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Langjährige Sportsfreundin Rasten ist für sie keine Option

Seit fast 80 Jahren ist Helga Wohlers Mitglied bei Tura Bremen. Bei einer Tasse Kaffee erzählt die Übungsleiterin, was sie in der Tura-Familie erlebt hat und wie sie sich fit hält.
11.09.2023, 07:00 Uhr
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Rasten ist für sie keine Option
Von Anne Gerling

„Morgens esse ich Müsli, dazu Früchte. Und samstags, sonntags mal ein Brötchen“: So startet Helga Wohlers üblicherweise in den Tag, und zwar zu recht früher Stunde. Ein warmes Mittagessen wiederum ist ihr heilig –  beim Treffen mit dem Stadtteilkurier am fortgeschrittenen Vormittag ist der Gröpelingerin deshalb eher nach einer Tasse Kaffee und einem Keks.

Und so bleibt auf dem Wohnzimmertisch ordentlich Platz für die fünf dicken Fotoalben, die die Gastgeberin gleich nach der Begrüßung präsentiert: „Das ist alles Tura!“ Frühlingsfahrten, Radtouren, Freimarkt und Weihnachtsfeiern, Kohl-und-Pinkel-Touren, Fasching –  Helga Wohlers, die mit 90 Jahren immer noch jede Woche als Übungsleiterin in der Halle steht, hat mit der Tura-Familie viel erlebt im Laufe der Jahre. Wie lange sie im Verein ist? „Im Grunde genommen mein ganzes Leben. Als Kind war ich bei meinen Eltern mit angemeldet, 1948 habe ich dann meine eigene Mitgliedschaft gemacht.“

Mit Akrobatik fing bei ihr einst die Begeisterung für Sport und Bewegung an –  in der Ballettschule von Gerti Sturm an der Mozartstraße, die Helga Wohlers als kleines Mädchen besuchte: „Wir wohnten damals in einer der vier Wohnungen im Tura-Heim an der Ortstraße 10A, ich brauchte nur bis zur AG Weser zu laufen und fuhr mit der Straßenbahnlinie 3 dorthin.“ Nach dem Krieg, auch dazu gibt es ein Foto, hat Helga Wohlers bei einer Aufführung in der Glocke für amerikanische GIs mitgetanzt. Und auch von der vereinseigenen „Werbewoche“ 1949 –  heute würde man sagen: „Schnuppertraining“  – hat sie noch Aufnahmen.

Ihr Mann hat einst bei Tura Handball gespielt, ihre Eltern hatten sich –  ebenso wie ihre Schwiegereltern  –  einst bei Tura kennengelernt. Damals hieß der Verein noch VSK: Verein für Sport und Körperpflege. Beide Eltern waren Sportler, die Mutter außerdem im Mandolinenklub und der Vater im Spielmannszug. Er leitete eine Gymnastikgruppe für Damen. Schwarz-weiß-Aufnahmen zeigen die Truppe bei ihrer jährlichen Kohl-und-Pinkel-Fahrt, rund 20 muntere Damen mit Hüten und Pelzkragen und einen Herrn mit Krawatte: „Das ist mein Vater. Ich bin jeden Tag mit nach unten gegangen, wenn er in der Halle war. Ich bin praktisch in der Halle groß geworden.“

Anfang der 1960er-Jahre, als ihre Tochter noch ganz klein war, trat Helga Wohlers gewissermaßen in die Fußstapfen ihres Vaters. Zunächst als Leiterin einer Kinderturngruppe, 1975 machte sie dann auf Spiekeroog ihre Übungsleiterlizenz („das war ganz toll da“) und übernahm von einer Freundin ihrer Mutter deren Frauenturngruppe, die sie bis heute leitet: „Aktuell sind um die 30 Teilnehmerinnen von 45 bis 60, 70 dabei –  und ein paar 80-Jährige. Drei sind von Anfang an dabei!“

Neben Übungen am Boden setzt Helga Wohlers zum Beispiel den Stepper ein oder den Aero-Step –  ein spezielles Trainingsgerät mit Noppen: „Wenn ich dann sage: Schuhe aus, dann stöhnen sie schon!“ Auch sämtliche Handgeräte –  Bälle, Reifen, Seile oder auch die neuen Smovey-Ringe  – kommen in ihrem 120-minütigen Gymnastikkurs zum Einsatz. Regelmäßig besucht sie Lehrgänge der Georg-Wiechmann-Turnschule in der Turnhalle des Hermann-Böse-Gymnasiums, um sich bei wechselnden Referentinnen fortzubilden. Schließlich möchte sie ihren Turnerinnen ein abwechslungsreiches Trainingspensum nach modernen Standards bieten.

