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Austellung in der Villa Ichon Das Leben in Schutt und Asche

Die Fotos zeigen Not und Elend der Syrer, aber auch das Leben, das sich unter Krieg, Schutt und Asche nicht begraben lässt: In der Villa Ichon treffen Besucher einer Ausstellung auf eine Welt der Kontraste.
01.10.2022, 07:00 Uhr
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Von Jörn Hildebrandt

Traurige und skeptische Kinderaugen, aus denen Sehnsucht spricht, richten ihren Blick aus dem Zelt nach draußen. Doch da sind nur sandgelbe Wüste und das Auffanglager – wenig Anlass zur Hoffnung. Aber manche Fotografien zeigen auch lachende und scherzende Kinder, die im Wasser planschen oder auf ihren aufblasbaren Plastiktieren reiten. Oder es sind freudige Eltern zu sehen, die das knappe Gut Wasser nutzen, um zwei Babys zu baden. In der Fotoausstellung „Gesichter – 11 Jahre Syrien“ in der Villa Ichon treffen Besucher auf eine Welt der Kontraste, in der unter Elend und Leid auch die Freude am Leben aufscheint. Auf zwei Etagen werden Menschen in Syrien und in benachbarten Ländern gezeigt, wo sie in Flüchtlingslagern untergebracht sind.

Seit elf Jahren Krieg

„Die Fotografen wollten dokumentarisch darstellen, wie die Menschen in einem Land leben, in denen seit elf Jahren Krieg herrscht“, sagt Jasmina Heritani, Vorsitzende des Syrischen Exil-Kulturvereins (Seku), der die Ausstellung gemeinsam mit dem Fotografen und Kameramann Hanna Ward entwickelt hat. Seit elf Jahren Krieg leben viele Syrer unter schwierigsten Bedingungen. Allein in der Türkei waren es im Jahre 2021 vier Millionen Mernschen, die in Auffanglagern untergebracht sind.

Doch auch im eigenen Land finden viele Syrer keine Ruhe: „Syrien ist nicht nur ein Land, aus dem viele Menschen fliehen oder geflohen sind, sondern auch eines, in dem sich zahlreiche Leute ständig von Ort zu Ort bewegen, weil sie nirgendwo sicher sind“, sagt Jasmina Heritani.

Momente der Freude

Die syrische Fotografin Wiam Baderkhan und ihr Kollege Mohamad Altaleb, die Bilder ausstellen, seien durch die Umstände im kriegsverwüsteten Land dazu gekommen, zu fotografieren, so Jasmina Heritani. Wiam Baderkhan ist eigentlich Lyrikerin, die sich auch in Flüchtlingscamps engagiert, um – so ihre Motivation – den Menschen Momente der Freude und des Vergessens zu ermöglichen. Mohamad Altaleb sieht seine Aufgabe als Fotograf darin, einem Publikum im Ausland die Menschen in Syrien näher zu bringen.

Leider werde Syrien aufgrund aktuell anderer Konfliktherde in der breiten Öffentlichkeit kaum noch wahrgenommen, bedauert Jasmina Heritani. Besonders groß sei die Not unter Kindern: „Etwa zweieinhalb Millionen unter ihnen erhalten keine Schulbildung“, sagt Heritani. So wachse eine Generation heran, die nicht lesen und schreiben kann.

Schmerzende Aufnahmen

Fotografien zeigen Kinder, deren Anblick schmerzt – wenn zum Beispiel ein Junge ein halbes Bein verloren hat und sich auf Krücken vorwärts bewegt. Detailaufnahmen stehen symbolisch für Entbehrungen: Geöffnete Hände fangen Wassertropfen aus einem Hahn auf, Daumen und Zeigefinger halten ein einzelnes Samenkorn als Zeichen der Hoffnung. Ein Bild auf einer Häuserwand zeigt ein Schachbrettmuster, das bis zum Horizont läuft und auf dem sich ein Flüchtling bewegt. „Will back“ steht neben dem Wandbild.

Zurück blieben auch solche Menschen, die zu arm sind, um sich die Flucht leisten zu können.
Jasmina Heritani, Seku-Vorsitzende

Aus ihrem Heimatland sind nach Angaben des Mediendienstes Integration vor allem jüngere Menschen geflohen mit einem Durchschnittsalter von etwa 24 Jahren. Und mehr als die Hälfte aller Syrer, die im Jahre 2019 Asylanträge gestellt haben, waren Frauen. „Zurück blieben viele ältere Menschen, die ihre Heimat nicht verlassen wollen und solche, die zu arm sind, um sich die Flucht leisten zu können“, sagt Jasmina Heritani.

Abgebildete Gegenstände auf den Fotografien lassen die materielle Not erahnen: ein großer, alter Kochtopf neben einer Abfalltonne oder staubige Decken am Boden vor einem notdürftig errichteten Zelt, Säcke, in denen Kinder Papierfetzen gesammelt haben. „Die Ausstellung soll auch dazu dienen, die Menschen in einem Land, das in Schutt und Asche liegt, nicht zu vergessen“, sagt Heritani, „und auch, dass sie weiterhin auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.“

Verein Seku setzt sich für Syrer ein

Unter den rund 100 migrantischen Organisationen in Bremen, die Zugewanderte beim Einleben unterstützen, nimmt sich der Syrische Exil-Kulturverein der Syrerinnen und Syrer an. Den kulturellen Austausch und friedlichen Dialog zwischen Menschen zu fördern, sowie die syrische Kultur auch im Exil zu erhalten und weiterzuentwickeln, das hat sich Seku zum Ziel gesetzt. Der Verein hilft zum Beispiel bei der Integration in den Arbeitsmarkt, unterstützt Frauen beim Erlernen der deutschen Sprache und vermittelt kulturelle Bildung. Er bietet auch eine deutsch-arabische Kinderbetreuung an, betreibt ein Elterncafé oder gibt Jugendlichen Nachhilfe in Deutsch.

Info

Die Ausstellung „Gesichter – elf Jahre Syrien“ ist bis Sonnabend, 5. November, in der Villa Ichon, Goetheplatz 4, zu sehen. Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag, 11 bis 13 Uhr, und Dienstag bis Sonnabend, 15 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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