Frau Aulepp, wie viele Kinder hatten zu Beginn der Legislaturperiode im Bremer Norden keinen Kitaplatz?
Sascha Karolin Aulepp: Genaue Zahlen habe ich nicht, aber gewiss mehrere Hundert Kinder. Deshalb wurden seit 2019 viele neue Kitaplätze geschaffen. In allen drei Stadtteilen und insbesondere in Vegesack sind auch neue Einrichtungen eröffnet worden. Trotzdem reichten die Plätze nicht aus. Das liegt auch daran, dass unsere Berechnungen nicht präzise genug waren. So gibt es bei den Einrichtungen Wartelisten, diese Kinder tauchten aber bisher nicht in der Statistik auf. Auch Kinder, die älter als fünf waren, wurden bei den Bedarfsberechnungen nicht berücksichtigt. Ich habe die Berechnungsmethode umgestellt. Jetzt schauen wir uns an, wie viele Kinder im Alter zwischen drei und unter sieben Jahren zum Beispiel in Blumenthal leben und messen von da aus, wie viele Kinder unversorgt sind. Dabei spielt es auch keine Rolle mehr, ob ihre Eltern sie angemeldet haben.
Sind denn heute mehr oder weniger Kinder als 2019 ohne Kitaplatz?
Wir haben fast 1000 zusätzliche Plätze. Es leben aber auch mehr Kinder im Bremer Norden. Gerade Blumenthal ist einer der am dynamischsten wachsenden Stadtteile in Bremen. Dadurch sind auch mehr Kinder unversorgt, einfach weil mehr Kinder zugezogen sind, als zusätzliche Plätze geschaffen wurden. Deshalb müssen wir mit Hochdruck weitere Plätze schaffen.
Das passiert ja bereits. Trotz des Mangels an Kitaplätzen gibt es im Moment aber mehr private als städtische Projekte. Woran liegt das?
In der Kindertagesbetreuung gilt der Grundsatz der Subsidiarität, das heißt, private Träger haben gesetzlichen Vorrang. Die Kommune muss also auffangen, was die freien Träger nicht machen. Ich persönlich finde es wichtig, dass wir einen starken kommunalen Träger haben, der sich massiv am Ausbau beteiligt. Wir wollen, dass auch der kommunale Träger neue Kitas eröffnet. Das muss insbesondere in den Quartieren passieren, wo wir nicht nur zusätzliche Plätze, sondern auch zusätzliche Einrichtungen brauchen. Der kommunale Träger muss also Verantwortung übernehmen. Und das hat er auch bereits getan, indem er etwa Mobilbauten aufgestellt hat, um zusätzliche Gruppen zu schaffen. Da haben sich die privaten Träger vornehm zurückgehalten.
Parallel dazu entstehen sogenannte Start-up-Spielkreise. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Tatsächlich vor dem Hintergrund der besonders zugespitzten Situation in Vegesack, vor der ich mit Amtsantritt vor anderthalb Jahren stand. Wir unterlaufen mit den neuen Angeboten Standards, aber es ist nicht zu schaffen, allen Kindern schnell genug einen ordentlichen Kitaplatz anzubieten. Es ist für mich unerträglich, Kinder ohne jedes Betreuungsangebot vor dem Schuleintritt zu lassen. Wie wichtig es ist, dass Kinder vor der Schule bereits in der Kita waren, sagen nicht nur sämtliche Expertisen, sondern ganz besonders auch die Grundschullehrerinnen und -lehrer. Die merken das unmittelbar, was für einen Nachteil die Kinder haben, wenn sie keine Kita besucht haben.
Was können solche Angebote bei den Kindern bewirken?
