Frau Kretschmer, Sie haben sich in der katholischen Pfarrgemeinde Heilige Familie in Grohn zur Beerdigungsleiterin ausbilden lassen. Was werden Ihre künftigen Aufgaben sein?
Christine Kretschmer: Zu den Aufgaben gehört, im Auftrag der Gemeinde und in eigener Verantwortung, Verstorbene zu beerdigen. Dazu zählen ein Trauergespräch mit den Angehörigen sowie die komplette Gestaltung des Beerdigungsgottesdienstes.
Das heißt, Sie ersetzen für diese Aufgabe den Pfarrer?Den Pfarrer selber kann man nicht ersetzen. Es ist vielmehr eine Aufgabe, die aus der Gemeinde heraus auf Laien übertragen werden kann. Es gibt vielfältige Dienste innerhalb der Gemeinde. Wir sorgen uns um Kranke, um Sterbende und um Trauernde. In einer christlichen Gemeinde ist es die Aufgabe, dass Verstorbene würdig beerdigt werden. Bisher hat der Priester oder Diakon diese Aufgabe wahrgenommen. Nun können auch Beerdigungsleiter sie übernehmen. Insgesamt gibt es bereits im Bistum Hildesheim 200 ausgebildete ehrenamtliche Beerdigungsleiter und -leiterinnen.
Ist es eine Folge des Priestermangels, dass Beerdigungsleiter ausgebildet werden?Ich will nicht sagen, dass es mit dem Priestermangel zu tun hat. Vielmehr mit der Fülle der Aufgaben, die auf die Priester verstärkt zukommen: Gemeinden müssen zusammengelegt werden, die Aufgaben werden für den Pfarrer vielfältiger.
Was hat Sie bewogen, sich zur Beerdigungsleiterin ausbilden zu lassen?Ich bin bereits vor zwei Jahren angesprochen worden. Schon damals war solch ein Kursus im Gespräch. Aber ich war skeptisch.
Warum?Die Aufgabe erschien mir schon sehr vielfältig und mit sehr viel Verantwortung verbunden. Das Gespräch mit den Angehörigen, die gesamte Gestaltung der Beerdigung, eine Ansprache zu entwerfen, die auch dem Verstorbenen und den Trauernden gerecht wird – das erschien mir in der ersten Anfrage doch sehr gewaltig. Aber dann wurde mir erklärt, dass die Ausbildung aus zwei Kursen besteht. Kurs Nummer eins steht unter der Überschrift „Osterzeugen“. Darin geht es um den eigenen Glauben und darum, sich kritisch mit Sterben und Tod und der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod auseinanderzusetzen. Es hieß, dass wir uns danach entscheiden können, ob wir auch den zweiten Kurs machen wollen. Ich habe gedacht, es tut mir gut, mich damit auseinanderzusetzen. Aber der Kurs kam nicht zustande. Erst ein Jahr später. Da war es für mich dann ganz klar, dass ich teilnehmen möchte.
Wie lange hat die Ausbildung gedauert?Von Ende Januar bis Ende September. Es hatten sich 15 Personen angemeldet. Und nach dem zweiten Treffen kam die Corona-Zeit. Pfarrer Kuno Kohn und Diakon Martin Wolf haben den Kurs daraufhin per E-Mail und Video-Konferenzen geleitet. Wir erhielten eine Menge Lernmaterial und die Aufgabe, unser eigenes Osterzeugnis niederzuschreiben. Das war eine gute Abrundung des ersten Kurses. Dann begann der zweite Kurs.
Mit welcher Thematik?Es ging um die Rolle als Beerdigungsleiterin und -leiter. Der Kurs nennt sich auch „Werkstattkurs“. Es geht um Trauergespräche, Trauerbegleitung und um die Liturgie der Begräbnisfeier. Zudem mussten alle eine Ansprache in der Gruppe vorbereiten und durchführen. Auch ein Besuch in einem Beerdigungsinstitut gehörte dazu. Ich hatte das Glück, bei Diakon Wolf zu hospitieren, und habe das Trauergespräch geführt, meine erste Ansprache entworfen und mit Herrn Wolf die Beerdigungsfeier gemeinsam gestaltet. Mit unserem Abschluss und der Beauftragungsurkunde vom Bischof in Hildesheim sind wir nun Beerdigungsleiter und -leiterinnen.
Welche Wesenszüge muss man als Beerdigungsleiter mitbringen?Man muss auf Menschen zugehen können und empathisch sein. Und man braucht eine eigene Stabilität, die sich auch aus der eigenen Auseinandersetzung mit dem Tod ergibt. Es ist hilfreich, sich seiner eigenen Kraft bewusst zu sein, die man auch den Trauernden weitergeben kann. Mein Beruf trägt sicher dazu bei. Ich war Krankenschwester und Lehrerin und habe 28 Jahre eine Altenpflegeschule geleitet. Dabei habe ich sehr viel Wert darauf gelegt, dass meine Schülerinnen und Schüler eine fundierte Ausbildung in Sterbebegleitung erhalten. Hinzu kommen die eigenen Erfahrungen mit dem Tod. Ich habe vor sieben Jahren plötzlich meinen Mann verloren. Dann starb vor drei Jahren meine Mutter. Und es starben drei meiner engsten Freundinnen. Ich hatte das Gefühl: Eigentlich kann dich keiner auffangen. In meinem Inneren spürte ich zwar die göttliche Kraft, aber von außen hatte ich nicht das Gefühl. Mein Gedanke in der Ausbildung war: Vielleicht kannst du den Trauernden Kraft geben, ein Stück für sie da sein.
Den Trauernden mit offenen Ohren und offenem Herzen begegnen. Ich glaube ganz sicher, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Und diese Hoffnung möchte ich weitergeben. Vielleicht kann ich, wie es eine Kursteilnehmerin ausgedrückt hat, „eine Hebamme der Hoffnung“ sein.
Das Interview führte Ulrike Schumacher.Christine Kretschmer (72) gehört zu den zwölf Beerdigungsleiterinnen und Beerdigungsleitern, denen am 9. Oktober im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes in der katholischen Kirche St. Marien in Blumenthal die bischöfliche Beauftragungsurkunde überreicht wurde. Christine Kretschmer ist verwitwet und lebt in Schwanewede.
Weitere Informationen
Nähere Auskünfte über die Ausbildung zum Beerdigungsleiter erhalten Interessierte im Pfarrbüro der Gemeinde Heilige Familie in Grohn oder in den Pfarrbüros der Heimatgemeinden.