Nora Keykan hätte sich eigentlich keinen schlechteren Zeitpunkt auswählen können, um als Sprachcoach für Deutsch im Bürgerzentrum Neue Vahr anzufangen. Im Theaterprojekt Face-to-Face und im Café Global – ein Konversationstreff auf Deutsch für Flüchtlinge und Migranten – sollte sie den Teilnehmern helfen, die Tücken der deutschen Sprache meistern. Dann kam Corona und mit dem Kontaktverbot die Improvisationskunst.
„Wir haben uns schon seit dem 13. März überlegt, was wir alternativ machen können, wenn die Angebote nicht mehr stattfinden können“, sagt Nora Keykan, die nur wenige Wochen zuvor mit ihrer Arbeit begonnen hatte. „Wir machen das derzeit so, dass wir die Teilnehmenden auf unterschiedlichen Wegen ansprechen und weiter unterrichten.“ Das Mittel der Wahl ist dabei das Telefon. „Pro Person machen wir eine Stunde Aufgaben über das Telefon“, erzählt die Studentin, die Germanistik sowie Erziehungs- und Bildungswissenschaften studiert. Die Aufgaben reichten dabei von Leseverständnis bis zum Diktat oder auch Fotobeschreibungen. Die Lösungen und Diktate würden dann per Foto über das Smartphone geschickt und korrigiert. Nora Keykan teilt sich dabei die Aufgabe mit zwei weiteren Coaches.
Chance für Schüchtern
Was sich als pragmatische Lösung darstellt, ist für alle eine massive Umstellung. „Das ist definitiv ganz anders“, sagt Nora Keykan. „Man muss spontan und flexibel sein und manche Sachen funktionieren nicht über das Telefon.“ Sie wachse an den Aufgaben, sagt die Studentin. Was für die Lehrende eine Herausforderung ist, ist für manchen Lernenden aber eine echte Chance. „Das Telefontraining ist auch eine Möglichkeit intensiver auf jemanden, der vielleicht etwas schüchterner ist, einzugehen“, sagt Keykan, die auch Kurse für die Vorbereitung auf den Test des Sprachniveaus B2 gibt. Diesen zu bestehen, ist für viele Neubürger ein wichtiges Etappenziel, denn dieser Nachweis wird unter anderem für viele Ausbildungen benötigt.
Durch die lange Pause in den Deutschkursen, die das Kontaktverbot mit sich bringt, gibt es die Gefahr, dass bereits Gelerntes wieder vergessen wird. „Aber Deutsch ist die Voraussetzung für die Eingliederung und das muss in Übung gehalten werden“, betont Keykan. Die Telefonate böten genau diese Möglichkeit und außerdem könne so der Kontakt zwischen Dozenten und den Teilnehmern gehalten werden. „Ich habe die Rückmeldung bekommen, dass einige nicht mehr so viel Angst haben zu telefonieren und am Telefon zu sprechen“, sagt Keykan. Denn gerade Telefonate, bei denen man das Gesagte eben nicht über Körpersprache oder Gesten unterstützen kann, sei eine Herausforderung. „Es ist schön zu sehen, wie motiviert und fleißig die Teilnehmer sind“, sagt Keykan.
Die Projektleiterin von Face-To-Face, Saher Kanaqa-Kükelhahn freut sich über das Engagement. „Viele haben jegliche Ängste vor Telefonaten verloren, viele sagen, dass sie jetzt so gut telefonieren können.“ Auch sie betont die hohe Hürde von Telefonaten bei Nicht-Muttersprachlern. „Sonst kann man Hände und Füße dazu nehmen, aber nun müssen sie sich ganz präzise mit Worten ausdrücken.“
Der Telefonunterricht mit den Coaches des Theaterprojekts sei darüber hinaus ein Stück Normalität. „Der gerade erst begonnene Alltag ist für die Flüchtlinge und Neu-Angekommenen nun durch Corona wieder weg und das ist sehr schlecht, gerade für die Kinder“, sagt Kükelhahn.