser praktischen Unterstützung die neuesten Modelle aus den Modemetropolen. Die Offenburger Verlegergattin Aenne Burda wurde mit dieser Idee zu einer der erfolgreichsten Unternehmerinnen der Nachkriegszeit. Der Modeverlag existiert noch heute, die Schnittmuster lassen sich inzwischen downloaden. Doch die Blütezeit begann Anfang der 1960er-Jahre, als „Burda Moden“ zur weltweit auflagenstärksten Modezeitschrift wurde.

Ab 1930er-Jahre im Adressbuch

Doch zurück nach Findorff, denn etwa aus dieser Zeit dürfte auch das historische Firmenschild stammen. Wenn das eigene Erinnerungsvermögen nicht so weit zurückreicht, hilft vielleicht ein Blick in die Literatur und die Archive. Der Findorffer Lokalhistoriker und Autor Hans Peter-Mester attestierte der Hemmstraße dieser Zeit in seinem Band „Findorff. Die Jahre nach dem Krieg“ einen „noch fast dörflichen Zustand.“ Ein Foto, aufgenommen Ende der 1950er-Jahre, zeigt eine Straße mit Großpflaster, doppeltem Bordstein, und vor allem viel Platz: im Hintergrund ein einsames parkendes Auto. Vor dem Krieg war die Straße noch nicht lückenlos bebaut. Das Haus an der Hemmstraße 182/184 erscheint ab Anfang der 1930er-Jahre im Bremer Adressbuch. Dort befand sich bereits in den 1940er-Jahren die Leihbücherei von Waldemar Hustädt. Sie wurde ab den 1950er-Jahren von Paul Daams weitergeführt, der wiederum die Geschäftsführung an seinen Schwiegersohn Johann Arend weitergab. Das „K“ im Firmenschild und vermutlich auch das Faible für Mode stammen indes von Tochter Käthe, die auch an der Vegesacker Straße 41 eine Leihbücherei betrieb – eine Branche, die besonders in der Nachkriegszeit florierte. Im Westen Deutschlands zählte man 1960 rund 28.000 davon, der Verleih von Büchern gegen Gebühr war oft Nebenerwerb kleiner Einzelhändler oder Handwerksbetriebe.

Zweigeteiltes Geschäftshaus

Das Geschäftshaus war damals schon zweigeteilt. In der anderen Hälfte befand sich eine Filiale der Wein- und Spirituosenkette Detto, die mit dem Slogan „kartonweise billiger“ warb. Nebenan – dort, wo heute feiner Käse verkauft wird – betrieb Heinrich Hornung sein Lebensmittelgeschäft. Rechts, im Haus Nummer 186, war eine Filiale der Fleischerei Könecke. Wer durch das historische Adressbuch flaniert, kommt Mitte der 1960er-Jahre zwischen Admiral- und Eickedorfer Straße an vielen kleinen Geschäften vorbei, deren Namen schon lange nicht mehr im Stadtteil präsent sind: an mehreren Bäckereien und Schlachtereien, zwei Wäschereien, Drogerie, Reform- und Seifenhaus, Kaffeegeschäft und -rösterei, Obst- und Gemüsehandlung, einem Uhrmacher und zwei Juwelieren, einer Polsterei, Möbel-, Textilwaren-, Radio- und Elektrogeschäft und am „Admiral-Palast“, dem Kino mit mehr als 700 Sitzplätzen, das 1965 geschlossen wurde. Die Ausnahme, die im Laufe der Jahrzehnte Standort, Branche und Namen treu geblieben ist: das Schreibwarengeschäft von Gerhard Sanders, seit 1947 und mittlerweile in der vierten Generation an der Hemmstraße 147 ansässig.

Die Arends betrieben ihr Geschäft nicht lange. Hans Arend starb im Jahr 1968, nur wenige Monate nach seinem Schwiegervater Paul Daams. Das nostalgische Schaufenster, das nun durch Zufall entdeckt wurde, hat für eine Zeitlang ans Licht gebracht, was fast 60 Jahre lang verborgen geblieben war.

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