Haus Seefahrt Der Kapitän übernimmt das Ruder

Andreas Mai übernimmt ab dem 27. April offiziell die Verwaltung in Grohn der Stiftung Haus Seefahrt. Seit Januar wird er vom scheidenden Chef, Kapitän Klaus Thormählen, eingearbeitet.
14.04.2021, 05:00 Uhr
Lesedauer: 5 Min
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Von Iris Messerschmidt

Bis Ende November 2020 hat er sich seine Brötchen noch als Leiter der Bremer Hafenbehörde verdient. Doch anstatt mit Eintritt in die Rente auch die Ruhe in sein Leben einkehren zu lassen, hat Andreas Mai schon die nächsten Aufgaben vor Augen. Wenn am 27. April eine der großen Sessionen abgehalten wird, dann wird es offiziell: Andreas Mai übernimmt die Amtsgeschäfte seines Vorgängers, dem Verwaltenden Kapitän Haus Seefahrt Klaus Thormählen. Als Amtsnachfolger gewählt wurde Andreas Mai von der Versammlung schon im Oktober 2020. Seit Januar diesen Jahres wird er nun von dem derzeitigen Verwalter der Stiftung in seinen künftigen Aufgabenbereich eingearbeitet.

Dass ihm als „orientierungslosem Realschüler“ einmal dieser berufliche Werdegang sowie interessante und verantwortungsvolle Aufgaben bis ins Rentenalter beschieden sein werden, „das war damals nicht abzusehen“. Damals, damit bezeichnet Andreas Mai das Jahr 1973. Da befand sich der 1957 in Hannover geborene junge Mann zwischen der neunten und zehnten Klasse und vor einer Entscheidung: „Wo absolviere ich ein Ferienpraktikum?“

Der Zufall und ein Mitschüler, der ihm davon erzählte, brachten ihn mit der Dampfschifffahrts-Gesellschaft (DG) Neptun zusammen. „Der Verband Deutscher Reeder hatte zur Nachwuchsförderung zudem eine Werbekampagne gestartet“, blickt Andreas Mai zurück. Der junge Mann aus Hannover landete also zu Praktikumszwecken auf einem Schiff der DG Neptun. „Und erkannte den Sinn und Zweck von Geografie, Englisch und Mathe“, gesteht Andreas Mai und lacht. Denn noch etwas wurde damals geweckt: „Die Abenteuerlust. Heute ist es ja für junge Menschen fast schon selbstverständlich, mit dem Billigflieger die Welt zu erkunden. Das war uns damals noch nicht möglich“, erzählt Andreas Mai.

Doch die Mauern der niedersächsischen Landeshauptstadt wurden dem jungen Mann mit dem sogenannten Blick über den Tellerrand zu eng, das Praktikum auf dem Schiff gab ihm die Richtung vor. „Ich wollte raus“, gesteht er - und das Schicksal nahm seinen Lauf beziehungsweise Andreas Mai Stift, Block, Anlegedreieck, Navigationszirkel und mehr in die Hand, um diesem Weg zu folgen. Parallel zur fachpraktischen Ausbildung als Offiziersanwärter machte er die elfte Klasse Fachoberschule auf dem Schulschiff MS Sturmfels, absolvierte die zwölfte Klasse in der Elsflether Fachoberschule, wurde Offiziersassistent bei der Bremer Reederei Neptun, die 1973 zum Teil von der Hamburger Reederei Rob. M. Sloman gekauft und 1974 nach Übernahme der restlichen Anteile komplett in ihre Gruppe als Sloman Neptun Schiffahrts-AG einging.

Andreas Mai, der Junge aus einem mittelständischen Haushalt aus Hannover, dessen Familie zuvor mit Seefahrt nichts am Hut hatte, dieser Junge hatte Seeluft geschnuppert - und noch lange nicht die Nase voll davon. Mai: „Bremen gefiel mir, da zog ich hin“, und begann 1977 gleich noch ein Studium an der Hochschule für Nautik in Bremen. So erlangte er die staatliche Bescheinigung, das seemännische Patent, für den nautischen Schiffsoffizier, dass er Schiffe bestimmter Größe in einem bestimmten Fahrtgebiet als Kapitän führen darf. Für Andreas Mai ging es 1980 mit dem Patent AGW (für den zweiten nautischen Schiffsoffizier) los. Damit durfte er mit jedem Schiff auf „Große Fahrt“ gehen, wie es so schön im nautischen Amtsdeutsch heißt. 1982/83 wandelte sich dies in das Patent AG (für den ersten nautischen Offizier und Kapitän). Bei der Reederei Ernst-Jakob Flensburg erlebte er das, was er sich als junger Realschüler gewünscht hatte: er kam raus, war weltweit auf Tankern unterwegs.

