In der Kirche werden Heiligenscheine aufgesetzt, Krönchen gerichtet, Flügel arrangiert. Das kann nur eines bedeuten: Das Christkind kommt. 40 Kinder aus Habenhausen sind gut darauf vorbereitet. Sie haben für den Nachmittagsgottesdienst am Heiligabend die biblische Weihnachtsgeschichte einstudiert. Allerdings nicht Wort für Wort, wie man sie aus der bald 2000 Jahre alten Vorlage kennt. Eher so, wie Kindern von heute die Schnäbelchen gewachsen sind.
Textsicher und souverän
Erzählerin Henrike setzt im Prolog den Ton: Mit den Worten „Im Himmel ist heute richtig etwas los!“ beginnt die Habenhauser Weihnachtsgeschichte. Die himmlische Schar auf der Empore spitzt die Ohren: „Ein Baby als König? Ich versteh' nur Bahnhof!“, wundert sich eins der beflügelten Engelchen über die Neuigkeit. Ganz ahnungslos vertieft in gärtnerisches Palaver sind dagegen noch die Hirten auf dem Feld. Derweil haben sich Maria und Josef zwischen den Bankreihen auf die Suche nach einer Unterkunft gemacht – begleitet von ihrem Esel, der ab und an auch einmal ein paar Wörtchen mitreden möchte. „Maria, lass dich nicht so stressen!“, beschwichtigt der kleine Josef mit dem wollenen Glockenhut die Gottesmutter im blauen Umhang. In Wirklichkeit scheint Leni, die die Hauptrolle der Maria spielt, kein bisschen nervös: Textsicher und souverän ist die Siebenjährige in ihrem Element.
Seit Mitte November proben die Kinder im Alter zwischen vier und 13 Jahren für die „Nacht der Nächte“. Die Vorfreude steigt von Woche zu Woche. Besonders freue sie sich darauf, dass an Heiligabend die ganze Familie in der Kirche sein werde, sagt Hanna und zählt auf: „Mama, Papa, Oma, Opa und mein großer Bruder.“ Sie werden die Siebenjährige in einen Engel verwandelt sehen. Warum sie sich die Rolle, die ohne Text auskommt, ausgesucht hat? „Ich kann noch nicht so gut lesen“, erklärt sie bescheiden. Auch für die beiden kleinen Schäfchen Leia und Mia, sieben und vier Jahre, kann Heiligabend sichtlich nicht schnell genug kommen: Aufgeregt hüpfen die Schwestern von einem Bein auf das andere. Ganz gelassen gibt sich dagegen Nora, die noch etwas Zeit für ihren Auftritt hat: „Die Kaninchen kommen erst am Ende“, erklärt sie. Am meisten Spaß machte es, als bei den Proben das Mikrofon zum Einsatz kam, erzählt die Siebenjährige, und die Augen leuchten.

Die Kinder der Evangelischen Gemeinde Arsten-Habenhausen spielen die Weihnachtsgeschichte wie sie seit mehr als 2000 Jahren überliefert wird - aber in der Sprache von heute.
Mit Engelsgeduld und vielen lobenden Worten führt Julia Winter ihre wuselige kleine Herde durch die Proben. Die junge Pastorin der Evangelischen Gemeinde Arsten-Habenhausen ist nicht nur Regisseurin und musikalische Leiterin des Krippenspiels, sondern auch Autorin der Habenhauser Fassung. Im Originaltext ist die Besetzung deutlich kleiner – so viele Engel, geschweige denn Kaninchen und Schafe, wird man in den Evangelien nicht finden. „Damit jedes Kind eine Rolle hat, mit der es glücklich ist“, so die Pastorin, wurde eine ganze Reihe zusätzlicher Figuren hinzugedichtet. Unterstützt wird sie bei den Proben von Sohn Levi, der mit seinen eineinhalb Jahren schon ganz gut auf den eigenen Beinchen steht und beim Dirigieren hilft, und von zwei Regieassistenten im Konfirmandenalter: von Lasse, der unter anderem spontan als Vertretungskönig einspringt, und von Thora, die gerade einem kleinen Hirten hilft, den Umhang zuzuknöpfen. Beim Zuschauen werden Erinnerungen an die eigene Kindheit wach, sagt Thora: „Ich war auch mal ein Schaf“, erzählt die 13-Jährige und lacht.
Weihnachten wird es eng
Die evangelische Gemeinde Arsten-Habenhausen hat rund 5000 Mitglieder und eine sehr junge Kirche. Am dritten Advent jährte sich der Tag der Einweihung der Simon-Petrus-Kirche zum 29. Mal. Weil der Kirchenraum zu klein ist für die vielen Besucher bei den Weihnachtsgottesdiensten, werden an Heiligabend die Türen zum Gemeindesaal geöffnet, erklärt Pastorin Winter. Auch dann wird man wohl noch eng zusammenrücken müssen – doch darum geht es schließlich beim Weihnachtsfest.
Und wie man sehen und hören wird: Die zeitlos aktuelle Botschaft von Barmherzigkeit, Friede und Hoffnung lässt sich auch in der Umgangssprache von heute vermitteln und verstehen. Und spätestens, wenn vor der Krippe das Weihnachtslied „Hört der Engel helle Lieder“ angestimmt wird und das „Glo-ho-ho-ho-ho-ria in excelsis deo“ von 40 kleinen Engeln, Hirten, Königen, Schafen und Kaninchen erklingt: Dann ist Weihnachten.