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Paul Kothers Werk im Overbeck-Museum Der vergessene Expressionist

Das Overbeck-Museum in Vegesack präsentiert ausgewählte Arbeiten des Künstlers Paul Kother. Er zählt zur sogenannten "verschollenen Generation", die von den Nationalsozialisten geächtet und verfolgt wurde.
19.05.2021, 14:13 Uhr
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Von Imke Molkewehrum

Trauer und Melancholie sind ein zentrales Thema im Werk von Paul Kother. Der expressionistische Künstler lebte von 1878 bis 1963 und zählt zur sogenannten „verschollenen Generation“, da seine künstlerische Laufbahn in den Zwanzigerjahren vielversprechend startete, mit Beginn des Dritten Reiches aber ein jähes Ende fand. Das Overbeck-Museum in Vegesack widmet dem talentierten, lange missachteten Maler und Grafiker aktuell eine sehenswerte Ausstellung mit dem Titel "Melancholischer Expressionismus".

Pandemiebedingt erfolgte die Eröffnung am 2. Mai rein digital. Unter Auflagen ist die Ausstellung seit Dienstag, 18. Mai, nun erstmals der Öffentlichkeit zugänglich. "Jetzt freue ich mich auf echte Menschen“, sagt die Museumsleiterin Katja Pourshirazi, die das Œuvre des Malers mit viel Feingefühl in Szene gesetzt hat. Die ausgefeilte Ausleuchtung der Wandflächen und Nischen unterstreicht die Farbintensität und Stimmung der Werke Paul Kothers, denen einzelne vergleichbare Gemälde Fritz Overbecks zugeordnet sind. Ergänzt werden einige Exponate Kothers zudem durch Gedichte der expressionistischen Lyrikerin Else Lasker-Schüler, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurde und 1945 im Exil in Jerusalem starb.

Erste Ausstellungserfolge in Dresden

Auch Paul Kothers Kunst galt im Dritten Reich als entartet und wurde aus Ausstellungen verbannt. Der gebürtige Leipziger stammte aus einer kinderreichen Handwerkerfamilie. 1912 feierte er erste Ausstellungserfolge in Dresden und hatte in den Zwanziger Jahren in Berlin sogar eine Einzelausstellung. Die Kunstkritiker lobten ihn. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten kam jedoch das Ausstellungsverbot, und Paul Kother fand nie in die Kunstszene zurück. Max Pechstein, Karl Schmitt-Rottluff oder Ernst Ludwig Kirchner wurden in den 60er-Jahren wiederentdeckt und erzielten Rekordpreise. Die Kunst Paul Kothers, dessen Hauptwerk zwischen 1915 und 1935 entstand, erfuhr dagegen erst zu Beginn der 1990er-Jahre eine leise Renaissance.

Da er seine Werke selten datierte, ist eine chronologische Einordnung von Kothers Arbeiten schwierig. Ein zentrales Thema ist aber offenkundig: Die Tristesse. Oftmals scheinen Kothers Protagonisten nach innen zu schauen, viele haben geschlossene Augen, wirken verzweifelt. In seinen Arbeiten - darunter auch Werke mit biblischen Themen aus den 1930er- und 1940er-Jahren - fokussierte sich Paul Kother aber nicht nur auf die Mimik, sondern auch auf die teils expressiven Körperhaltungen der Protagonisten. Charakteristisch sind zudem kräftige Farben und schwarzen Konturen. 

Gespür für Proportionen

Besonders häufig porträtierte der Maler und Grafiker seine Frau Mara. Die Schwester seines Künstlerfreundes Otto Mueller, der zur expressionistischen Malergruppe "Die Brücke" gehörte, war bis zu ihrem Tod im Jahr 1941 die wichtigste Inspiration und Gesprächspartnerin für Paul Kother. Das unzertrennliche Paar musste zahlreiche Schicksalsschläge einstecken. Trauer und Verzweiflung waren Paul und Mara Kother vertraut. Sie hatten ihren ersten Sohn im Kindbett verloren, die beiden Älteren starben im Krieg. Ihnen blieb eine Tochter. Nach dem Tod seiner Frau begab sich Paul Kother schließlich in eine innere Isolation und starb 1963 - von der Kunstwelt vergessen. 

In den aktuellen Overbeck-Ausstellung steht Paul Kother nun jedoch im Mittelpunkt. Zu seinem künstlerische Nachlass zählen dabei nicht nur depressiv anmutende Motive, sondern auch lebensbejahende Pastellzeichnungen mit hüllenlosen Männern und Frauen in freier Natur, die Kothers Gespür für Proportionen offenbaren. Einzelne Figuren hat er auch in Öl auf Leinwand harmonisch komponiert. Nicht weniger faszinierend sind seine teils fauvistisch anmutenden und abstrahierten Landschafts- und Tierdarstellungen.

Auch einigen dieser Arbeiten hat Katja Pourshirazi vergleichbare Werke von Fritz Overbeck (1869 bis 1909) gegenübergestellt. „Wie hätte Fritz Overbeck gemalt, hätte er den Expressionismus noch erlebt“, fragt sich Pourshirazi und verweist auf die farbintensiveren, abstrahierten Arbeiten von Paul Kother: „Gerade in Overbecks Spätwerk leuchtet auf, was Fritz Overbeck später womöglich hätte malen können. Aber das ist natürlich rein spekulativ."

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