Da geht es auch um so Dinge, wie man zum Beispiel eine Schere oder einen Stift hält, wie man sich in einer Gruppe verhält und anderen zuhört. Solche Fähigkeiten können Kinder auch in einem Gruppensetting lernen, wenn es nicht der hochwertige Kitaplatz ist. Deshalb ist es notwendig, Angebote zu schaffen, die schneller zu realisieren sind und für die wir nicht das Fachpersonal brauchen, das bundesweit fehlt. Mit den Start-up-Spielkreisen können wir den Kindern nun schnell ein Angebot machen. Im Vorfeld gab es Diskussionen zu diesem Betreuungsmodell. Ich weiß natürlich, dass es schöner wäre, wenn wir für alle Kinder Kitaplätze hätten. Es kann aber nicht sein, dass wir in Schönheit sterben, anstatt dass wir pragmatisch nach Zwischenlösungen suchen.
In Vegesack wurden kürzlich zwei Start-up-Spielkreise eröffnet. Planen Sie weitere Angebote dieser Art im Bremer Norden?
Wir haben mittlerweile auch solche Angebote anderswo in der Stadt. In Blumenthal fehlen derzeit besonders viele Kitaplätze. Deshalb wäre ein solches Angebot dort sehr gut. Das spiegeln uns auch die Grundschulen im Stadtteil. Vor diesem Hintergrund führen wir bereits Gespräche, um auch in Blumenthal einen Start-up-Spielkreis eröffnen zu können.
Es fehlen nicht nur Kitaplätze, sondern auch Erzieherinnen und Erzieher. Wie hat sich die Zahl der Fachkräfte im Bremer Norden von 2019 bis heute entwickelt?
Wir haben heute mehr Personal in den Kitas als 2019. Das liegt daran, dass wir heute mehr Gruppen und auch mehr Einrichtungen haben als noch vor drei Jahren. Wir haben mehr Kinder, wir haben mehr Plätze geschaffen und dadurch natürlich auch mehr Personal. Was sich aber deutlich zeigt, ist, dass die Ausbildung beziehungsweise die Weiterbildung zum Erzieher die Bedarfe an zusätzlichen Betreuungskapazitäten nicht so schnell decken kann. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir schauen, welche anderen Menschen in den Kitas tatsächlich helfen und Kinder verantwortlich betreuen können. Deshalb bin ich sehr froh, dass der Jugendhilfeausschuss beschlossen hat, die Richtlinien so zu ändern, dass Tagespflegepersonen nicht mehr nur zu Hause, sondern auch in Kitas Kinder verantwortlich betreuen können. Das paritätische Bildungswerk bietet nun eine zusätzliche Qualifizierungsmaßnahme an, die durch das Arbeitsressort finanziert wird. Schließlich bringen wir dadurch nicht nur Kinder in Betreuung, sondern auch Menschen in Arbeit.
Gesucht werden nicht nur Erzieherinnen und Erzieher, sondern auch Lehrerinnen und Lehrer. Gibt es inzwischen mehr Personal in den Nordbremer Schulen?
Auch da gilt, dass der Bremer Norden die am dynamischsten wachsende Region ist. Im ganzen Norden und insbesondere in Blumenthal sind nun deutlich mehr Kinder im schulpflichtigen Alter als noch 2019. Das liegt vor allem an Zuzügen aus anderen Stadtteilen und aus dem Ausland. Für die Beschulung dieser Kinder haben wir natürlich auch mehr Lehrkräfte eingestellt. Dadurch haben wir zwar mehr Fachkräfte, aber es gibt eben auch mehr Kinder. Auch für die Schule müssen wir Maßnahmen ergreifen, wie wir den Beruf des Lehrers auch für die Menschen attraktiveren, die sich nicht grundständig für ein Lehramtsstudium mit anschließendem Referendariat entschieden haben. Für diese Zielgruppe haben wir gerade ein Quereinstiegsprogramm aufgelegt und wollen die jetzt ausgeschriebenen Stellen schnellstmöglich besetzen. Menschen, die zwar einen akademischen Abschluss haben, aber eben noch nicht pädagogisch qualifiziert sind, können sich dann innerhalb von eineinhalb Jahren entsprechend weiterqualifizieren und bekommen dann für ihr Fach eine Lehrbefähigung. Diese Kräfte wollen wir unbefristet einstellen.