Die stammen übrigens keinesfalls nur aus Gröpelingen, sondern aus der ganzen Stadt. Es sind Damen aus Oberneuland, Habenhausen, von links der Weser oder aus Walle dabei, wie Wohlers erzählt: „Und die fehlen das ganze Jahr nicht ein Mal. Das ist der Zusammenhalt. Was meinen Sie, wie schlimm das in der Corona-Zeit war!“ Da sei die Gruppe in den Bürgerpark ausgewichen und habe sich auch mal in Sankt Magnus getroffen, erzählt Helga Wohlers: „Ich muss mich bewegen!“

Wie viele Turnerinnen sie wohl im Laufe von fast 50 Jahren in Bewegung gebracht hat? Gezählt hat sie die Teilnehmerinnen in ihren Kursen nicht. Klar ist aber, dass sich ihre Qualitäten als Übungsleiterin schnell herumsprachen: „Wer einmal dabei war, blieb auch dabei“, sagt die Übungsleiterin rückblickend. Es kamen immer mehr Frauen. Mütter brachten irgendwann ihre Töchter mit. Zeitweise leitete die dynamische Gröpelingerin mehrere Gruppen mit über 100 Teilnehmerinnen, mit denen sie regelmäßig bei der Turnschau in der Stadthalle mit dabei war: „Wir haben immer den ersten Platz gemacht.“

Fotos zeigen Helga Wohlers und ihre Turnerinnen mal in einheitlichen Trikots, mal Stäbe schwingend in karierten Hosen, mal mit den gleichen Mützen im Schottenkaro. Die einheitlichen Outfits haben Frauen aus den Gruppen besorgt oder selbst genäht. „Darauf habe ich immer großen Wert gelegt, das ist immer schon die halbe Miete. Und auch Spaß gehört einfach dazu“, sagt Wohlers, die mit ihren Gruppen auch bei etlichen Vereinsschauen und -feiern aufgetreten ist. Für die Choreografien fängt sie immer mit der Musik an: „Dann kommen die Zählzeiten und die Schritte.“

Auf Bitten des HTSV in Hastedt hatte sie auch dort übrigens irgendwann noch eine Kindergruppe übernommen, die sie aber bald wieder abgab: „So gerne ich Sport mache –  das ging nicht. Ich war ja damals auch noch im Sanitätshaus am Dobben tätig.“

Wer rastet, der rostet –  diesen Spruch kennt natürlich auch Helga Wohlers, die ihn prompt ergänzt: „Und Rasten ist für mich keine Option!“ Ihr tägliches Fitness-Programm beginne schon vor dem Aufstehen, nämlich mit morgendlichem Radfahren im Bett: „Vorwärts und rückwärts. Und im Bad und bevor ich frühstücke, mache ich im Stand noch meine Gymnastik. Das erzähle ich meinen Leuten auch immer, aber das kann ich ja nicht kontrollieren.“

Nur ein einziges Mal, im Winter vor etwa 15 Jahren, war Helga Wohlers unpässlich und musste ihren Turnerinnen absagen. Sie war ausgerutscht: „Oberschenkelhalsbruch. Das war 'ne Aufregung!“ Der Arzt habe sie damals gefragt, ob sie Sport treibe. Als sie dieses bejahte, kündigte er an: „Dann bekommen Sie eine dynamische Schraube!“ Die Teilnehmerinnen hätten schon gefürchtet, sie werde womöglich nicht mehr wiederkommen: „Aber als das nach etwa acht Wochen verheilt war, war ich zurück!“

Spiekeroog, Blankenburg im Harz, Paris: Seit vielen Jahren verreist die Turngruppe einmal im Jahr gemeinsam übers Wochenende. Und immer im Dezember trifft sie sich zum „Mecker-Abend“. Dann gibt es Glühwein, und alle Teilnehmerinnen können äußern, was ihnen nicht so gut gefällt. Was sie dann so sagen? Helga Wohlers muss kurz überlegen: „Eigentlich wird wenig gemeckert.“

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