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BEK-Vertreter im Interview "Es geht um eine Grundhaltung des Zusammenlebens"

In Tenever gibt es jetzt die erste muslimische Erziehrin in Bremen. Über Motivation, Möglichkeiten und Hintergründe sprachen wir mit dem Leiter des Landesverbands Evangelischer Tageseinrichtungen in der BEK.
14.10.2022, 06:50 Uhr
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Von Silja Weißer

Mit Peyruze Kaymaz wurde in Bremen jetzt erstmals eine muslimische Erzieherin eingestellt. In kirchlichen Einrichtungen gilt jedoch die sogenannte ACK-Klausel, nach der alle Mitarbeiter Mitglied einer Kirche sein müssen, die zur Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) gehört. Darf Frau Kaymaz rein rechtlich in der Kita Tenever arbeiten?

Schlepper: Noch ist eine muslimische Mitarbeiterin eine Ausnahme im Rahmen des kirchlichen Arbeitsrechtes in der Bremischen Evangelischen Kirche, die begründet werden muss. In diesem Fall begründen wir die Einstellung mit dem hohen Anteil an muslimischen Kindern in der Kita Tenever mit knapp 50 Prozent. Zudem haben Kita und Gemeinde das religionspädagogische Konzept angepasst. Doch langfristig müssen wir als Kirche den Rahmen rechtlich öffnen. Ich würde mir wünschen, dass auch konfessionslose Mitarbeitende in begründeten Fällen eingestellt werden können. Für Auszubildende ist dies bereits möglich. In Ostdeutschland gibt es schon unzählige nicht evangelische Erzieher und Erzieherinnen.

Treibt die Personalnot die Landeskirche zu dieser Öffnung?

Das ist sicherlich auch ein Grund. Im Vordergrund steht in diesem Fall allerdings, dass die Einstellung einer muslimischen Fachkraft die Kompetenzen des Kita-Teams in der religions-pädagogischen Arbeit erweitert. Es geht um die Begegnungen der Religionen in der Kirchengemeinde, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten, bei denen Frau Kaymaz vermitteln kann.

Zum Thema 'Muslimische Erzieherin in einem evangelischen Kindergarten – geht das?' entbrannte 2013 eine hitzige Diskussion auf der Internetseite „evangelisch.de“ mit mehr als 100 Beteiligten. Ein Einwand war: „Brauchen Kinder im jüngeren Alter erst mal eine Festigung im eigenen Glauben und keine anderweitige Verwirrung?“

Es herrscht großes Interesse gegenüber der anderen Religion. Wenn diese Offenheit ermöglicht wird und Kinder diese Begegnungen der Religionen erleben, so zeigt unsere Erfahrung, dass dies sie in ihrem eigenen Glauben bestärkt. Sie werden sich bewusst: Ich praktiziere einen vorbehaltlosen Glauben und gehe auf andere zu.

Die evangelische Kirche steht für eine bestimmte Weltanschauung und für bestimmte Haltungen. Wie stecken Sie das Profil einer evangelischen Kita, wenn von den Beschäftigten nicht mehr erwartet wird, dass sie diese teilen und leben?

Abgesehen davon, dass es viele Gemeinsamkeiten unter den Religionen gibt, gilt bei aller Diversität nach wie vor der Grundsatz, dass der Glaube im Vordergrund steht. Wir wollen den Kindern Fragen zum Glauben, zu Gott und der Welt kindgerecht beantworten. Dabei geht es um eine Grundhaltung des Zusammenlebens, um Respekt und Toleranz. Es geht um ein wohlwollendes Miteinander und nicht um Mission.

Wie sehen solche Ansätze in der praktischen Umsetzung aus? Feiern dann alle Kinder Weihnachten und alle fasten im Monat Ramadan?

So weit gehen wir nicht. Aber alle Kinder erfahren, warum und wie Weihnachten bei den Christen gefeiert wird und was es mit Ramadan auf sich hat. Jeder lernt, den anderen zu verstehen. Wenn man sich bei einem Tischgebet für die Speisen auf dem Tisch bedankt, dann gilt dies für beide Religionen.

Ist es andersherum denkbar, dass eine christliche Erzieherin in einer muslimischen Kita eingestellt wird?

Das würde ich mir wünschen. Doch diese Frage stellt sich nicht. In ganz Deutschland gibt es keinen muslimischen Kindergarten, einzig multireligiöse Mischformen existieren in Form von gemeinsamen Gruppen von Christen, Juden und Muslimen. Die Wurzel aller Glaubensrichtungen ist ja gleich. Streit untereinander ist menschengemacht.

Wie beantworten Sie die Frage zum Kopftuchverbot in einer Kita?

Diese Frage war nie ein Thema, ist kein Thema und wird kein Thema sein.

Vor drei Jahren wurde in Mainz der Versuch gestartet, eine muslimische Kita zu betreiben. Das Verwaltungsgericht entschied, sie zu schließen. Es gäbe ausreichende Indizien dafür, dass der Verein extremistischem Gedankengut nahestehe. Wie können Sie bei der Einstellung weiterer muslimischer Mitarbeiter sicher sein, dass betreute Kinder nicht in eine religiös geprägte Parallelwelt abgleiten?

Wir führen im Vorfeld sehr intensive Gespräche. Von den Erzieherinnen allgemein wird eine hohe Sensibilität für andere Religionen erwartet. Bei der Thematisierung von Glauben darf niemand übergriffig werden – egal welcher Religion man zugehört. Zudem durchlaufen alle Fachkräfte im Rahmen ihrer Ausbildung eine religionspädagogische Qualifizierung, in der sie alle Religion kennenlernen und ihren eigenen Glauben reflektieren.

Das Gespräch führte Silja Weißer.

Zur Person

Carsten Schlepper (62)

ist seit 15 Jahren Leiter des Landesverbands Evangelischer Tageseinrichtungen in der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK). Die Geschäftsführung der Kitas der Kirchengemeinden sowie Personalfragen liegen maßgeblich in seiner Hand.

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