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Internationales Erzählfestival Feuerspuren Geschichten am Feuer

Bis zu 350 Menschen kommen üblicherweise zur Langen Nacht des Erzählens – dem traditionellen Feuerspuren-Auftakt – ins Lichthaus. Erstmals findet die Veranstaltung nun wegen Corona unter freiem Himmel statt.
29.09.2021, 11:58 Uhr
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Geschichten am Feuer
Von Anne Gerling

Dicht an dicht flanieren seit 2007 immer am ersten Novemberwochenende beim internationalen Erzählfestival Feuerspuren Tausende Besucher durch die Lindenhofstraße, bestaunen Feuer-Akrobaten und lassen sich in Geschäften und Einrichtungen Geschichten erzählen.

Nachdem die Großveranstaltung im vergangenen Jahr nur digital stattfinden konnte, hat die Organisatorinnen und Organisatoren bei den Vorbereitungen für dieses Jahr vor allem eine Frage beschäftigt: „Wie können wir die Essenz der Feuerspuren unter diesen Bedingungen leben?“ Die „Essenz der Feuerspuren“ – für Andrea Munjic von der Projektleitung beim Verein Kultur vor Ort ist das „Solidarität, Miteinander, zuhören, was auf die Beine stellen – und zwar der ganze Stadtteil.“ „Es geht um den Zauber frei erzählter Geschichten und um zwischenmenschliche Kommunikation über Sprachgrenzen hinweg“, ergänzt die künstlerische Festivalleiterin Julia Klein.

Sie und ihre Mitstreiter standen dieses Jahr vor etlichen Entscheidungen. Eines war Klein zufolge dabei schnell klar: „Wir wollten es live machen, nicht digital.“ Schließlich geht es beim Erzählen vor allem darum, dass Geschichten die Menschen zusammenbringen. Für Munjic und Klein sind die Feuerspuren vor allem ein Gemeinschaft stiftendes Gröpelinger Fest.

Um dieses Fest auch in Zeiten der Pandemie zelebrieren zu können und es zeitlich zu „entzerren“, wurde aus der Wochenendveranstaltung ein achtwöchiger Festival-Herbst zum Thema „Warmhalten“ gemacht. Seit Anfang September laufen Kurse und Workshops, und es gab Auftritte an verschiedenen Orten. Am Sonntag, 7. November, sind ab 16 Uhr Geschichtenerzähler im Stadtteil unterwegs und erzählen ausschließlich unter freiem Himmel. Höhepunkt des professionellen Erzählens ist die Woche vom 11. bis 15. Oktober direkt vor den Herbstferien. Dann nämlich besuchen professionelle Erzählerinnen und Erzähler die sechs Grundschulen in Gröpelingen und Oslebshausen. „Das ist uns sehr wichtig, weil die Feuerspuren ein Festival für alle Generationen und den ganzen Stadtteil sein sollen“, unterstreicht Julia Klein: „Deswegen schenken wir das jetzt den Grundschulen, die sich auch schon alle sehr freuen.“

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Was dem Team außerdem am Herzen lag: „Es soll eine Veranstaltung geben, bei der die Profis im Mittelpunkt stehen.“ Traditionell ist dies die „Lange Nacht des Erzählens“ immer am Festival-Vorabend im Lichthaus gewesen. Auch dieses Jahr wird es eine Lange Nacht des Erzählens geben, so Klein: „Aber ganz anders.“ Nämlich: draußen. Und zwar im Apfelkulturparadies, das Kultur vor Ort seit 2012 auf einer 2500 Quadratmeter großen Brachfläche hinter dem Straßenbahnbahndepot hegt und pflegt.

Dort werden die Besucher eine ganz besondere Nacht erleben, verspricht Julia Klein: „Es ist ein strahlend schöner Oktoberabend – eiskalt, aber sternenklar. Ab 17 Uhr trudeln die Gäste ein, es gibt heiße Getränke, man sitzt am Feuer und es werden Geschichten erzählt – ganz archaisch.“ Drei Jurten werden dafür auf dem Gelände aufgebaut; in jeder von ihnen wird ein gemütliches Feuer brennen, um das sich jeweils 25 Zuhörer versammeln und mit ausreichend Abstand in zwei Erzählsets den Erzählprofis lauschen können.
Zum Beispiel der Deutsch-Amerikanerin Katinka Kraft, die ihre Kindheit in den 1980er-Jahren in Berlin verbrachte und als Teenager nach Seattle zog. Sie ist seit vielen Jahren als Spoken
-word-Künstlerin auf Bühnen unterwegs und tritt nun ganz frisch auch als Erzählerin auf. Beim Erzählen bewegt sie sich zwischen Autobiographischem und Überliefertem und zwischen ihren beiden Sprachen Englisch und Deutsch hin und her.

Mit dabei ist außerdem die niederländisch-deutsche Erzählerin Maria Winter, die aus Utrecht stammt und mittlerweile in Ulm lebt. Die Bilder in ihren Geschichten sind Spiegel, in denen das Publikum sich beim Zuhören neu kennenlernen kann. Im Apfelkulturparadies erzählt sie von der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einem Baum und einem Vogel. Der „weiße Griot“ Tormenta Jobarteh wuchs in München auf und ging 1987 nach Gambia, wo er zum ersten Mal eine Kora – eine Harfenlaute – hörte. Dieses westafrikanische 21-saitige Instrument wird er mitbringen, um seine virtuos erzählten Geschichten klangvoll zu untermalen.
Griots sind Musiker, Historiker, Chronisten, Geschichtenerzähler und weise Berater in einer Person. Ihre Tradition wird vom Vater auf den Sohn vererbt, und Jobarteh wurde – nachdem ihn seine gambische Gastfamilie adoptiert hatte – zum Griot ernannt. Dies gilt nahezu als einmalig für einen Nichtafrikaner mit weißer Hautfarbe. Zum zehnten Mal bei den Feuerspuren – aber zum ersten Mal bei der Langen Nacht – sind außerdem der Geschichtenerzähler, Theaterregisseur und Mitbegründer der niederländischen Vertelacademie (Erzählakademie) Marco Holmer und der mittlerweile 13-jährige Darius Klein dabei. Das Vater-Sohn-Duo erzählt im Wechselspiel der Sprachen eine Geschichte auf Niederländisch und Deutsch. Passend zum Thema ringen die Figuren darum, sich warm zu halten.

Die Besucher werden beim Check-in in zwei Gruppen eingeteilt. Während die erste Gruppe sich am Feuer warm hält, begibt sich die andere Gruppe mit Lutz Liffers und Julia Klein auf eine Wanderung. „Wir gehen in die Nacht, in die Dunkelheit – in die Welt der Magie!“ freut sich Klein schon. Anschließend wird übrigens getauscht, sodass am Ende alle am Feuer gesessen und eine Nachtwanderung gemacht haben.

Info

Der Vorverkauf für die Lange Nacht des Erzählens am Freitag, 15. Oktober, ab 18 Uhr (Einlass ab 17 Uhr) im Apfelkulturparadies, Basdahler Straße 11, hat begonnen. Tickets kosten 15 (ermäßigt neun) Euro, eine Familienkarte für zwei Erwachsene und zwei Kinder gibt es für 30 (ermäßigt 18) Euro unter Telefon 9899700 oder per E-Mail an info@kultur-vor-ort.com. Für die Veranstaltung gelten die dann aktuellen Corona-Regeln. Festes Schuhwerk wird empfohlen, die Veranstaltung ist nicht barrierefrei.

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