Erst brüllten die Kettensägen, dann regnete es Sägespäne und kurz darauf fielen die ersten Äste und dann die Bäume: Am Montagmorgen haben Arbeiter in der Stresemannstraße zahlreiche Bäume gefällt. Die Rodungen sind für den Bau der Querspange Ost nötig, der geplanten Straßenbahnverbindung zwischen der Vahr und dem Viertel.
Noch am Montag versammelten sich entsetzte Anwohner und machten Bilder, drehten Videos. Der Schreck sitzt auch bei Alexandra Dörnath tief. Die Tierärztin, deren Praxis in der Bennigsenstraße liegt, durch die die Trasse ebenfalls laufen wird, hatte sich als eine der ersten aufgemacht, um gegen die Trasse zu protestieren. Von ihrer Praxis aus sieht sie auf die Bennigsenstraße, in der die größten Bäume wachsen, die für den Bau gefällt werden müssen. In der nächsten Woche soll es auch dort heißen: "Baum fällt!"
Widerstand angekündigt
"Ich finde es furchtbar", sagt die Anwohnerin. "Im ersten Moment habe ich geweint und dann bin ich wütend geworden." Wut und Trauer sind aus ihrer Stimme auch einen Tag später noch rauszuhören. "Nach Gutsherrenart regieren" ist ein Satz, der fällt. "Was mich ärgert, ist, dass man die Planungen nicht ändert. Inzwischen wissen wir viel mehr über den Nutzen von Bäumen in den Städten", erinnert sie daran, dass der zugrunde liegende Verkehrsentwicklungsplan schon Jahre alt ist. "Gerade die großen Bäume in der Bennigsenstraße sind Schattenspender und regelrechte Klimaanlagen." Dörnath fragt: "Soll es dann hier aussehen wie in Lilienthal mit Beton und Betonpfählen?". Sie spielt damit auf den Ausbau der Linie 4 an. Dörnath befürchtet, dass es heiß werden wird in der Bennigsenstraße.
Trotz der laufenden Arbeiten möchte sie nicht aufgeben. Weiterer Protest sei geplant, sagt sie. "Wir sind vernetzt und vielleicht organisieren wir noch eine Menschenkette." Zwar rette das die Bäume nur ein paar Minuten. "Aber es geht auch darum, ein Beispiel zu setzen für andere Stadtteile, sich gegen so etwas zu wehren."
Naturschützer enttäuscht von Planung
"Wir halten den Umfang der Baumfällungen für nicht erforderlich", sagt Martin Rode, Geschäftsführer des Naturschutzvereins BUND. "Man hatte im Ressort nicht den Mut, die Fahrbahnbreiten einzuschränken." Will heißen: Zumindest in der Stresemannstraße hätten die Bäume erhalten werden können, wenn die Straßenfahrbahnen schmaler geplant worden wären oder eine Spur ganz entfallen wäre. Letztendlich werde immer noch zu viel Raum dem rollenden und stehenden (Auto)Verkehr eingeräumt, so Rode. "So wird es immer zu Verlust von Grün- oder auch Fußwegflächen kommen." Es müsse darum gehen, dass der Raum für den Straßenverkehr verringert werde.
Auch Rode spricht von einer Kühlfunktion der Bäume in der Bennigsenstraße. "Das Argument ist absolut richtig und es ist mit einer klaren Verschlechterung vor Ort zu rechnen." Für zukünftige Projekte fordert er, dass den Grünflächen mehr Bedeutung beigemessen werden müsse, als es in der Stresemann- und Bennigsenstraße der Fall gewesen sei.
Kritik aus Hemelingen
Marco Lübke, CDU-Bürgerschaftsabgeordneter aus Hemelingen, ist von dem Tempo überrascht worden. "Was mich ärgert, ist, dass 180 Bäume gerodet werden", sagt er. Denn: "Der Bau der Querspange bedeutet eine massive Verschlechterung für Hemelingen." Es handele sich nicht um einen Aus-, sondern einen Umbau des Nahverkehrs in Bremen. Tatsächlich wird nach dem Bau eine Straßenbahnlinie weniger nach Sebaldsbrück fahren, denn diese biegt künftig ab der Bennigsenstraße Richtung Vahr und Osterholz ab.
Ausdrücklich betont Lübke, dass er diese Meinung als Mitglied der CDU-Hemelingen vertritt. Tatsächlich hatte auch die CDU-Fraktion dem Verkehrsentwicklungsplan, in dem die Verbindung verankert worden war, zugestimmt. Die Querspange sei aus seiner Sicht dennoch eine verkehrspolitische und umweltpolitische Katastrophe. "Wenn wir in Regierungsverantwortung wären und würden für ein solches Projekt so viele Bäume fällen, würden wir wohl politisch gelyncht werden." Offensichtlich sei dies bei einer grünen Umweltsenatorin, gemeint ist Maike Schaefer (Grüne), nicht der Fall.
Ein notwendiges Übel?
Ralph Saxe, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, ist am Montag ebenfalls durch die Stresemannstraße gekommen. "Das tut schon weh, wenn man da lang fährt", sagt er zu den Fällarbeiten. "Aber wir müssen für die Verkehrs- und Klimawende den Nahverkehr ausbauen." Der Bau der Querspange sei eine bedeutsame Verbesserung und ein Anreiz, vom Auto auf den Nahverkehr umzusteigen. "Wir sparen Millionen Autokilometer und damit Kohlenstoffdioxid ein."
Er glaube daher, dass im Ergebnis die Querspange nicht nur einen verkehrspolitischen Nutzen habe, sondern auch ein ökologischer Gewinn sei. "Das ist ökologisch und verkehrspolitisch sinnvoll", ist er überzeugt. "Das gerade Betroffene vor Ort diese Auffassung nicht teilen, ist ja klar."
Alternativen zum Umsteigen auf den Nahverkehr wie günstige Tickets oder kostenloser Nahverkehr seien zwar durchaus sinnvoll, "wichtiger für die Verkehrswende ist aber der Netz- und Taktausbau". Günstige Tickets alleine seien noch kein Umsteigegrund vom Auto in die Bahn. Zur zunächst schlechteren Anbindung von Sebaldsbrück sagt Saxe: "Wir wollen die Verbindungen in Hemelingen ausbauen." Konkret nennt er die Idee, die Straßenbahnendstation Weserwehr mit der Haltestelle an der Malerstraße zu verbinden.