Viel Tragkraft hat er nicht mehr, der sprichwörtliche seidene Faden, an dem der Klassenerhalt der HSG Schwanewede/Neuenkirchen jetzt noch in der Handball-Oberliga hängt. Nach der 24:25 (10:12)-Heimniederlage gegen den SV Beckdorf ist er sogar noch schmaler als ohnehin schon geworden. Vielleicht schon zu dünn? „Es gilt das Prinzip Hoffnung“, sagte der HSG-Trainer Henning Schomann. „Wir haben gerade gegen Beckdorf auf alle Fälle ein ganz großes Ding aus der Hand gegeben.“
Die „Schwäne“ kann nur noch eine einzige Konstellation vor dem Abstieg in die Verbandsliga retten: Der unmittelbar unter ihnen stehende TuS Haren darf in seinen finalen beiden Spielen keinen einzigen Punkt mehr holen. Der befand sich jedoch zuletzt in einer guten Verfassung und fuhr 6:2 Zähler in Folge ein. Am Sonntag muss Haren beim eben diesen frisch geretteten SV Beckdorf antreten, möglicherweise fällt die Entscheidung erst am 10. Juni, wenn die Emsländer das als Absteiger feststehende Schlusslicht TSG Hatten-Sandkrug empfangen. Bei dem wirkt aber Kevin Ritter mit, der in der kommenden Saison eigentlich gerne mit der HSG Schwanewede/Neuenkirchen in der Oberliga spielen möchte.
Es war irgendwie passend, dass der „Schwäne“-Routinier Torben Lemke die HSG Schwanewede/Neuenkirchen bei der Verabschiedung von seiner aktiven Laufbahn als „Kathedrale meines Herzens“ bezeichnete. Denn in dieselbige müssen seine Mitspieler jetzt wohl erst einmal regelmäßig rennen, um eine Hoffnungskerze nach der anderen anzuzünden. „Wir haben unser Glück zu früh aufgebraucht. Das ist maximal brutal“, stellte der Schwaneweder Torwart Jannis Nowitzki nach dem Abpfiff enttäuscht fest. Er hatte zunächst leeren Blickes am Pfosten gesessen und war anschließend einige Meter gegangen, nur um danach in die Hocke zu gehen, die Hände hinter dem Kopf zu verschränken und auf den Boden zu starren.
Sein Rückraumspieler Niklas Mechau verkrümelte sich dagegen gleich ganz hinter dem Torgestänge und zog sein Trikot über den Kopf, bevor sich Schomann um ihn kümmerte und ihm schnell wieder auf die Beine half. Und die Bewegungen des Rests des Teams wirkten so, als ob sie Schuhe aus tonnenschwerem Blei an den Füßen hätten.
Rund 500 Zuschauer waren gekommen, um ihre Mannschaft stimmgewaltig nach vorne zu peitschen, darunter auch eine lautstarke Beckdorfer Fraktion. „Das ist nicht selbstverständlich, dass ihr bei unserer Serie gekommen seid“, sparte der HSG-Spielmacher Marco Wilhelms nicht mit Lob. Die acht vorangegangenen Niederlagen in Folge waren jedoch nicht spurlos an den Hausherren vorbei gegangen. Ihnen waren bereits in den ersten zehn Minuten vier Fehlpässe unterlaufen, dazu gesellte sich ein verballerter Konter von Karlo Oroz und ein Pfostentreffer von Rechtsaußen Niklas Bachmann.
Selbst Marco Wilhelms, normalerweise mit einer 85 Trefferquote vom Siebenmeterstrich ein äußerst sicherer Vollstrecker, ließ sich davon anstecken und vergab prompt seinen ersten Strafwurf. „Der Druck, der auf uns gelastet hatte, war enorm“, versuchte der Rückraumspieler Cedric Scharnke nicht nur den 2:5-Auftakt zu erklären.
In kämpferischer Hinsicht konnte man den „Schwänen" nichts vorwerfen. „Wir haben alles rausgehauen und am Limit gespielt“, meinte Henning Schomann. Er stellte seinen Gegner vor allem nach dem Seitenwechsel mit immer neuen Abwehrformationen vor geänderte Aufgaben. Seine Mannschaft kämpfte sich dadurch nach dem 14:19 (39.) bis auf 19:21 heran. Doch obwohl sich die „Schwäne“ beim 24:25 in den finalen 85 Sekunden in Ballbesitz befanden, wenngleich davon über die Hälfte in Unterzahl, verpassten sie am Ende sogar eine Punkteteilung.
„Es ist schon bitter, dass da nur ein direkter Freiwurf heraus kommt“, bedauerte Cedric Scharnke. Henning Schomann machte allen noch einmal Mut: „Es muss jetzt für uns nicht das Ende sein, es kann auch der Beginn eines Neuanfangs werden.“ Da ihm die Kaderzusagen für die Saison 2022/23 bislang nur für die Oberliga vorliegen, kommt auf ihn wohl noch einiges an Arbeit zu.