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Bundestagswahl Wie Nordbremer Politiker das Ergebnis der Bundestagswahl bewerten

Die Bundestagswahl beeinflusst das politische Leben im Bremer Norden. Wie sich Parteienvertreter das Ergebnis erklären und welche Auswirkungen sie auf Vegesack, Blumenthal und Burglesum sehen. Ein Überblick.
27.09.2021, 18:02 Uhr
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Von Christian Weth Aljoscha-Marcello Dohme Björn Josten

Die Bundestagswahl ist gelaufen – und trotzdem noch immer offen, wer Kanzler wird. Wir haben Nordbremer Parteifunktionäre gefragt, was die Abstimmung vom Sonntag aus ihrer Sicht für den Bund und das Land bedeutet. Wie sie sich das Ergebnis für die Stadt und speziell für den Norden erklären – und welche Konsequenzen sie daraus ziehen. Die Reaktionen der Politikerinnen und Politiker im Überblick.

CDU: Bettina Hornhues sagt, dass sich der Negativtrend für die Partei zwar schon Wochen vorher abgezeichnet hat – ein Schock waren die Stimmenverluste nach den Worten der Nordbremer Kreisvorsitzenden der Union am Wahlsonntag dennoch. Hornhues hat die Auszählung und Hochrechnungen aus den Bezirken und Wahllokalen im CDU-Haus am Wall verfolgt. Ihr zufolge hat es schon deutlich schönere Momente in der Unionszentrale gegeben.

Dass die Partei auf Bundesebene nicht die Mehrheit bekam, hat für Hornhues weniger mit Spitzenkandidat Armin Laschet zu tun, sondern mit den Themen der Union. Nach ihrer Ansicht ist es ihr einfach nicht gelungen, sie beim Wähler nachhaltig zu platzieren. Die Kreisvorsitzende setzt darum jetzt auf die Koalitionsgespräche mit FDP und Grünen. Und darauf, dass die CDU am Ende die besseren Argumente hat als die SPD.

Die Niederlage von Bundestagskandidatin Wiebke Winter in Bremen und Bremerhaven erklärt sich Hornhues anders: mit der Dominanz der Sozialdemokraten im kleinsten Bundesland. Sie findet, dass die 25-Jährige einen tollen Job gemacht hat, glaubt aber, dass es ein Nachteil für sie war, sich erst bekannt machen zu müssen, während ihr Kontrahent längst bekannt ist. Hornhues geht davon aus, dass es bei der nächsten Wahl anders für Winter laufen könnte.

SPD: Endlich mal keine Stimmenverluste, sondern wieder Stimmenzuwächse – Ute Reimers-Bruns sagt, dass sie seit Sonntag erleichtert ist. Und dass sie sich gut daran erinnern kann, als es bei den Sozialdemokraten noch anders war. Die Nordbremer SPD-Chefin findet, dass es im Bundestagswahlkampf für die Partei mehr als bloß rund lief, auch wenn die Umfragewerte für sie und ihren Spitzenkandidaten im Frühjahr alles andere als vielversprechend waren.

Dass Olaf Scholz immer mehr an Sympathie beim Wähler gewann und Laschet verlor, führt Reimers-Bruns auf Reaktionen von CSU-Chef Markus Söder in den vergangenen Monaten zurück. Und darauf, dass sich Laschet bei Auftritten mehrfach geleistet hat, was sich ein Kanzlerkandidat besser nicht leisten sollte. Sie spricht von einer Katastrophe, wenn Wahlsieger Scholz, der ihrer Meinung nach mit Kompetenz gepunktet hat, zum Verlierer der Koalitionsverhandlungen wird.

Den Erfolg von Bundestagskandidat Uwe Schmidt erklärt Reimers-Bruns damit, dass er – anders als seine CDU-Herausforderin – nicht nur sagen konnte, was er fordert, sondern auch, was er bisher geleistet hat. Sie sagt, dass Schmidt mehrmals beim Wahltreff war, einem Format, dass sie für das gute Abschneiden der SPD im Norden mitverantwortlich macht: Dreimal in der Woche diskutierten Mitglieder mit Wählern. Reimers-Bruns hofft, dass der Treff vor der nächsten Wahl wiederholt wird.

Grüne: Das Wahlergebnis löst bei Bianca Frömming gemischte Gefühle aus: „Auf der einen Seite ist es total super, dass wir so gut abgeschnitten haben“, sagt die Kreisvorständin der Nordbremer Grünen. „Auf der anderen Seite war die Stimmung am Sonntagabend schon sehr bedrückend.“ Ein richtiger Neuanfang sei nicht zu verspüren. „Man hat nicht so diese Aufbruchsstimmung, dass jetzt was angepackt wird und etwas Gutes geschieht“, sagt Frömming.

