Eigentlich haben sie ja die Pandemie bisher ganz gut überstanden: Bis auf eine haben alle Gruppen überlebt, die Raummieten wurden weiter gezahlt, die gesunkene Mitgliederzahl weist wieder einen Trend nach oben auf. Und dennoch hat Corona dem Kulturzentrum Buntentor, kurz Kunz, eine Sache gehörig verhagelt: die Feier des runden Geburtstages. Der wäre vor zwei Jahren gewesen. 2020 wurde das selbstverwaltete Bürgerhaus an der Sedanstraße 40 Jahre alt.
Der pragmatische Umgang mit dem ausgefallenen Jahrestag kennzeichnet aber irgendwie die vergangenen vier Jahrzehnte: Ende September wurde kurzerhand unter der Überschrift "40 + 2" nachgefeiert. "Da haben wir ja auch schon ganz andere Stürme überstanden", sagt der erste Vorsitzende des Kunz-Trägervereins, Hartmut Sporleder. Unter anderem den, von einem auf den anderen Tag von quasi "Vollförderung" auf "keine Förderung" runtergefallen zu sein, erinnert sich Sporleder. Mitte der 90er-Jahre sei das gewesen – und hart. "Wir hatten damals noch eine feste Kraft eingestellt, und pro Woche tummelten sich an die 200 Kinder bei uns", so der Vereinsvorsitzende. Als die öffentlichen Gelder ausblieben, musste sich das Kunz – wie noch häufiger in den folgenden Jahren – neu erfinden.
Ein steter Kampf ums Überleben
Waren die Räume an der Sedanstraße bis dahin gratis zu nutzen, musste nun eine Raummiete erhoben werden. Die Getränkepreise bei Veranstaltungen im Kunz wurden angehoben, die angestellte Mitarbeiterin musste gehen. Verwaltungsaufgaben schulterten die Vereinsmitglieder fortan ehrenamtlich – bis heute."Es hat sich eben so getragen, sodass es für Miete, Nebenkosten und Instandsetzung reichte", fasst Sporleder zusammen. Doch es sei ein steter Kampf gewesen.
Irgendwann aber sei kein Geld mehr da gewesen. "Zum Glück kamen wir dann in die sogenannte Fehlbedarfsförderung", sagt Sporleder. "Sonst hätten wir zumachen müssen." 30.000 bis 35.000 Jahr bekommt der Kunz seitdem pro Jahr an öffentlichen Mitteln, den Rest müsse man selber erwirtschaften.
Neuer Schwung aus den Gruppen
Zwischendurch war es ruhig ums Kunz geworden. Viele Jahre habe man sich darauf beschränkt, den Status quo irgendwie zu halten, ging selten mit eigenen Veranstaltungen in die Öffentlichkeit, erinnert sich Hartmut Sporleder weiter. Seit 2015 aber sei man wieder aktiver. Das liegt nach den Worten des Vorsitzenden vor allem an "sehr motivierten und versierten Leuten aus den Gruppen", die sich mehr einbrachten und nach wie vor einbringen. Unter anderem mischt Reinhard Lippelt ganz aktiv mit, der bis 2016 beim unweit gelegenen Schnürschuh-Theater war. Lippelt hat 2019 "Kunz Olala" auf den Weg gebracht, eine neue Veranstaltungsreihe, die das Haus wieder mehr zum Stadtteil öffnen sollte. Das scheint gelungen: "Meistens ist der Laden voll", schildert Sporleder und freut sich zusammen mit seinem Vereinskollegen Dieter König, dass das Konzept, so mehr und auch neue Leute in die Sedanstraße zu locken, aufgeht.
Resultat einer Schneeräumaktion
Das war vor 42 Jahren noch anders, da ging der Blick vor allem in die direkte Nachbarschaft. Die Gründung des Kulturzentrums fiel genau genommen buchstäblich vom Himmel. Sie geht zurück auf eine nachbarschaftliche Räumaktion im Schneewinter '79. "Die Sedanstraße war zugeschneit, die Müllabfuhr kam nicht mehr durch", schildert Hartmut Sporleder. Hans Hurrelmann, bremenweit bekannt als "Aalonkel" und im Buntentor zuhause, nahm damals nicht nur die Schneeschaufel, sondern auch das Heft in die Hand: Irgendwann wurde zwischen Glühwein und wärmendem Rum die Idee eines Straßenfestes geboren – Keimzelle des Kunz. Während dieses Festes wurde kurzerhand beschlossen, die gerade leer stehenden Räume einer methodistischen Gemeinde in der Sedanstraße 12-14 anzumieten und damit das "Kultur- und Nachbarschaftszentrum" aus der Taufe zu heben. "Hurrelmann war in Bremen gut vernetzt", erinnert sich Sporleder. Ein großer Vorteil für das junge Projekt: "Er kannte alle wichtigen Personen, so kam es letztlich, dass wir gefördert wurden."
Auch inhaltlich veränderte sich die Arbeit in der Sedanstraße im Laufe der Jahrzehnte. War die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus dem Quartier zu Beginn noch ein Schwerpunkt, so trat mit dem Wegbrechen personeller Ressourcen insbesondere an dieser Stelle ein Wandel ein. Den Kunz-Kern machen heute die 30 bis 35 Gruppen aus, die die Räume regelmäßig als Probenort, als Treffpunkt oder als Domizil nutzen: diverse Chöre, Gesangsgruppen und Musikensembles etwa, die Musikschule, Malgruppen oder das Figurentheater Mensch Puppe. Von Anfang an dabei sind unter anderem die Volkstanzgruppe oder die Klönschnacker, die sich einmal in der Woche zum Austausch treffen. Auf 18.000 bis 19.000 Besucherinnen und Besucher pro Jahr komme man so, sagt Hartmut Sporleder.
"Räumlich sind wir gut ausgelastet, und auch sonst stoßen wir an unsere Grenzen. Wir haben zum Beispiel keine Lagerkapazität für Musikinstrumente und sind ja auch nicht barrierefrei", sagt Dieter König, wenn man ihn nach den Zukunftsplänen des Kunz fragt. "Was wir im Augenblick hier haben, ist sehr zufriedenstellend. Mehr können wir auch gar nicht leisten", ergänzt Hartmut Sporleder.