Marmoroptik an den Wänden, Pflanzenkübel – Charme der 70er-Jahre. Links und rechts lange Reihen von Briefkästen, nach Etagen sortiert. Und davon gibt es eine ganze Menge: 21 Stockwerke ist der Wohnblock Neuwieder Straße 23 hoch und zusammen mit dem Aalto-Haus in der Vahr eines der höchsten Wohnhochhäuser Bremens. 150 Wohnungen mit 150 Briefkästen, 150 Kellerräume und 150 Stellplätzen in der Tiefgarage. Und doch gibt es für Wolfgang Hartthaler keine Unbekannten. "Ich kenne die Namen der Kinder und auch die Namen der Hunde der Mieter."
Sie sind in Tenever gefragt, und kaum ein Bewohner der zahlreichen Wohnhochhäuser in Bremens östlichem Ortsteil möchte sie missen: die Conciergen, die seit mehr als zehn Jahren in einigen Mietshäusern Tenevers arbeiten. Wolfgang Hartthaler ist Concierge-Teamleiter und versteht die Arbeit nicht als einen Sicherheitsdienst, sondern vor allem als Service für die Bewohnerinnen und Bewohner. Doch es gibt ein Problem.

Keine Schönheit, aber dafür ein schöner Ausblick: die Neuwieder Straße 23 in Tenever.
Rund um die Uhr vor Ort
Im Foyer liegt auch das Büro von Hartthaler und seinen Kollegen, die in der Regel in einem Dreischichtsystem rund um die Uhr vor Ort sind. Auf zwei Monitoren sind Bilder von Überwachungskameras zu erkennen. Sie erfassen die Fahrstühle und die öffentlichen Bereiche. Auf dem Boden und den Stühlen sammeln sich Pakete. Der Concierge hat von seinem Büro aus den Hauseingang im Blick, sieht, wer sich dem Haus nähert.
Das ist in diesem Fall ein Paketbote. Ein Druck auf den Knopf des Türsummers, der Bote drückt die Tür auf. Hartthaler schiebt die Glasscheibe zur Seite, die das Büro vom Foyer trennt. Zwei weitere Päckchen für einen der Mieter. Er nimmt sie an, schreibt eine Notiz auf ein schmales Stückchen Papier. Eine Erinnerung für den Mieter, dass im Büro ein Paket auf ihn wartet. "Wenn wir eine Vollmacht haben, nehmen wir Pakete an", erklärt Hartthaler. Und das sind in den vergangenen Jahren nicht weniger geworden. "Als ich 2009 angefangen habe, haben wir 600 bis 700 Pakete angenommen, nun sind es 2500 Pakete im Jahr." Ein durchaus gerne gesehener Service für die Bewohner.
Gleich zehn dieser Pakete sind für Mieter Hayber Budan bestimmt. Es bleibt Zeit für ein Gespräch, während Hartthaler die Pakete raussucht. "Die Conciergen sind sehr wichtig", sagt Budan. "Ich habe schon vor 30 Jahren hier gelebt, und die ganze Zeit war dieses Haus der sicherste Punkt in Tenever." Seit 2017 wohnt Budan wieder iim Ortsteil. "Die Conciergen vermitteln Sicherheit", bekräftigt er. "So ein Objekt braucht einen Concierge", ist Budan überzeugt, der nebenberuflich für einen Sicherheitsdienst arbeitet. "Hier passiert nichts, hier ist Licht, hier sitzt jemand – allein das schreckt ab", ist er überzeugt, aber "es fühlt sich nicht nach Sicherheitsdienst an, sondern als ein Service für die Mieterinnen und Mieter, die Sicherheit ist eigentlich nur ein Nebenaspekt."

Hier hat alles seine Ordnung: Im Foyer stehen die Briefkästen der 150 Wohnungen.
Service für Mieterinnen und Mieter
Ein Lächeln stiehlt sich bei diesen Worten auf das Gesicht von Hartthaler, der seine Arbeit ebenfalls vor allem als Unterstützung versteht. Zu den Aufgaben gehören Kontrollgänge in den öffentlichen Bereichen, Unterstützung des Hauswarts und von Handwerkern, das Entfernen oder Melden von Müll. Das Besondere: Die Mitarbeiter sind über den Beschäftigungsträger Förderwerk Bremen angestellt. Das Ziel ist die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Als Auftraggeber fungiert die Gewoba als Eigentümerin der Mietshäuser.
Hartthaler ist gelernter Versicherungsfachmann, war selbstständig. Über das Arbeitsamt machte er eine Ausbildung zur Sicherheitsfachkraft. "Aber mir war da schon klar, dass das nicht meine Branche ist." Über das Förderwerk habe er den Concierge-Dienst kennengelernt. Und dann half der Zufall. "Gerade als ich mit meiner Ausbildung fertig wurde, wurde eine Stelle als Teamleiter ausgeschrieben." Auf diese bewarb er sich und wurde genommen. "Ich habe einige Dinge im Leben gemacht, aber hier habe ich Zufriedenheit erlangt", betont der 65-Jährige.
