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SOS-Kinderdorfzentrum Offener Treffpunkt für Familien feiert zehnjähriges Bestehen

„Wir sind ein Ort, wo Familien im Mittelpunkt stehen“, sagt Sylvia Schikker vom SOS-Kinderdorf-Zentrum. Seit zehn Jahren gibt es den offenen Treffpunkt mit Beratungsangebot in der Bremer Neustadt.
28.06.2021, 05:00 Uhr
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Von Helke Diers

Am 1. Juli 2011 öffneten sich die Türen zum ersten Mal für Kinder, Eltern und Angehörige. Im Jahr nach der Gründung kamen Öffentlichkeitsarbeiterin Sylvia Schikker und ihre Kollegin Monika Lysik dazu. Was ein Familienzentrum ist, wussten am Anfang nämlich nicht alle Gäste.

Nach der Eröffnung des Zentrums gab es ein häufiges Missverständnis. „Am Anfang sind Leute hereingekommen, ganz vorsichtig, und haben gefragt: ‚Wo leben denn jetzt hier die Kinder?‘. Weil sie gedacht haben, es ist ein klassisches Kinderdorf“, erinnert sich Schikker. Die Idee eines Familienzentrums sei zunächst nicht so bekannt gewesen.

SOS-Kinderdorfzentrum ist kein Kinderdorf

„Es hat etwas gedauert, bis allen klar war: Das ist ein Familientreffpunkt, hier kann wirklich jeder herkommen.“ Die anderen Angebote des SOS-Kinderdorfvereins – wie betreutes Wohnen – finden größtenteils nicht in den Räumen in der Friedrich-Ebert-Straße statt, erklärt sie.

Im Erdgeschoss des Hauses an der Friedrich-Ebert-Straße, der ehemaligen Stadtteilbibliothek, befindet sich das Herzstück des Zentrums, wie Sylvia Schikker es formuliert. Sie selbst kennt das Gebäude noch als Bibliothek, in der sie als Kind Bücher ausgeliehen hat. Heute gibt es hier lange Tische, eine Spielecke für Kinder, einen Tresen für die Essensangebote und eine rote Sofaecke. In dem großzügigen Raum finden normalerweise werktäglich das offene Café und der Mittagstisch statt. Durchschnittlich siebzig Essen verlassen dann die Küche.

„Vor Corona“, sagt Schikker, wie es Menschen momentan oft ihren Erzählungen über Veranstaltungen und Gruppenangebote hinzufügen. Dann krabbeln Babys unter Tischen durch, während Eltern und Großeltern klönen. „Im Café kann man sich ganz ungezwungen aufhalten“, sagt sie.

Gleichzeitig gibt es Unterstützungsangebote für Familien: Beratung, eine Hebammen-Sprechstunde, Gesprächskreise, Eltern-Kind-Gruppen, Vorträge und Elternabende, erklärt Monika Lysik. Sie ist pädagogische Koordinatorin im Familienzentrum. Ganz speziell liege der Fokus auf Kindern bis sechs Jahre. Den Mitarbeitern geht es darum, jede Familie individuell zu sehen. „Wir wollen den Menschen an sich betrachten. Und gucken, wie wir genau dieser Person jetzt helfen“, fügt Schikker hinzu.

Die Angebote und Räume des Zentrums haben sich im Laufe der Jahre verändert. Gleich ist der wohlwollende Blick auf Kinder geblieben. Denn die dürfen im Kinderdorf-Zentrum sein, wie sie sind. „Hier stehen hundertprozentig Kinder im Fokus“, sagt Sozialpädagogin Lysik.

„Es ist klar, dass die Kinder nörgelig werden, weinen, krabbeln, überall hin müssen, Fragen stellen.“ Den Kindern solle Raum gegeben werden, die Welt zu begreifen. Es gehe um Akzeptanz und Willkommensein. Schikker sagt, manche Familien seien Stammgäste, manche Kinder im Zentrum groß geworden.

18.000 Besucher in 2019

Das Angebot sprach sich herum und mit den Jahren kamen immer mehr Familien. Gruppen seien manchmal geteilt und Türen für mehr Platz geöffnet worden, erinnert sich Lysik. An den steigenden Bedarf passte sich das Zentrum an.
„Wir sind mit der Entwicklung mitgegangen“, sagt sie. Ehrenamtliche kamen hinzu, die offenen Angebote wurden mehr. „Ich habe am Anfang noch im Service gearbeitet“, sagt Lysik, die heute vor allem koordinierend tätig ist. Im vorübergehend letzten Jahr mit normalem Programm, 2019, hätten die pädagogischen Angebote rund 18.000 Besucher angezogen, so Schikker.

