Im Rathaus haben die Haushaltsberatungen für die kommenden zwei Jahre begonnen – jetzt heißt es schnell sein für Bremens Stadtteilbeiräte. Denn noch können sie mit Haushaltsanträgen womöglich Pflöcke dafür einschlagen, dass für sie besonders wichtige Vorhaben beim Doppelhaushalt 2026/27 berücksichtigt werden. In Gröpelingen macht sich der Beirat nun mit einem Haushaltsantrag für seinen Stadtteil stark: Er fordert, dass die zur Umsetzung der im Jahr 2023 vom Senat beschlossenen Integrierten Drogenhilfestrategie benötigten Mittel nun auch wirklich in den Haushalt eingestellt werden. Bei der Erstellung des Papiers im Dezember 2023 gingen die Beteiligten dabei von einer Summe von fast zehn Millionen Euro aus.
Hintergrund ist, dass Bremen angesichts der wachsenden Drogenszene zunehmend vor Herausforderungen steht. Insbesondere in Gröpelingen, Neustadt und Vegesack hat der offene Drogenkonsum vor allem von Crack stark zugenommen. „Anwohner und Anwohnerinnen berichten von erhöhter Angst und Unsicherheit und der Einzelhandel sieht sich mit Betteln und Beschaffungskriminalität konfrontiert“, heißt es in der Begründung zu dem von Beiratspolitiker Dieter Winge (Linke) formulierten fraktionsübergreifenden Antrag, Vorbild dafür war ein Antrag des Neustädter Beirats. Der Gröpelinger Beirat ist überzeugt: Bisherige Maßnahmen, wie zum Beispiel die Einrichtung des Szenetreffs am Straßenbahndepot, reichen nicht aus, „um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen.“
Crack auch in Bremen auf dem Vormarsch
Dies hängt insbesondere mit einer Substanz zusammen, die seit etwa sieben Jahren auch in Bremen zunehmend auf dem Markt verkauft wird. „Crack macht unruhig und aggressiv und führt dazu, dass die Konsumenten schnell verelenden und ziemlich krank werden“, erklärt dazu Eva Carneiro Alves vom Referat 24 „Psychiatrie und Sucht“ im Gesundheitsressort. Sie hat kürzlich dem Fachausschuss Gesundheit, Sport, Kultur und Senioren erläutert, was die Integrierte Drogenhilfestrategie konkret beinhaltet, die mehrere Ressorts unter der Federführung der Gesundheitsbehörde 2023 auf den Weg gebracht hatten.
Diese sieht neben verschiedenen Bausteinen wie Straßensozialarbeit, einem konsequenten Vorgehen gegen den Drogenhandel oder Präventionsmaßnahmen vor allem auch vor, Hilfsangebote in besonders betroffenen Stadtteilen – „mindestens in Gröpelingen und der Neustadt“ – zu schaffen, so Caneiro Alves: „Es geht dabei um einen Tagesaufenthalt mit Ruheliegen und Beratungsangebot.“ Denn erst solch ein Ort ermögliche es, dass sich Suchtabhängige stabilisieren und für einen Ausstieg aus dem Drogenkonsum öffnen könnten. „Solch eine Einrichtung zu schaffen, ist schnell gesagt. Aber schwierig, weil es in der Bevölkerung viele Ängste gibt“, weiß Caneiro Alves aber auch. „Schließlich verhalten sich Suchtabhängige nicht immer unbedingt sozialverträglich.“ Der wichtigste Schritt wäre dabei zunächst, ein geeignetes leerstehendes Gebäude zu finden.
Beirat sucht nach Immobilie
Der Gröpelinger Beirat ist bereits auf der Suche nach entsprechenden Immobilien oder Flächen. Damit ein etwaiges geeignetes Objekt schnell angemietet und hergerichtet werden könnte, „müssen die in der Integrierten Drogenhilfestrategie vorgesehenen investiven Mittel umgehend zur Verfügung gestellt werden“, unterstreicht Beiratspolitiker Winge, der selbst seit 1989 in der Drogenberatung tätig ist und das Thema in die nächste Beirätekonferenz einbringen möchte. Ein entsprechender Antrag wurde einstimmig vom Fachausschuss angenommen. Winge betont: „Es ist dringend notwendig, dass wir die Drogenhilfestrategie kriegen und wir wollen, dass sie erst genommen wird. Wir haben gehört, dass die Umsetzung mangels Geld in Frage steht. Eigentlich können wir uns das nicht leisten.“ Eine Einschätzung, die Beiratsmitglied Pierre Hansen (SPD) teilt. Er warnt: „Wenn wir jetzt kein Geld für die Drogenhilfestrategie in die Hand nehmen, dann müssen wir später deutlich mehr in Polizei, Ordnungsdienst, Müllentsorgung et cetera investieren.“
CDU über Thema uneins
Ebenso sieht es offenbar die CDU-Fraktion im Gröpelinger Beirat, die jetzt wie alle anderen Fraktionen für den Haushaltsantrag gestimmt hat. Damit vertritt sie eine deutlich andere Meinung als die CDU-Stadtbezirksvorsitzende im Bremer Westen und Waller Bürgerschaftsabgeordnete Kerstin Eckart. Sie verweist auf die Ameos-Poliklinik für Suchtkranke in einem Container-Mobilbau an der Juiststraße – „dort gibt es seitdem viel Unrat und Kriminalität“ – und spricht sich ausdrücklich insbesondere gegen einen Drogenkonsumraum in Gröpelingen aus: „Es muss heißen: Ausstieg statt kostenloser Konsum.“ „Wir sind alle für Ausstieg, unser ganzes Hilfesystem ist darauf ausgelegt, diesen Weg zu gehen“, sagt auch Carneiro Alves, die gleichzeitig betont: „Drogencontainer funktionieren sehr gut und retten täglich Leben. Wir kriegen dort gut Kontakt zu den Menschen und es gibt dort gute Möglichkeiten, sie bei ihrem Weg in Richtung Ausstieg zu unterstützen.“ Nicht alle schafften es allerdings, diesen Weg ganz zu gehen – aus sehr unterschiedlichen Gründen: „Dann sind wir froh, wenn sie überleben.“