Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Neuartiger Betreuungsdienst Hilfe für Senioren im Alltag

Oliver Wehner hat einen für Bremen neuartigen Betreuungsdienst gegründet, mit dem er Senioren Hilfe im Alltag anbietet. Der Bedarf ist groß und die Nachfrage hoch.
13.07.2023, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Hilfe für Senioren im Alltag
Von Christian Hasemann

Die Gesellschaft altert. Und das ist unausweichlich, eine statistische Tatsache. Mehr Menschen in Bremen werden deswegen in der Zukunft Pflege und Hilfe im täglichen Leben benötigen. Bei vielen würde schon Unterstützung im Haushalt viel dazu beitragen, dass sie länger in vertrauter Umgebung leben könnten. An dieser Stelle setzt Oliver Wehner an, der nicht nur einen Betreuungsdienst gegründet hat, sondern im Wurst-Case, dem ehemaligen Verwaltungsgebäude der Könecke Fleischwarenfabrik in Hemelingen, auch Musik macht.

Wehner ist in Leipzig geboren und aufgewachsen, hat dort eine Lehre in der Altenpflege abgeschlossen. "Ich habe in allen Bereichen der Altenpflege gearbeitet", erklärt er. Wehner weiß also von den guten, aber auch schlechten Seiten bei der Versorgung von Seniorinnen und Senioren. Dabei habe er festgestellt, dass er sich mit der Konzeption von Pflege nicht abfinden könne. In Bremen ergänzte er seine Ausbildung deswegen durch ein Studium des Pflege- und Gesundheitsmanagements. Ein Schritt für ihn, um anders im Bereich der Altenpflege arbeiten zu können.

Was macht der Betreuungsdienst?

Wehner will unterstützen, will helfen. Der von ihm gegründete Betreuungsdienst spiegelt das im Namen wider: Helper (Englisch für Helfer). Nach seinen Angaben ist es der erste Dienst dieser Art in Bremen. "Im Gegensatz zu ambulanten Diensten übernehmen wir keine medizinischen und pflegerischen Aufgaben", grenzt Wehner seinen Betreuungsdienst ab. "Wir unterstützen Menschen mit einem niedrigen Pflegegrad", umreißt er die Tätigkeiten. "Hol- und Bringdienste, Einkaufen, Begleitung zu Freizeitaktivitäten", zählt er weiter auf. "Die typische Kundin kann eigentlich noch alles selbst, aber Kisten schleppen, Betten beziehen, Gardinen abhängen, das klappt vielleicht nicht mehr." Offenbar hat er damit einen Bedarf entdeckt, der so noch nicht gedeckt wurde in Bremen.

"Wir haben ein bisschen in ein Wespennest gestochen, das sind Leistungen, die Pflegedienste eher nicht anbieten", sagt Wehner im Helper-Büro in der Bremer Neustadt, wo ein Aufsteller vor der Tür um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirbt.

Dort sichtbar ist auch eine andere Leidenschaft, die Wehner antreibt: Musik. Plattenspieler, ein Regal mit Vinylscheiben, Boxen an der Wand. Mit anderen Musikern hat Wehner das Independent-Musiklabel Am Apparat gegründet, das ein Tonstudio im Wurst-Case in Hemelingen betreibt. Auch in der Neustadt bastelt Wehner Hip- Hop-Beats und Tracks – wenn ihn der Aufbau seines Betreuungsdienstes dafür Zeit lässt.

Wie groß ist der Dienst?

Inzwischen ist Wehners Unternehmen auf 13 Beschäftigte angewachsen und hat nach seinen Angaben annähernd 300 Kundinnen und Kunden. Und das Potenzial möglicher Kunden ist noch längst nicht ausgeschöpft. Wehner schätzt, dass 70 Prozent der Menschen, die Anspruch auf Unterstützung hätten, diese nicht über ihre Krankenkassen in Anspruch nehmen.

Wer übernimmt die Kosten?

Die Kosten für den Einsatz des Betreuungsdienstes übernehmen die Krankenkassen. Möglich macht dies das 2017 in Kraft getretene zweite Pflegestärkungsgesetz. In Paragraf 45b des 11. Sozialgesetzbuches wird der Anspruch der Pflegebedürftigen auf zusätzliche Betreuungs- sowie Entlastungsleistungen geregelt. Er gilt für alle Pflegebedürftigen mit dem Pflegegrad eins bis fünf. Demnach können Pflegebedürftige, die in häuslicher Pflege sind, einen Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro pro Monat geltend machen. "Das sind eher Kleinbeträge, die für Pflegedienste eher nicht attraktiv sind", sagt Wehner.

Wie entsteht der Kontakt?

Der Kontakt zu Interessierten entstehe häufig über die Krankenkassen, wo Betroffene sich nach Hilfsleistungen erkundigten, sagt Wehner. Danach folge die telefonische Kontaktaufnahme. "Da schaffen wir viel Vertrauen am Telefon und stellen uns sehr offen dar." Beim Erstbesuch würden sich die Mitarbeiter mit Unterlagen ausweisen. "Und der erste Termin ist nur zum Kennenlernen, wo Kunden ausloten sollen, ob es menschlich überhaupt passt." Sollte es passen, werde eine Servicevereinbarung aufgelegt. Betreuungstermine würden nicht unter zwei Stunden dauern. "Und die Mitarbeiter kommen in der Regel aus demselben Stadtviertel", sagt Wehner.

Wie sind die Mitarbeiter ausgebildet?

Die Mitarbeiter müssen eine Qualifizierung als Alltagsbegleiter und Betreuungskraft, ausreichende Deutschkenntnisse sowie ein Führungszeugnis nachweisen. Weil die Nachfrage so hoch ist, startet Wehner im Juli ein Ausbildungsangebot. In 32 Stunden in Vollzeit können sich Interessierte qualifizieren. "Wir haben eine enorme Nachfrage", sagt Wehner. Das Angebot richtet sich an alle Anbieter, die haushaltsnahe Dienstleistungen erbringen oder Menschen, die in dem Bereich arbeiten wollen.

Was das große Plus der Arbeit ist? Für Wehner ist es der Sinn, der die Arbeit in der Betreuung von Senioren macht. "Aber ich möchte auch transportieren, dass es bei den ganzen negativen Seiten der Pflege auch anders geht."

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)