Es soll das rosafarbene Rezept ablösen und Schluss machen mit der Zettelwirtschaft. Mit Beginn des kommenden Jahres soll das elektronische Rezept in deutschen Praxen Pflicht werden. Gerade erst hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dafür noch mal kräftig geworben und eine „digitale Aufholjagd“ angekündigt.
Eigentlich haben gesetzlich Versicherte schon seit dem Sommer vergangenen Jahres die Möglichkeit, die vom Arzt verordneten Medikamente ohne Papierrezept aus der Apotheke zu beziehen. Aber die Umsetzung haperte immer wieder an technischen Problemen, berichten Ärzte und Apotheker.
Seit Anfang Juli ist es in Apotheken auch möglich, die Versichertenkarte der Krankenkasse einlesen zu lassen, wenn sie dafür ausgerüstet ist. Genutzt werde die Möglichkeit in Bremen-Nord so gut wie gar nicht, berichtet Apotheker Christoph Bannert. „Es wird von den Patienten nicht nachgefragt“, lautet ebenso die Antwort aus einigen Nordbremer Praxen.
Zu kompliziertes Verfahren
Vielleicht auch, weil das Verfahren den Patienten zu kompliziert erscheint. Wer das Rezept nicht über die Krankenkassenkarte abwickeln lassen kann, benötigt eine E-Rezept-App auf dem Smartphone sowie eine PIN-Nummer. „Aber nicht jeder ältere Patient hat auch ein Smartphone“, gibt eine Mitarbeiterin der Hals-Nasen-Ohren-Arztpraxis von Hermann Brüning in Lesum zu bedenken. „Technisch ist die Praxis auf das E-Rezept-Verfahren vorbereitet“, sagt der HNO-Arzt. Aber Nachfragen von Patienten gebe es nicht.
Kritisch betrachtet auch eine medizinische Fachangestellte einer Nordbremer hausärztlichen Praxis die Einführung des elektronischen Rezepts. „Der Gedanke daran treibt mir Schweißperlen auf die Stirn.“ Es sei sehr aufwendig, sich damit zu befassen und die Patienten zu informieren. Zudem bedeute das Verfahren für die Praxen Mehrarbeit. Und es bestehe die Gefahr, dass schneller mal ein Fehler passiert, wenn ein Rezept nicht mehr schriftlich ausgefüllt, sondern per Zahlencode ausgestellt werde. Von den Problemen mit der Technik mal abgesehen.
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„Wir befürworten den technischen Fortschritt, wenn es funktioniert“, ist aus der Geschäftsstelle des Bremer Hausärzteverbands zu erfahren. Aber probeweise dürfe solch ein Verfahren nicht auf den Markt kommen. „Das Ganze ist wie ein Elefant, der nicht laufen kann“, meint HNO-Arzt Hermann Brüning.
Das E-Rezept habe in seinen Apotheken „überhaupt keine Relevanz“, bestätigt auch der Vegesacker Apotheker Christoph Bannert. Obwohl sie technisch darauf eingestellt sind. Der Apotheker betrachtet das Verfahren kritisch. In PR-Kampagnen werde zwar versprochen, dass alles einfacher werde, aber tatsächlich werde es sowohl für die Praxen als auch für die Apotheken aufwendiger. "Solange die Arbeitsabläufe umständlich sind, macht es keiner“, sagt Christoph Bannert.
Zeitintensive Fehlermeldungen
Stichwort Fehlermeldungen. Mit denen habe man bei dem Verfahren nämlich zeitintensiv zu tun, weiß der Apotheker und nennt ein Beispiel: Ein Mediziner unterschreibe das herkömmliche Rezept mit seinem Namen. „Wird in dem Fall die Reihenfolge von Vor- und Nachnamen vertauscht, kann ich draufschauen und sehen, dass es seine Richtigkeit hat“, beschreibt der Apotheker. Passiere das auf digitalem Wege, werde ein Vertauschen von Vor- und Nachnamen aber als Fehler gewertet. Es gebe eine entsprechende Fehlermeldung, die zunächst behoben werden müsse. „Dann können Sie erst mal stundenlang telefonieren.“
Die Probleme, befürchtet Christoph Bannert, „werden nicht weniger, sondern mehr“. Obgleich er auch Vorteile in der digitalen Abwicklung sieht. Die könne zwischen Praxen und Apotheken schneller klappen. Aber solange es nicht reibungslos funktioniere, sei daran nicht zu denken.
Absurd sei auch, dass es E-Rezepte gebe, deren Code auf Papier ausgedruckt und dann in der Apotheke vorgelegt werde. Papiersparend sei das nicht. Das ganze Verfahren sei unausgegoren, schimpft der Apotheker. „Und die Technik ist ein einziger Graus.“ Es zeige sich, dass das Grundkonzept nicht funktioniere. Die Chancen, die eine Digitalisierung bieten sollte, „wurden verpasst“. Aus seiner Sicht sei es nachvollziehbar, dass Praxen nicht von einem Vorgang abrücken, der analog gut eingespielt ist. Dass das E-Rezept ab Januar 2024 zur Pflicht wird, sieht der Apotheker denn auch nicht. Christoph Bannert: „Das wird mit den Füßen abgestimmt.“