Er war ein vielschichtiger, bewegter wie bewegender Mann: Gustav Heinemann. Das wurde am Sonnabend im gleichnamigen Bürgerhaus im Zentrum Vegesacks deutlich. Dorthin hatte der Verein Gustav-Heinemann-Bürgerhaus zu den Themen "75 Jahre Grundgesetz" und "125. Geburtstag Gustav Heinemann“ eingeladen.
„Was zeichnet Gustav Heinemann aus?“, fragte der Vorsitzende, Manfred Wemken, zu Beginn der Veranstaltung und kündigte an, der Fragestellung nachzugehen. Vorweg nahm Wemken, dass es Heinemann stets wichtig gewesen sei, ein „bürgernaher Präsident“ zu sein sowie die Beziehung Deutschlands zu den Nachbarstaaten zu normalisieren. Das Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 bezeichnete er als „Sternstunde unserer Geschichte“.
Anschließend widmete sich mit Walter Metag der Schriftführer des Vereins dem Leben und Engagement des am 23. Juli 1899 in Schwelm geboren Heinemanns. Kindheit und Jugend des Westfalen ließ er aus und stieg mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein. Heinemann, der der Bekennenden Kirche angehörte, hatte zu diesem Zeitpunkt begonnen, die evangelische Kirche in Essen neu zu ordnen.
Vom Christdemokraten zum Sozialdemokraten
Im Juni 1945 sei er zudem in die Politik eingestiegen. Unter seiner Beteiligung wurde Ende Januar 1946 die Christlich Demokratische Union in Essen gegründet. „Ausschlaggebend für Heinemanns Engagement für eine christlich demokratische Sammlungspartei war seine Überzeugung, dass beim demokratischen Neuaufbau nach der Katastrophe des Nationalsozialismus einer vom Geist des Christentums getragenen Partei eine entscheidende Rolle zukommen werde“, referierte Metag. Am 30. Oktober 1946 wurde Heinemann zum Oberbürgermeister der Stadt Essen gewählt.
Die nächste Station des Politikers Heinemann sei im September 1949 der Eintritt in das erste Kabinett von Kanzler Konrad Adenauer gewesen. Kernpunkte der Heinemannschen Politik waren: Demokratie, Rechtstaatlichkeit und freie soziale Marktwirtschaft. Kapitalistische Auswüchse wie Monopolbildung und Lohndrückerei lehnte der Westfale ab. Doch schon wenige später traten laut Metag Spannungen zwischen Kanzler Adenauer und Innenminister Heinemann auf. Zum endgültigen Bruch kam es im Oktober 1950. „Während Adenauer ganz auf militärische Stärke setzte, lehnte Heinemann eine Wiederaufrüstung der Bundesrepublik ab“, referierte Metag.
Nach seinem Rücktritt als Innenminister gründete der Westfale im November 1951 mit der linkskatholischen Zentrumsabgeordneten Helene Wessel und dem Industriearbeiter Adolf Scheu die „Notgemeinschaft für den Frieden Europas“. Sie sei eine Gegenposition zur Politik Adenauers gewesen so Metag. Es folgte die Gründung der Gesamtdeutschen Volkspartei und der Austritt aus der CDU. Am 27. Mai 1957 trat Heinemann in die SPD ein. Als deren Mitglied wurde er von 1969 bis 1974 dritter Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.
Würde als Aufgabe staatlicher Gewalt
Zum Grundgesetzartikel eins „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ referierte Heide Marie Voigt. Würde färbe ab und Würde sei Aufgabe, so die Referentin. Sie zu achten und zu schützen, sei Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Parallel zu den Vorträgen lief das Projekt der Landeszentrale für politische Bildung Bremen "Mein Herz für Grundrechte“. Jeder Besucher konnte zur Frage „Welche fünf Grundrechte liegen Euch besonders am Herzen?“ fünf Herzen an Plakatwände anbringen.