Das Zentrum erweiterte auch seine Deutsch-Lern-Angebote: Mehr Sprachkurse, mehr Sprachcafés. Den Betrieb halten 13 Mitarbeitende mit Teilzeitstellen am Laufen, so Schikker. Hinzu kämen rund 70 Ehrenamtliche. Auch diese Zahl ist „Vor-Corona“.

Ehrenamtliche heißt die Gäste willkommen

Eine, die die Wiederaufnahme des Cafébetriebes nicht erwarten kann, ist Bärbel Lehmann. Sie ist seit fünf Jahren ehrenamtlich im Kinderzentrum aktiv. Die Rentnerin aus Habenhausen arbeitet montags im Café, normalerweise, als sogenannte Gastgeberin. „Wenn die Leute hereinkommen, frage ich sie, was sie suchen und möchten.“ Sie erklärt, zeigt, heißt willkommen, besorgt die eine oder andere Kleinigkeit. „Es macht mir wirklich viel Freunde und ich hoffe, dass es bald wieder losgeht“, sagt sie. Über eine zufällige Bekanntschaft mit Monika Lysik kam sie zum Zentrum – und blieb.

Seit Januar dieses Jahres gibt es eine Neuerung, die Familien mit geringen finanziellen Möglichkeiten entlasten soll. Mit der Kidoz-Karte kostet alles, was normalerweise im Zentrum bezahlt werden muss, höchstens ein Drittel des regulären Preises. Sei es Kuchen, gebrauchte Kinderkleidung oder einzelne Kinderangebote. Kinder bis zu sechs Jahren erhalten kostenlos Mittagessen.

Kidoz-Rabattkarte für Menschen mit geringem Einkommen

Die Karte kann im Kinderzentrum mit bestimmten Nachweisen kostenlos beantragt werden, erläutert Lysik. Schikker sagt über den rabattierten Einkauf im Secondhand-Laden Klamöttchen: „Wir merken, dass Menschen sich riesig freuen, wenn sie sich für sehr wenig Geld eigenständig und selbstbestimmt Sachen für ihre Kinder auswählen können.“

Die Einführung der Rabattkarte ist eine Reaktion auf die hohe Kinderarmut in Bremen. „Wir gucken, wie können wir uns weiterentwickeln und was ist für Familien wichtig“, sagt Schikker. „Das Thema Kinderarmut ist leider in Bremen ein ganz großes.“ Rund ein Drittel der Minderjährigen in Bremen lebt in einem Haushalt, der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II bezieht, wie aus Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht.

Sommerfest soll 2022 nachgeholt werden

Im SOS-Kinderdorf-Zentrum wurde in den vergangenen Monaten umgebaut. Der Bewegungsraum, der Kreativraum und der Secondhand-Laden wurden umgestaltet. Neu hinzugekommen ist eine Bücherkammer, wo Bücher gegen Spende mit nach Hause genommen werden können. Die Neugestaltung des Familiencafés solle in diesem Jahr folgen, so Schikker. Bis die neuen Räume bei einem rauschenden Fest besucht werden können, dauert es noch ein wenig. Das geplante große Sommerfest kann hoffentlich nächstes Jahr nachgeholt werden, wünscht man in der Friedrich-Ebert-Straße.

Zur Sache

Verein mit vielfältigen Aufgaben

Der deutsche SOS-Kinderdorfverein ist nach eigenen Angaben an 230 Standorten in der Bundesrepublik aktiv. Er wurde 1955 mit dem Ziel gegründet, Waisenkindern ein neues zu Hause zu geben. Knapp 10.000 Kinder sind in Deutschland seit 1955 in einer SOS-Kinderdorffamilie aufgewachsen. Heute handelt es sich meist um Kinder aus Familien, deren leibliche Eltern sich aus verschiedenen Gründen nicht um sie kümmern können, heißt es seitens des Vereines. Die Angebote reichen inzwischen von Kindertagesbetreuung, stationärem Wohnen über Frühförderung bis zu schulischen Hilfen. Weltweit gibt es laut Verein unter dem Dach von SOS-Kinderdorf international 116 weitere nationale SOS-Vereine.

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