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Anlaufstelle in Gröpelingen Stürmische Zeiten für Wilden Westen

2025 stellt das Jobcenter die Förderung für elf Stellen im Spiel- und Gemeinschaftshaus Wilder Westen ein. Nun fragt sich das Team dort, wie es dann weitergeht.
07.10.2024, 05:00 Uhr
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Stürmische Zeiten für Wilden Westen
Von Anne Gerling

Vor gut zwei Wochen wurde wie jedes Jahr im Spiel- und Gemeinschaftshaus Wilder Westen Sommerfest gefeiert – mit vielen lachenden Kindern, gut gelaunten Eltern und fröhlichen Anwohnern. Alles wie immer also an der Stuhmer Straße? Noch ja. Inzwischen steht aber fest: Zum 1. Januar wird sich in der von der Initiative zur sozialen Rehabilitation geführten Einrichtung etwas ändern.

Denn das Jobcenter hat mittlerweile mitgeteilt, dass die Förderung für die sogenannten AGH-Stellen (früher: Ein-Euro-Jobs) in der Gröpelinger Einrichtung 2025 tatsächlich nicht mehr fortgeführt werden kann. Elf Stellen – sechs in der komplett über AGH finanzierten Suppenküche und fünf im Spielhaus gleich nebenan, das sich über Jobcenter und Bildungsressort finanziert – werden Leiterin Claudia Toensing zufolge dadurch wegfallen: „Damit können wir das Spiel- und Gemeinschaftshaus in der bisherigen Form nicht weiterführen.“

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Spaltung der Gesellschaft nimmt zu

Besonders problematisch sei dies für die AGH-Kräfte selbst, sagt Toensing: „Denn durch diese Kürzung wird zum Beispiel Menschen mit chronischen Erkrankungen, geringen Sprachkenntnissen oder mit Kontaktschwierigkeiten die Möglichkeit zur Teilhabe und Beschäftigung genommen werden. Sie werden ausgeschlossen, die Spaltung der Gesellschaft wird damit zunehmen.“ Gleichzeitig ist die Suppenküche für viele Menschen im Quartier eine wichtige soziale Anlaufstelle: Morgens tauschen sich hier ab halb neun die ersten Mütter beim Kaffee aus, nachdem sie ihre Kinder zur Schule gebracht haben. Ab 12 Uhr können Menschen mit geringem Einkommen, die eine entsprechende Kundenkarte haben, in der Suppenküche für zwei bis drei Euro Mittag essen. Für sie ist die Einrichtung in doppelter Hinsicht wichtig – als sozialer Treffpunkt und aus finanziellen Gründen.

Eine seit vielen Jahren ebenso verlässliche Anlaufstelle ist für die Kinder im Quartier das Spielhaus, wo mittags nach Schulschluss täglich 30 bis 40 Sechs- bis Zwölfjährige zum Spielen, Basteln oder Malen eintrudeln – die meisten von ihnen besuchen die Grundschule am Halmerweg. Im Wilden Westen bekommen sie eine kostenlose Mittagsverpflegung, und es gibt eine von einer Sozialpädagogin geleitete und durch geeignete AGH-Kräfte aus dem Spielhaus unterstützte Hausaufgabenbetreuung, die rege in Anspruch genommen wird.

Auch in den Ferien stehen Kinder und Jugendliche hier nicht vor verschlossenen Türen: Das Spielhaus-Team organisiert dann Ferienprogramme und Aktionen. An vier Nachmittagen pro Woche gibt es außerdem eine von einer Sozialpädagogin geleitete Mädchengruppe im Wilden Westen – und auch dieses über die offene Kinder- und Jugendarbeit finanzierte Angebot wird von vielen genutzt. Daneben ist die Einrichtung über die Jahre zu einer Anlaufstelle für Eltern und die Nachbarschaft geworden: Sie bekommen hier Unterstützung bei Fragen zur Erziehung, zur Existenzsicherung oder zu Aufenthaltsangelegenheiten. Toensing: „Wir unterstützen insgesamt sehr viel bei Behördenangelegenheiten und Antragstellung, was auch einen indirekten Beitrag zur Kindeswohlsicherung leistet.“

Quartiersmanagerin warnt vor erheblicher Lücke

Das Spiel- und Gemeinschaftshaus Wilder Westen mit seiner Suppenküche sei eine „unverzichtbare Einrichtung für das soziale Gefüge in Gröpelingen, insbesondere im Bereich des hinteren Ohlenhofs“, sagt dementsprechend Quartiersmanagerin Bärbel Froemel, die betont: „Die Schließung der Institution würde eine erhebliche Lücke in der sozialen Infrastruktur hinterlassen, die angesichts der besonderen Herausforderungen in diesem Gebiet nicht zu verantworten ist.“ Käme es zu einer Schließung, so würde dies die ohnehin prekäre soziale Situation in den betroffenen Quartieren weiter verschärfen, warnt Froemel: „Ich appelliere daher dringend, eine nachhaltige Lösung zur Finanzierung des Spiel- und Gemeinschaftshauses Wilder Westen zu finden, um die wichtige soziale Arbeit in diesem herausfordernden Umfeld fortführen zu können.“

Im Sommer hatte angesichts des drohenden finanziellen Engpasses bereits der Gröpelinger Beirat aufgrund der besonderen Rolle der Einrichtung den Senat und die Bürgerschaft aufgefordert, nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten zu suchen und sich für die Erhaltung des Wilden Westens einzusetzen. „Zurzeit werden verschiedene Lösungen geprüft“, teilt dazu Bildungsressort-Sprecherin Patricia Brandt mit.

Sie habe die Zusammenarbeit von Pädagogen und AGH-Kräften im Wilden Westen „immer als sehr sinnstiftend“ empfunden, sagt Toensing. Was sie sich für die Zukunft wünscht? „Dass hier ein gut aufgestelltes Angebot für Kinder erhalten bleibt und auch die Suppenküche als niedrigschwelliger Ort so bleibt. Das ist hier schon ein wichtiger Ort. Wir sind eine Dauerbaustelle – und trotzdem werden wir gut angenommen, die Leute kommen her und es ist voll bei uns.“

Zur Sache

Das Spiel- und Gemeinschaftshaus Wilder Westen

Neben dem 1976 vom Amt für soziale Dienste an der Stuhmer Straße eröffneten Gemeinschaftshaus entstand ab 1997 auf dem heutigen Gelände der Oberschule Ohlenhof an der Ecke Halmerweg/ Mählandsweg der Streichelzoo Wilder Westen. Der Zoo wurde Anfang 2016 trotz Anwohnerprotesten wieder geschlossen, Suppenküche und Spielhaus blieben aber bestehen. Seitdem gab es immer wieder Überlegungen, den Wilden Westen um eine Kita zu erweitern und in den Campus Ohlenhof einzubeziehen.

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