Grundschüler und ihre Eltern warten gespannt. Wenn der Brief der Bildungsbehörde ankommt, zeigt sich, an welcher weiterführenden Schule es einen Platz gibt. Seit dem 15. März ist die ersehnte Post unterwegs zu den Familien. In 96 Prozent der Fälle konnte für das Schuljahr 2019/2020 dabei einer der drei abgegebenen Wünsche der Familien erfüllt werden.
Das entspricht, leicht verbessert, dem Niveau aus dem Vorjahr. In 87,8 Prozent – und damit etwas weniger als vor einem Jahr (89,1 Prozent) – klappte es sogar mit dem Erstwunsch: bei 3280 der insgesamt 3737 Kinder. Dennoch gibt es auch 151 Kinder, die nach dem Losverfahren bisher keinen Platz an einer Wunschschule bekommen haben, weshalb ihre Eltern nun mit der Behörde eine Lösung finden müssen.
Für die Familien ist die Frage, wo die angehenden Fünftklässler nach den Sommerferien zur Schule gehen werden, sehr wichtig. Die Post von der Behörde erscheint Familien darum manchmal als regelrechte Hiobsbotschaft, wenn keiner der Wünsche in Erfüllung geht. Das war nach Angaben von Annette Kemp, Sprecherin von Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD), erneut besonders oft der Fall, wenn alle drei Wünsche auf Gymnasien in der Innenstadt abzielten. Dort ist der Andrang besonders groß (siehe Karte): Alle Gymnasien, bis auf das Alte Gymnasium, mussten Bewerber ablehnen.
Unzufriedene Eltern gibt es mehrere. Ganz konkret liegt der Behörde bereits ein Widerspruch vor. Dabei dürfte es nicht bleiben. „Es gibt auch in diesem Jahr Los-Verlierer, die sehr frustriert und verzweifelt sind“, sagt Walli Müller, Initiatorin der Elterninitiative für eine faire Schulwahl. Sie weiß von Müttern und Vätern, die den Schulplatz nicht hinnehmen wollen.
Eine Art Selbsthilfegruppe
In der vergangenen Woche seien 30 Eltern zu ihrer Beratung gekommen, weil es mit den Wunschschulen nicht geklappt habe. Es gebe Verärgerung über den Ausgang des Schulanwahlverfahrens. Am Freitag schrieb Müller eine Mutter: „Was uns gerade zu schaffen macht, ist, dass das Kind nach Eingang des Briefes verkündet hat, nicht mehr in die Schule zu gehen.“
Müller hat die Elterninitiative vor sieben Jahren gegründet. Im Prinzip könne sie gar nichts machen, außer die Eltern zu beraten und genau zu erklären, wie das Verfahren laufe. Das Angebot sei in diesem Sinne eine Art Selbsthilfegruppe, um die Eltern zu unterstützen und ihnen zuzuhören. Die Schulplatzvergabe in Bremen sieht Müller problematisch, da es meist nur eine Chance gebe, Glück zu haben, da die Plätze nicht für alle reichten und die zweite oder dritte Wahl darum kaum noch eine Rolle spiele.

Die Bildungssenatorin ist dagegen zufrieden mit der diesjährigen Vergabe der Wunschplätze: "Der Wert ist ganz gut, und wenn ich die Werte der vergangenen Jahre betrachte, sehr stabil." Sie kenne bisher kein besseres System, in anderen Bundesländern müssten sich Kinder in Schulen Vorstellungsgesprächen und dem sofortigen Urteil stellen. „Das wollen wir keinesfalls", betont Bogedan.
