In Zeiten wie diesen kann man sich viele Fragen stellen. Zum Beispiel: Was darf bleiben, was kann weg? Schwere Bananenkisten werden aus den Regalen gehievt, darin steckt, was von Jahren, ach Jahrzehnten, übrigblieb. Bei manchem freut man sich alle Jahre wieder auf das Wiedersehen. Ganz unten: die Verstoßenen, Ungeliebten, aus der Gunst Gefallenen. Wer die Weihnachtszeit zelebriert, wird es kennen: Da sammelt sich einiges an Ballast an, und Jahr für Jahr schleicht sich mehr ein. Der Geschmack ändert sich, man möchte schließlich auch mal Abwechslung. Was zu gut ist, um entsorgt zu werden, könnte gespendet oder auf dem Flohmarkt feilgeboten werden. Doch es gibt eine Alternative: In der Nachbarschaft wird zum Weihnachtsdeko-Tausch eingeladen. Das wollen wir mal sehen.
Punkt 14 Uhr ist Tausch-Start in der Klimazone. Noch ist der Tisch karg gedeckt. Friederike Oelzen und Pina Pohl bleiben gelassen: Die Kundschaft wird schon noch eintrudeln. Dafür ist genug Platz für den riesigen Strohkranz und den roten Leuchtstern, die schon viele Jahre kein Tageslicht mehr gesehen haben. Ob das Blechschild mit dem Glitzerschneemann auf Interesse stoßen wird? Oder die Nikolausfigur, die Ewigkeiten auf dem Stromkasten saß? Karen Dethleffsen gehört zu den ersten, die sich einen Überblick verschaffen. Bisschen früh, findet die Wallerin und verabschiedet sich vorerst: „Ich komm´ später noch mal wieder!“
Tausch-Rausch für Nachhaltigkeit
Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind die Mission der Klimazone Findorff, die vor sechs Jahren als Förderprojekt auf private Initiative gegründet wurde. Damals hätten sich wohl wenige vorstellen können, wie standhaft sich die Idee festsetzen würde. Doch nachdem das zweijährige Programm des Bundes auslief, tat sich eine Gruppe engagierter Nachbarn zusammen, und sorgte mit einer Vereinsgründung für den Weiterbestand.

Pia Pohl (links) mit Kundin Inese Svarnovica inmitten der gefüllten Tische und Tauschartikel.
Nachhaltiger Konsum ist eines der Themen. Im März des vergangenen Jahres organisierten Oelzen und Pohl ihren ersten „Tausch-Rausch“ für Bekleidung in den Räumen an der Münchener Straße 146. Daraus ist in einem leerstehenden benachbarten Ladengeschäft eine sehr gut sortierte und prächtig laufende Boutique geworden, die von einem eigenen Team von Freiwilligen betreut wird. Die beiden Mitt-Dreißigerinnen, beide auch hauptberuflich im Bereich Klimaschutz tätig, konzentrieren sich seither auf allerlei anderes, was man sonst so tauschen könnte: „Tausch-Räusche“ gab es seither schon für Fahrradzubehör, Pflanzenableger, Haushaltswaren oder Bücher, erzählt Oelzen. „Wir möchten dazu ermutigen, Dinge weiterzuverwenden“, erklärt Pohl.
Tausche Kugel gegen Übertopf
Kaum schaut man ein paar Minuten weg, schon sind Strohkranz und Leuchtstern verschwunden. Dafür ist zwischen den Accessoires ein kleiner Schwibbogen aufgetaucht – echt Erzgebirge, der hatte mal seinen Preis. Dafür würde sich doch bestimmt noch ein Plätzchen finden? Inese Svarnovica hat ihre kleine Kollektion an nostalgischem Baumschmuck und ein Kunstgesteck arrangiert. Im Gegenzug für sich entdeckt hat sie ein pummeliges Rentier aus Keramik und lässt es nicht mehr los. „Meine Tochter und ich sind große Fans der Tauschbörse“, erklärt die Findorfferin und schwärmt: „Wir haben dabei schon so viele tolle Sachen gefunden!“
Der Tisch hat sich inzwischen gut gefüllt, so auch der kleine Laden. Henrik, 6 Jahre, hat ein originalverpacktes Sortiment an Weihnachtskugeln mit LED-Beleuchtung herausgefischt – sein Fang des Tages zum Preis einiger Teelichte und eines weihnachtlichen Übertopfs, die Mama Katharina Zuhause ausgemustert hatte. Auf dem Sofa und entlang der Fensterfronten ist man in Gespräche vertieft. Zwei Nachbarinnen begutachten eine bestickte Tischdecke. „Daraus könnte man auch ein paar Beutel nähen“, sagt die eine zur anderen. Maximal fünf Dinge darf jeder mitbringen, und genauso viele auch wieder mitnehmen, lautet hier die Regel, die nicht religiös befolgt werden muss. „Ich habe das eben ganz zufällig entdeckt“, entschuldigt sich eine spontane Besucherin. „Und nun habe ich gar nichts dabei.“ Kein Problem, betont Oelzen. „Schau dich um und nimm dir einen Kaffee.“
Zu spät: Der Schwibbogen ist nicht unbemerkt geblieben und verschwindet im Beutel einer jungen Frau. Inese Svarnovica verabschiedet sich nach einer guten Stunde Stöberei und Plauderei: „Ich geh jetzt lieber, sonst finde ich noch mehr“, erklärt sie lachend. Eine andere Kundin kämpft gerade mit sich, ob sie die beiden großen Keramikweihnachtsbäume mitnehmen soll. „Macht Ihr das nächstes Jahr wieder?“, fragt sie. „Notfalls kann ich sie ja dann wieder hierher mitbringen.“

Über die Jahre sammelt sich einiges an: Der Weihnachtsdeko-Tausch bietet die Gelegenheit, eigene Stücke gegen die anderer zu tauschen.
Damit niemandem über die Festtage langweilig wird, gibt es am Sonntag, 8. Dezember, 14 bis 18 Uhr, noch einen letzten Tausch-Rausch in diesem Jahr. In den Räumen der Klimazone Findorff, Münchener Straße 148, können dann Spiele und Puzzles für Kinder und Erwachsene getauscht werden. Das Team des Kleidertausch-Pop Up-Store in den benachbarten Räumen an der Münchener Straße 146 lädt für Freitag, 29. November, 15 bis 19 Uhr, zur Ein-Jahres-Feier bei Waffeln und Punsch ein. An diesem Tag findet kein Kleidertausch statt. Nebenan in der Klimazone wird zwischen 16 bis 17.30 Uhr für Weihnachten gebastelt. Weitere Informationen: www.klimazone-findorff.de