Eigentlich ist das Gebäude prädestiniert für Anonymität. Und darauf folgt häufig Vandalismus als ungebetener Gast in solchen Häusern, besonders in einem Ortsteil, der zwar nicht mehr als sozialer Brennpunkt gilt, aber dennoch zumindest materiell benachteiligt ist. Ein Ortsteil, in dem über 80 Nationen auf sehr engem Raum zusammen leben. Tatsächlich ist die Neuwieder Straße 23 das erste Gebäude in Tenever, das einen Concierge-Dienst bekam.
Bereits in den 90er-Jahren hätten dies Bewohner in einer Versammlung von der Gewoba gefordert, sagt der Teamleiter. Inzwischen hat sich das Prinzip bewährt, auch in anderen Häusern des Wohnungsbauunternehmens Gewoba sorgen Conciergen inzwischen für weniger Anonymität und mehr Sicherheitsgefühl.
Bedingungen für die erfolgreiche Arbeit als Concierge: "Wenn man Menschen mit Respekt begegnet, bekommt man auch Respekt zurück", hat Hartthaler beobachtet. "Ganz wichtig: Kinder ernst nehmen, respektieren, dann ist die Wahrscheinlichkeit für Rowdytum als Jugendlicher unwahrscheinlich." Ganz ohne Reibereien gehe es aber dann doch nicht: "98 Prozent der Mieter sind zufrieden, aber die restlichen zwei Prozent können uns das Leben schwer machen." Dennoch: "Die Vorfälle in den vergangenen Jahren kann ich an einer Hand abzählen."
Intime Details der Bewohner
Die Arbeit erfordert nicht nur Kommunikationsfähigkeiten, sondern auch Fingerspitzengefühl. "Das Foyer und unser Büro sind auch ein Erzählbereich", sagt der Concierge. "Wir haben viele Mieter, die gerne viel erzählen." Und da bleibe es nicht aus, dass die Mitarbeiter auch intime Details mitbekämen. "Klar kriegen wir mit, wenn jemand Besuch vom Gerichtsvollzieher oder der Polizei bekommt. Manche möchten sich Briefe vorlesen lassen. Manches möchte man gar nicht wissen." Bei schwierigen Fragen helfe ein Leitfaden. "Alles, was darüber hinausgeht, ist außerhalb unserer Zuständigkeit, sprich ein Fall für die Polizei oder das Jugendamt", erklärt Hartthaler. "Wir betreten auch keine Wohnungen, was in der Wohnung ist, geht uns nichts an."
Einmal Ordnung geschaffen und dann ist alles gut? Dem ist offenbar nicht so. "Wenn das Büro mal nicht besetzt ist, erkennen sie das Haus nicht wieder." Es sind die kleinen Dinge, die wichtig sind, hat er beobachtet. "Das fängt mit den Fettabdrücken von Fingern auf der Scheibe der Eingangstür an, die wir abwischen", sagt der Teamleiter und deutet auf ein Reinigungsspray. "Das Haus muss beim ersten Betreten einen vernünftigen Eindruck machen." Gleiches gelte für das Foyer. "Fremde Namen an Briefkästen werden sofort entfernt."
Eine Theorie besagt, dass scheinbar kleine Beschädigungen und Verunreinigungen die Hemmschwelle für Vandalismus und Missverhalten senken. Deswegen das rasche Eingreifen des Concierge. Das betrifft auch den Außenbereich und wilde Sperrmüllablagerungen, die häufig über Nacht enorm wachsen können.
Die Dienstleistung der Conciergen ist gefragt, doch es gibt ein Problem. Eine Förderung ist nur für Langzeitarbeitslose möglich, sprich der Pool an möglichen Interessenten ist eher gering. Finanziert wird das Gehalt der Conciergen über verschiedene Fördertöpfe.
Draußen ein letzter Rundgang mit Hartthaler. Am Anfang der Straße ein wilder Sperrmüllhaufen und dahinter der Wohnblock der Neuwieder Straße 3. Ein Gebäude, das im Besitz wechselnder Spekulanten war und seit Jahren in den Schlagzeilen steht. Auch dort war ein Empfangsdienst im Gespräch – letztlich, so erzählt es Hartthaler, war den Eigentümern, einem Unternehmen aus Süddeutschland, dieser Dienst offenbar zu teuer. An den Zuständen – Vandalismus, Drogenhandel, Schmierereien – hat sich dort nichts geändert.
Hartthaler geht zurück zu seinem Büro in der Neuwieder Straße 23, neben dem Foyer, dort wo die Flasche mit dem Reinigungsspray steht. "Der erste Eindruck – der zählt", findet er.