Herr Heckmann, wie sind Sie dazu gekommen, als professioneller Sprecher zu arbeiten?
Martin Heckmann: Nachdem ich als junger Mann alle möglichen Jobs gemacht habe, besuchte ich eine Schauspielschule in Gröpelingen. Doch eine reine Schauspielerkarriere kam wegen meiner Familie nicht infrage – dann wäre ich fast jeden Abend im Einsatz gewesen. Ich machte anschließend Projekte wie zum Beispiel ein Kindertheater im Bremer Schlachthof, auch habe ich anschließend erste Literaturlesungen gegeben, zum Beispiel mit Texten von Franz Kafka. Etwa um die Jahrtausendwende wollte ich jedoch auch Texte lesen, die von Laienschreibern stammen, eingebettet in einen passenden musikalischen Rahmen.
Kann man davon leben, professionell seine Stimme einzusetzen?
Nur, indem man vielfältig agiert: Neben kommerziellen Aufträgen wie für Werbespots habe ich zum Beispiel auch Hörbüchern oder Lernprogrammen meine Stimme geliehen – doch unter anderem durch die Künstliche Intelligenz (KI) wird die Auftragslage immer schlechter.
Weil die KI zunehmend menschliche Stimmen übernimmt?
Aber auch, weil sie selbstständig stimmige Sprachgebilde generieren kann – besonders bei kürzeren Texten macht die KI professionellen Sprechern zunehmend Konkurrenz, da ihr nachgesagt wird, wesentlich kostengünstiger zu sein.
Aber Lesungen werden doch wohl weiterhin von Menschen gemacht?
Auf jeden Fall, weil dabei das persönliche Erleben im Vordergrund steht, das Publikum mit den Sprechern in lebendigen Kontakt kommt und nach der Lesung auch Fragen stellen kann.
Wie sind Ihre Lesungen mit Texten von Laienschreibern entstanden?
Es begann im Jahre 2017 mit den „Kattenturmer Geschichten“ im Bürgerhaus Obervieland. Ursprünglich waren das Lesungen von Texten etablierter Autoren, dann aber habe ich kurze Geschichten von Leuten aus dem Stadtteil erhalten und sie mit musikalischer Begleitung durch Jürgen Schöffel auf der Gitarre vorgelesen – und das Ganze hat hervorragend funktioniert.
Wie kam der Kontakt zu den Laienschreibern zustande?
Im Bürgerhaus Obervieland gibt es eine Schreibgruppe, aus der mir acht bis zehn Autoren ihre Texte zur Verfügung gestellt haben. Das Bürgerhaus hat mich bei meinem Anliegen stark unterstützt – und weil die „Kattenturmer Geschichten“ so gut ankamen, möchten wir das Konzept gern in den Bremer Norden übertragen, vielleicht auch in andere Stadtteile in Bremen.
Was steckt hinter dem Ansatz, Laien mit eigenen Geschichten zu Wort kommen zu lassen?
Wenn man die Fantasie oder die Erlebnisse von Leuten zur Sprache bringt, bedeutet das eine hohe Wertschätzung für sie. Zugleich kann das Schreiben ihr Leben enorm bereichern. Ich habe zum Beispiel eine körperlich eingeschränkte Autorin kennengelernt, der das Festhalten von Erinnerungen ihr Leben wieder lebenswert gemacht hat. Andere genießen es einfach, mit ausgedachten Anekdoten oder auch kurzen Krimis produktiv zu sein.
Die Veranstaltung im Kito stellt Geschichten von Autoren aus dem Bremer Norden vor. Wie sind Sie zu den Texten gekommen, die Sie vorlesen werden?
Die Schreibwerkstätten in Bremen-Nord haben mich tatkräftig unterstützt: Die dort Aktiven konnten Kurzgeschichten, Gedanken, Erinnerungen oder Gedichte einreichen. Ich habe dann ausgewählt, sie lektoriert und in eine stimmige Reihenfolge gebracht. Und ich versuche dann, sie auf eine persönliche Art zu präsentieren. – Doch es werden auch einige „Kattenturmer Geschichten“ dabei sein – eigene Erlebnisse aus der Kindheit oder als Erwachsene, aber auch Betrachtungen stehen im Vordergrund. Das Ganze ist inhaltlich breit angelegt und soll ein großes Publikum ansprechen.
Der Abend im Oktober im Kito soll nicht der Einzige der „Vegesacker Geschichten“ sein?
Wenn die Finanzierung durch das Bundesprogramm „Demokratie Leben“ weiterhin läuft, würde ich die Veranstaltungen gerne drei Mal im Jahr weiterführen.
Das Gespräch führte Jörn Hildebrandt.