Die soziale Arbeit der evangelischen Kirche in Deutschland wandelt sich. Dafür liefert das Diakonische Werk Bremen ein Paradebeispiel. Das dem Wohlfahrtsverband angeschlossene Diakonissenmutterhaus, das in Gröpelingen ein Altenpflegeheim betreibt, in dem außer den Gesundheits- und Pflegekräften auch die Schwesternschaft der Diakonissen lebt und arbeitet, beschreitet neue Wege. Es öffnet sich für neue Formen des gemeinschaftlichen Lebens im Zeichen der Mitmenschlichkeit, Selbstsorge und Spiritualität.
Die kostenlosen diakonischen Bildungsangebote stehen laut Regina Bukowski, Sprecherin des Diakonischen Werks Bremen, zum Beispiel nicht nur Haupt- und Ehrenamtlichen in Diakonie und Kirche offen, sondern auch ebensolchen aus dem Sozial- und Gesundheitswesen. Zu Gottesdiensten und Konzerten in der Emmauskirche auf dem Gelände des Mutterhauses sei jeder willkommen.
Überdies sei das Diakonissenmutterhaus in Bremen das einzige unter den 35 in Deutschland mit einer weiblichen Doppelspitze, stellt Bukowski heraus. Mit Insa Passmann als kaufmännische Leiterin und der inhaltlichen Ausrichtung durch die neue Oberin Anette Cordes, die 30 Jahre in Berlin gelebt und dort auch Frauen- und Gleichstellungspolitik gemacht hat, nimmt Bremen eine Vorreiterrolle ein.
Die neue Oberin personifiziert den Modernisierungsprozess des vor 152 Jahren gegründeten Hauses. Cordes trägt nicht die traditionelle Schwesterntracht in dunkelblauem Stoff mit hellblauen Punkten, Diakonissenkreuz und weißer Haube, sondern Jeans, blauen Blazer und cremefarbene Bluse. Sie ist keine Diakonisse, die sich als ausgebildete Krankenpflegerin und von geistlicher Seite qualifiziert ihr Leben lang um Kranke und Schwache kümmert und in einer Schwesterngemeinschaft lebt, sondern ausgebildete Sozialarbeiterin.
Seit Mai ist die gebürtige Bremerin, die aus Berlin nun wieder in ihre Heimatstadt zurückgekehrt ist, mit einer halben Oberin-Stelle beim Verein Diakonissenmutterhaus angestellt. Zudem arbeitet die 50-Jährige stundenweise als Seelsorgerin für das Hospiz „Brücke“.
„Was mich beeindruckt hat, sind die Offenheit und von Herzen kommende Fröhlichkeit“, formuliert Cordes ihren ersten Eindruck vom Mutterhaus. Beides strahlt sie selber auch aus. „Ich finde es ganz reizvoll, dass ich die unterschiedlichen Aspekte Seelsorge, Leitung- und Führungsverantwortung mit meinem Glauben direkt verbinden kann“, sagt sie.
Den bereits vor 20 Jahren im Mutterhaus angestoßenen Öffnungsprozess möchte die freundliche Pragmatikerin vorantreiben. Diesem Ansinnen legt Cordes die Fragen zugrunde, „wie kann ich mitmenschlich sein und bleiben und wo nehme ich meine Spiritualität und meinen Sinn her“.
Vor 100 Jahren musste eine Oberin viele junge Frauen betreuen, heute sieht Cordes ihre Aufgabe darin, die 40 zu ihrem Konvent gehörenden Schwestern zu begleiten, die sich im Pflegeheim und Diako-Krankenhaus in den Dienst der Nächstenliebe stellen. Daher ist der neuen Oberin wichtig, dass das eigene Tun in den Leitungsrunden hinterfragt wird und es immer geistliche Impulse gibt.
Heutzutage wählt kaum eine junge Frau mehr das Leben einer traditionellen Diakonisse. So leben auch im Bremer Konvent nur fünf, die das Gelöbnis abgelegt haben, nicht zu heiraten, kinderlos zu bleiben und bescheiden in einer evangelischen Lebens-, Glaubens- und Dienstgemeinschaft zu leben. „Sie sind zwischen 60 und 89 Jahre alt“, sagt Cordes. Und sie würden noch in ihrer Freizeit ihre Fürsorglichkeit ausleben und Gutes tun. Als großen Verdienst der traditionellen Diakonissen, die alle in der Krankenpflege berufstätig waren, würdigt die Oberin, dass sie den Grundstein für die inzwischen wirtschaftlich eigenständigen Institutionen Diako-Krankenhaus und das Altenpflegeheim gelegt hätten.
Auch in ihrem Ruhestand sind Schwestern hier ehrenamtlich tätig. Nach Anette Cordes’ Auskunft prägen sie, wie die drei noch zusätzlich im Mutterhaus lebenden diakonischen Schwestern, den Geist des Hauses. Diese sogenannten Verbandsschwestern erfüllen die gleichen Aufgaben mit der gleichen christlichen Prägung wie traditionelle Diakonissen, haben sich jedoch für ein anderes Lebensmodell entschieden, wohnen woanders, sind verheiratet, haben Kinder. Darüber hinaus gibt es laut Cordes noch eine weitere neue Form der Diakonissen-Schwesternschaft: Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger, die sich für eine zusätzliche mehrjährige diakonische Fortbildung entschieden haben.
Unter dem Dach des Diakonissenmutterhauses ist ferner die „Weggemeinschaft“ angesiedelt. In diesem Kreis treffen sich Menschen, die in Sozial- und Gesundheitsberufen tätig sind, diesen Weg miteinander im Glauben gehen und sich einmal im Monat ausrichten und austauschen.
Als segensreich für ihre Arbeit sieht sie das Gröpelinger Gelände an. „Das ist ein ganz besonderer Ort“, findet Cordes, weil dort zur Blütezeit 200 Schwestern gelebt hätten. „Ein Ort des gelebten Glaubens.“
Weitere Informationen
Das Diakonissenmutterhaus feiert vom 8. bis 10. November Jahresfest. In diesem Rahmen wird Anette Cordes am Sonntag, 10. November, um 10 Uhr im Gottesdienst in der Emmauskirche, Adelenstraße 68, offiziell als Oberin eingeführt. Wer die Angebote des Diakonissenmutterhauses kennenlernen möchte oder sich für spezielle Themen interessiert, kann Kontakt zu Oberin Anette Cordes aufnehmen – per E-Mail an cordes@diakonissenmutterhaus-bremen.de oder unter Telefon 61 02 36 01. Mehr auch online unter www.diakonissenmutterhaus-bremen.de.