Die nun anstehenden Koalitionsverhandlungen werden schwierig, glaubt sie. Je mehr Parteien daran beteiligt sind, desto mehr Kompromisse müsse man eingehen. Aktuell tendiere sie zu einer sogenannten Ampel-Koalition, also einem Bündnis aus SPD, Grünen und FDP. „Wenn man sich die Wahlprogramme anschaut, gibt es bei den Grünen und der SPD mehr Gemeinsamkeiten, als bei den Grünen und der CDU“, findet die Blumenthalerin.

Inhaltlich müsse sich die künftige Regierung etwa mit dem Klimaschutz befassen. Ein weiteres Thema sei die soziale Ungerechtigkeit in Deutschland. „Wir müssen von Hartz IV weg und dafür sorgen, dass alle Kinder die gleichen Bildungschancen haben“, fordert Frömming. Deshalb müsse in die Bildung deutlich mehr Geld investiert werden als bisher.

Für Vegesack, Blumenthal und Burglesum erwartet Bianca Frömming kaum Veränderungen. Allerdings freue sie es, dass die Bremer AfD deutlich weniger Stimmen bekommen hat als bei der vergangenen Bundestagswahl und damit keinen Abgeordneten mehr nach Berlin entsenden wird.

FDP: Ein "schönes, stabiles Ergebnis" habe seine Partei eingefahren, sagt Tobias Huch. "Wir haben gezeigt, dass man auch mit einer kleinen Truppe etwas reißen kann", sagt er. Für den Aufbau des Kreisverbandes Bremen-Nord sei das Ergebnis willkommener Rückenwind. Liberales Potenzial gebe es ausreichend im Bremer Norden. "Überhaupt ist es für Bremen großartig, dass wir wieder einen liberalen Abgeordneten in Berlin haben werden", sagt Huch. Richtig angekommen scheinen die Möglichkeiten, die sich durch das Wahlergebnis für die FDP ergeben, bei Huch noch nicht. Denn ihn treibt am Tag nach der Wahl weniger um, welche Koalitionen in Berlin möglich werden können, sondern vielmehr, dass die Wahlplakate seiner Partei wieder eingesammelt werden müssen.

Linke: Von einer "total bitteren Niederlage" für ihre Partei spricht die Nordbremer Bürgerschaftsabgeordnete Maja Tegeler. Bitter sei das Ergebnis sowohl Bundes- als auch auf Landesebene. Für eine weitere Amtszeit der Bremer Bundestagsabgeordneten Doris Achelwilm gab es nicht genügend Stimmen. "Das wirft uns zurück und macht die gute Arbeit der vergangenen vier Jahre von Doris Achelwilm ein wenig unsichtbar", sagt Tegeler.

Dass die Linke zu den Wahlverlierern gehört, habe die Partei zum Teil auch selbst zu verantworten. "Es ist uns nicht gelungen, die Prioritäten und Alleinstellungsmerkmale, die wir haben, sowohl in sozialpolitischen Fragen als auch im Klimaschutz und in Geschlechterfragen, ausreichend und glaubwürdig herauszuarbeiten", sagt die Nordbremerin. "Ganz viel, wofür wir als Linke stehen, ist in aller erster Linie bei den Grünen verortet worden."

Der Meinung ist auch der Ortsverbandssprecher der Nordbremer Linken, Karl Brönnle. "Vielen Wählern war es sehr wichtig, dass das Thema Klima sehr weit oben angesiedelt ist. Das ist es bei uns zwar auch, aber nun haben leider die Grünen ein Monopol auf das Thema Klima", sagt er. Überraschend sei das Ergebnis für die Partei aber nur zum Teil gewesen. "Die Wahl war sehr zugespitzt auf die Alternative Laschet oder Scholz", sagt Brönnle. "Fast 600.000 Wähler sind von uns zur SPD gewandert, wofür eine Erklärung die zugespitzte Kandidatenwahl ist."

Direkte Auswirkungen auf den Bremer Norden habe die Bundestagswahl nicht. Allerdings stelle sich die Frage, wer für die Kosten der Corona-Pandemie und die Rettung des Klimas aufkommt. Brönnle geht davon aus, dass die Mehrwertsteuer erhöht werde, um die Kosten stemmen zu können. "Die nächsten Jahre werden für einen Großteil der Bevölkerung ziemlich bitter werden. Und dadurch, dass die Linke jetzt weniger Einfluss nehmen kann, werden die Einschnitte noch deutlicher  ausfallen, als das sonst der Fall gewesen wäre", glaubt Brönnle. "Insofern gibt es auch Auswirkungen auf Bremen-Nord."

AfD: Die AfD hat auf das Gesprächsangebot der NORDDEUTSCHEN nicht reagiert.

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