Doch so schön es anfangs war, dem Drang, etwas Anderes, Neues zu erleben, folgen zu können, „die damit verbundenen Leiden erkennt man erst später“, gibt Andreas Mai zu. Der heute 63-Jährige, der ungern sein Privatleben öffentlich ausbreitet, berichtet nur knapp von dem Erlebten: Stress, Zeitdruck und fehlende, persönliche Kontakte, eine Frau und zwei Kinder, die in dem Bremer Zuhause auf die Rückkehr des Ehemanns und Vater warteten. „Es war Zeit für eine Veränderung, es wurde Zeit, sesshaft zu werden.“

Auch, wenn Andreas Mai 1985 seinen beruflichen Werdegang an Land fortsetzte und dem in Bremen gefundenen Zuhause treu blieb, das mit der Sesshaftigkeit klappte anfangs auch nicht so wirklich. Dazu führten ihn seine Aufgaben zu oft noch in die Fremde, hatte er im Rahmen seiner verschiedenen Tätigkeiten viele Auslandsaufenthalte - bei einer Ladungskontroll-Firma in Bremen, bei der Transportüberwachung einer Hamburger Öl-Handelsgesellschaft oder als selbstständiger Berater von Transportunternehmen, Regierungsinstitutionen und Versicherungen. So richtig vor Ort war er erst öfter, als er am 1. Oktober 1996 das Amt des Hafenkapitäns für Bremerhaven übernahm und im Oktober 2000 auch das Amt des Hafenkapitäns in Bremen. Ein Hafenkapitän für Bremen und Bremerhaven gleichzeitig? „Das war mit mir ein Novum. Wird nach meiner Pensionierung aber so fortgesetzt“, erzählt Andreas Mai.

Auf Nachfrage von Klaus Thormählen konnte sich Andreas Mai auch vorstellen, der Verwaltende Kapitän des Hauses Seefahrt zu werden. Auf die Nachfrage, was seine Familie davon hält, gibt es von Andreas Mai nur ein Stirnrunzeln - und dann die Erklärung: „Ich habe vor noch länger zu leben, und einiges zu erleben. Ich habe doch auch noch ein adäquates Alter, und solange ich familiär, körperlich und geistig den Herausforderungen gewachsen bin, und persönliche Interessen und Wünsche nicht zu kurz kommen, werde ich wohl die Aufgaben dieses Amtes meistern.“ Die Aufgabe beinhalte ja auch wieder eine neue Fragestellung in seinem Leben, und das sei schließlich interessant. Diese besondere neue Fragestellung ist für Andreas Mai im Übrigen nicht nur die übliche Aufgabenbewältigung als Verwaltungschef des Hauses Seefahrt, „das ist ja nun kein Hexenwerk“, sondern die Nachwuchsförderung: „Da müssen wir dringend etwas tun.“

Info

Zur Sache

Bremen ist durch seine Häfen groß geworden. Sie sind das Herz der Stadt. Der Güterumschlag ist eine wichtige Stütze der heimischen Wirtschaft, auch wenn sich das Geschehen über die Jahrhunderte weserabwärts verlagert hat. Wer heute vom Hafen spricht, meint in erster Linie Europas längsten Containerterminal in Bremerhaven. Doch auch die stadtbremischen Häfen florieren, obwohl sie von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden.

Der Hafenkapitän ist Amtsleiter des Hansestadt Bremischen Hafenamtes - sowohl in Bremen, als auch in Bremerhaven. Das Hansestadt Bremische Hafenamt ist für die hoheitlichen Aufgaben im stadtbremischen Hafengebiet zuständig. Das Hafenamt ist eine eigenständige Behörde, die dem bremischen Senatsressort für Wissenschaft und Häfen angeschlossen ist.

Die Hafenbehörden bestehen aus den Bereichen Hafenbetriebsdienst und Hafensicherheit. Ihre wesentlichen Aufgaben sind: Schiffslenkung im Hafenbereich, Hafensicherheit, die Zulassung von Serviceanbietern zu sicherheitsrelevanten Dienstleistungen. Die Mitarbeiter des Amtes kontrollieren regelmäßig den Zustand in den Hafengebieten, auch von Schuppen und Kajen. Und sie sind Ansprechpartner und Weisungsbefugte gegenüber den unterschiedlichen Akteuren der Wirtschaft. „Wir regeln alles, was den Hafenbetrieb und die Schifffahrt betrifft“, erklärt Mai. Von der Zuweisung von Liegeplätzen über die Kontrolle von Vorschriften bis hin zur Gefahrenabwehr.

Genauso muss zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen vermittelt werden. Zwischen den Unternehmen und den Einwohnern, die auch außerhalb des eigentlichen Hafengebiets immer mal wieder über Lärm, Gestank oder sonstige Belästigungen klagen.

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