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Intensivkurs für Grundschüler Nach fünf Tagen sicher im Fahrradsattel

Weil die Zahl der Dritt- und Viertklässler steigt, die nicht sicher Radfahren können, hat der Arbeitskreis "Aber sicher" für rund 250 Grundschüler in Bremen und Bremerhaven ein Intensivtraining organisiert.
21.07.2022, 05:00 Uhr
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Nach fünf Tagen sicher im Fahrradsattel
Von Ulrike Troue

Er kriegt die Kurve einfach noch nicht. Beim Pylonenparcours auf dem Hof der Grundschule am Halmer Weg bekommt ein Drittklässler die Kurve um die Fähnchenstange nicht richtig und stürzt. Sofort eilen zwei Helfer herbei. Glücklicherweise hat sich der Junge nicht verletzt und tritt nach einer Schrecksekunde wieder in die Pedale. "Du musst den Ständer hochklappen", ruft ihm Sascha Sanders vom Präventionszentrum der Bremer Polizei noch schnell zu, um die erneute Sturzgefahr einzudämmen.

Diese kleine brenzlige Situation im geschützten Raum des Schulhofs führte beim Ortstermin allen Beteiligten die Notwendigkeit des Fahrradintensivkurses deutlich vor Augen, den das Bündnis "Aber sicher", dem auch der WESER-KURIER angehört, als ergänzende Präventionsaktion initiiert hat. Der Kurs ist für Dritt- und Viertklässler konzipiert worden, die ihre praktische Fahrradprüfung nicht bestanden oder noch nie auf einem Fahrradsattel gesessen haben. Genau das ist ein großes Problem, das sich bei der regelmäßig in allen Grundschuljahrgängen wiederkehrenden Unterrichtseinheit zur Verkehrserziehung herauskristallisiert hat: Die Zahl der Viertklässler nimmt zu, die die praktische Prüfung der Lerneinheit zur Verkehrsteilnahme als Radfahrer nicht schafft.

Das Trainingsprogramm über fünf Tage an jeweils fünf Stunden läuft nach Auskunft von Verena Nölle in dieser Ferienwoche parallel an sechs Schulen. Dadurch bekämen in diesem Jahr 200 Dritt- und Viertklässler in Bremen und rund 50 in Bremerhaven die Chance, sicher Fahrradfahren zu lernen, sagt die Koordinatorin für Mobilitäts- und Verkehrserziehung im Land Bremen.

25 Prozent Durchfallquote

"An einer Schule gab es im vergangenen Jahr eine Durchfallquote von 25 Prozent", sagt Verena Nölle, die 2021 zum ersten Mal solche Kurse für 140 Schülerinnen und Schüler organisiert hat. Für sie ist das ein klares Indiz dafür, dass die mit der Theorie betrauten Schulen und die für den praktischen Teil zuständigen Kontaktpolizisten allein überfordert sind. Dabei sollen alle Kinder sicher Radfahren können, damit das Fahrrad als umweltfreundliches Verkehrsmittel im Zuge der Verkehrswende noch mehr genutzt werde, betont sie.

Die steigende Zahl der Mädchen und Jungen, die Fahrradfahren gar nicht gelernt haben, nicht sicher fahren oder die Verkehrsregeln nicht gut genug kennen, beunruhigt auch den Innensenator. "Das wollen wir ändern: Verkehrswacht, Grundschulen und Polizei gemeinsam", erklärte Ulrich Mäurer und überbrachte als passionierte Rennradfahrer auch die Botschaft: "Helm, Helm, niemals ohne Helm!" Bei seiner Stippvisite dankte er allen Beteiligten und Sponsoren, dass über "Aber sicher" zum zweiten Mal ein Fahrradintensivtraining für Grundschulkinder in Gröpelingen, Huchting, Sebaldsbrück, Bremen-Nord sowie an zwei Bremerhavener Grundschulen angeboten werden kann.

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Die Ursachen dafür, dass Kinder im Elternhaus diese elementare Fähigkeit nicht mehr selbstverständlich lernen, sind vielfältig: Die Experten nennen unter anderem die zunehmende Bewegungsfaulheit der Kids oder Berufstätigkeit von Eltern. Besonders in Quartieren, in denen Radfahren nicht zur Ursprungskultur der Familien gehört, zeige sich der Negativtrend. "Viele Eltern können es den Kindern gar nicht mehr vermitteln", sagt Arbeitskreismitglied Wiebke Weltring aus dem Umwelt- und Mobilitätsressort und spricht Defizite in der Grobmotorik und Koordination der Acht- bis Elfjährigen an. "Oder sie kennen die Verkehrsregeln nicht", ergänzt Polizeivertreter Sascha Sanders.

Koordination und Wahrnehmung des Umfelds

Die etwa 30 Gröpelinger Dritt- und Viertklässler, von denen 75 Prozent ein Fahrrad mitgebracht hatten, wurden beim Training nach Könnensstufe in Kleingruppen eingeteilt. Unter den Grundschulkindern sind laut Wolfgang Dietze zwei, die noch nie auf einem Rad gesessen haben. "Ein Mädchen kann es jetzt am dritten Tag schon gut", bilanziert der Lehrer, der im Ruhestand für die Verkehrswacht freiwillig den Fahrradparcours an Grundschulen betreut, und prognostiziert, dass die Schülerin die praktische Prüfung bestehen wird.

Während der Schwerpunkt der Übungen in der Anfängergruppe auf dem Gleichgewichthalten liegt, sind die Fortgeschrittenen auch in der Koordination und Wahrnehmung ihres Umfelds stärker gefordert, erleben via Verkehrssimulator ihren Bremsweg oder müssen sich zum Beispiel im Fahren gegenseitig Chiffontücher übergeben und sich einen auf einem Stab platzierten Tennisball schnappen, um einen Dosenstapel abzuräumen. Bei den Utensilien setzt Verena Nölle bewusst auf einfache Dinge, die in Schulen oder Elternhäusern vorhanden sind, damit Lehrer und Eltern weiter mit den Kindern üben können.

Info

Der Arbeitskreis „Aber sicher! – gemeinsam für ein verkehrssicheres Bremen“ ist 2021 gegründet worden, um Lehrkräfte und Eltern im Land Bremen zu unterstützen, damit der Schulweg für Kinder noch sicherer wird. Das Infoportal für Verkehrserziehung & Verkehrsprävention ist online unter https://aber-sicher-bremen.de zu finden.

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