Insgesamt 136 Plätze mehr bereitzustellen als es Schüler gibt, sieht Martin Stoevesandt vom Zentralelternbeirat (ZEB) hingegen kritisch. „Eine Schulplatzquote von 103,6 Prozent ist dramatisch zu wenig und ein Rückschritt im Vergleich zum vergangenen Jahr, obwohl im laufenden Verfahren bereits Containerklassen dazu gegeben wurden.“ Die Zahl von 87,8 Prozent der Schüler, deren Erstwunsch erfüllt werden konnte, sei nur die halbe Wahrheit. „Das wirkliche Problem ist, dass wir ein System haben, das zu sehr auf Kante genäht ist und Schüler am Ende zwangsversetzt werden“, sagt Stoevesandt, der beim ZEB für den Bereich Grundschulen zuständig ist. Sein Verband fordere seit Jahren eine Kapazität von 108 bis 110 Prozent.
Zusätzliche Klasse am Kippenberg-Gymnasium
Viele Gymnasien nähmen schon jetzt mehr Schüler auf, als sie eigentlich in ihren Klassenräumen unterbringen könnten. Als Beispiel nennt Stoevesandt das Kippenberg-Gymnasium in Schwachhausen. 209 Schüler schrieben diese Schule ganz oben auf ihren Wahlzettel. Lediglich 180 Plätze waren allerdings in der Vergabe. Ohne die Zweit- und Drittwünsche zu berücksichtigen, wurden somit allein 29 Schüler abgelehnt.
Müller weiß, dass am Kippenberg bereits reagiert wurde und es eine zusätzliche Gymnasialklasse gebe. "Das begrüßen wir natürlich." Man müsse feststellen, dass der Run auf die Gymnasien noch mal zugenommen habe. "Das Konzept Oberschule überzeugt aus irgendwelchen Gründen nicht so, dass es entsprechend ausstrahlt." Problematisch sei es in jedem Fall, den Eltern etwas aufzuzwingen.
Den größten Überhang gab es in diesem Jahr an der Gesamtschule Ost, der Gesamtschule West (GSW) und der Oberschule Lerchenstraße. So gingen allein für die 60 Plätze an der GSW mehr als doppelt so viele Erstwünsche ein. Auch die Oberschule Leibnizplatz und das Hermann-Böse-Gymnasium wollten sehr viel mehr Schüler besuchen, als es die vorgegebene Klassenzahl erlaubt hat.
„Der Druck wird sich in den kommenden Jahren eher noch erhöhen“, sagt Stoevesandt. Schließlich reichten die Kapazitäten von Kindergärten und Grundschulen schon heute nicht aus. Und: Dieses Problem werde sich erst in den nächsten drei bis vier Jahren an den weiterführenden Schulen fortsetzen. „Behörde, Politik und Immobilien Bremen müssten gemeinsam eine Lösung finden, um ausreichend Raum an den Schulen zu schaffen."
"Das ist ein denkbar schlechter psychologischer Start"
Dass die Auslastung der Schulen so eng ausfällt, hält Stoevesandt für sehr bedenklich. Die Zahl von 151 Schülern, die nicht auf die favorisierte Schule wechseln könnten, sei viel zu hoch. In jedem Stadtteil gebe es deswegen „Resteschulen“, die Schüler gegen ihren Willen besuchen müssten. „Das ist ein denkbar schlechter psychologischer Start.“ Deswegen sei es Aufgabe der Politik und der Behörde, diese Schulen attraktiver zu machen. Dem widerspricht Senatorin Bogedan: „Wir haben großartige Schulen in Bremen, gut und nicht so gut angewählt.“ Falsch sei es, die Anmeldezahlen als Gradmesser für die Qualität von Schulen heranzuziehen.
Insgesamt 535 Schulplätze, 20 mehr als im Vorjahr, sind für das neue Schuljahr in den Stadtgebieten für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf vorgesehen. 440 Plätze gibt es für den Bereich Lernen, Sprache und Verhalten und 95 Plätze für den Bereich Wahrnehmung und Entwicklung.
Für alle Schülerinnen und Schüler, die bisher leer ausgegangen sind, gilt es nun, einen der Restplätze auszusuchen.