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Foto-Ausstellung Schiffe, Menschen, Fischbrötchen

Hans Brockmöller hat im Laufe seines Lebens vor allem eines Fotografiert: den Hafen. Eine Auswahl seiner Bilder ist im "Lugger" im Kulturzentrum Schlachthof zu sehen.
07.09.2023, 07:00 Uhr
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Von Anke Velten

„Deutsche Logger-Heringe“ – so steht es auf dem Fass voller frischer Matjes, und manche Betrachter könnten unmittelbar Appetit bekommen. In diesem Fall wäre das Haltbarkeitsdatum allerdings längst abgelaufen. Gefangen, seegekehlt und seegesalzen wurden die Heringe nämlich bereits im Jahr 1965. Die Szene mit der properen Fischhändlerin, die kess in die Kamera blickt, hat der Bremer Fotograf Hans Brockmöller für immer konserviert. Sie ist eine von rund zwei Dutzend Aufnahmen aus einer längst vergessenen Zeit, die bis Ende dieses Jahres im Lugger, dem Lokal des Kulturzentrums Schlachthof, zu sehen sind. Wer dabei Lust auf ein Fischbrötchen bekommt: Bitteschön.

„Schiffe. Hafen. Fische“ heißt die Ausstellung, und die Menschen hätte man durchaus auch noch dem Titel hinzufügen können. Die gerahmten Fotos und großformatigen Banner sind Leihgaben aus dem Hafenarchiv des Kulturhauses Walle. Sie wurden schon einmal gezeigt – vor zwei Jahren im Rahmen der großen Doppelausstellung „Der Artist“, die zeitgleich im Hafenmuseum und im Brodelpott lief.

Eine Auswahl von Motiven aus dem Bremer Norden wurde im vergangenen Jahr im Vegesacker Geschichtenhaus ausgestellt. Nun wäre es aber ein Jammer, sie auf Dauer in der Sammlung verschwinden zu lassen, fand Wilfried Brandes-Ebert, Leiter des Hafenarchivs an der Muggenburg, Retter dieses fotografischen Schatzes. Eine Kneipe, die den maritimen Namen Lugger trägt, hat sich als Galerie bereits perfekt qualifiziert, sagt er. „Und es ist auch eine gute Gelegenheit, ein Publikum außerhalb der klassischen Kultureinrichtungen zu erreichen.“

Hans Brockmöller (1911-1977) hatte schon in seiner Jugend mit dem Fotografieren begonnen. Von ihm sind beeindruckende Bilder erhalten, die er nach Kriegsende in der zerstörten Stadt aufgenommen hat. Anfang der 1950er-Jahre begann er, für den „Weserlotsen“ zu arbeiten, und war dort wirklich in seinem Element. „Er war ein Fotograf, der sich mit Leib und Seele dem Hafen verschrieben hat“, zitierte Brandes-Ebert im Rahmen der Ausstellungseröffnung aus dem Nachruf der Monatszeitschrift der bremischen Hafenwirtschaft. Unter den Hafenmitarbeitern war der Herr in Anzug und Krawatte und mit dem verschmitzten Lächeln gut bekannt und gut gelitten. Für ihn wurde auch schon einmal ein Kran so lange arrangiert, bis die Ladung optimal vor die Linse passte, hieß es im Nachruf.

Brockmöller zeichnete nicht nur ein ungewöhnlich gutes Auge für fotogene Motive aus. Er hatte zudem ein besonderes Talent: „Der Mann war absolut schwindelfrei!“, erklärte Brandes-Ebert. In der Riege seiner Kollegen galt er als „der Artist“: Für die besten Perspektiven kletterte er auf Schuppendächer, auf die Spitze von Schwimm- und Ladekränen. So fotografierte er das Verladen einer Lokomotive, das Treiben auf dem Weserbahnhof oder den Blick in einen Schiffschornstein aus der Vogelperspektive. „Er brauchte keine Drohne“, so Brandes-Ebert.

„Das haben wir als Kinder gar nicht so mitbekommen“, erzählen Antje und Frauke Möbius, die Großnichten des Artisten, die für die Ausstellung von weither angereist waren. In ihrer Kindheit war er ja schon ein älterer Herr, „er strahlte eine gewisse Ruhe und Heiterkeit aus“, berichtete Frauke Möbius, Architektin aus Köln. „Er hatte ständig seine Kamera dabei und die Zigarre im Mund“, erinnerte sich Antje Möbius, die als Designerin in Heidelberg lebt. Was den Schwestern aber auch in Erinnerung geblieben ist: „Er war zwar kein großgewachsener Mensch“, sagte Frauke Möbius, „aber hatte eine große Ausstrahlung.“

Wer die Ausstellungen in Walle oder Vegesack besucht hat, wird viele Lieblingsbilder wiedererkennen. Den Tallymann zu Beispiel, den Hafenarbeiter, der breit durch seine Zahnlücke grinst, während er einen Straußenvogel umarmt, oder auch den jungen Mann mit der glänzenden Tolle, der von den Kuratorinnen im Hafenmuseum den Spitznamen „Bremer Elvis“ bekommen hat. Es hätte nicht viel gefehlt, dann hätte niemand diese Bilder je wieder zu Gesicht bekommen. Nach dem Tod von Brockmöllers Ehefrau habe er durch einen Zufall vom Schatz im Keller des Neustädter Privathauses erfahren, erzählte Brandes-Ebert. Er nahm Kontakt zu den Hinterbliebenen auf und überzeugte sie, dem Waller Geschichtskontor zu gestatten, die Fotos in seine Sammlung aufzunehmen.

Die ehrenamtliche Hafenarchiv-Crew hatte monatelang damit zu tun, die rund 3000 Schwarz-Weiß-Aufnahmen und noch einmal so viele Negative aus den Jahren 1951 bis 1977 zu sichten, zu interpretieren, zu digitalisieren und zu archivieren. Eine lohnenswerte Aufgabe, so Brandes Ebert: „Es sind Fotos von einer Qualität, wie man sie nur ganz selten findet.“

Im „Lugger“ im Kulturzentrum Schlachthof, Findorffstraße 51, sind die Fotografien bis zum 30. Dezember zu sehen. Kneipe und Ausstellung sind täglich ab 17 Uhr geöffnet. Sonntags ist Ruhetag.

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