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Ausstellung in Schönebeck Rudolf Hengstenberg: Vielseitig, aber wenig bekannt

Er malte in vielen Stilen und wählte unterschiedliche Motive: Im Schönebecker Schloss sind seit Sonnabend 30 Bilder des Malers und Grafikers Rudolf Hengstenberg zu sehen – ein Rundgang durch die Ausstellung.
15.09.2024, 18:00 Uhr
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Von Marina Köglin

Ein großes Schiff fährt die Weser entlang und über den tiefgrünen Baumwipfeln des Stadtgartens thront das Teehaus der Villa Fritze. Die Vegesacker Idylle ist in markant-expressivem Duktus festgehalten. Nur ein paar Schritte weiter eine Kriegsszene aus der Ukraine: Man sieht Soldaten, denen Flammen entgegenschlagen. Ein Bild, wie es aktueller kaum sein könnte. Doch das Aquarell „Übergang über den Dnjepr“ ist mehr als 80 Jahre alt. Das Heimatmuseum Schloss Schönebeck widmet seine aktuelle Ausstellung dem Maler und Grafiker Rudolf Hengstenberg (1894-1974). Am Sonnabend ist sie eröffnet worden.

Die 30 ausgestellten Bilder zeigen eindrucksvoll die Vielseitigkeit des Künstlers, der in mehreren Stilen zu Hause war. Sein Œuvre besteht aus Ölgemälden, Skizzen, Lithografien, Druckgrafiken, Siebdrucken, Aquarellen, Kohle- und Bleistiftzeichnungen. Von einem expressiven Realismus näherte sich Hengstenberg in den 1920er- und 30er-Jahren der Neuen Sachlichkeit. Spätere Werke zeigen einen freien Spätexpressionismus.

Fast fotografisch präzise die Lithografie der „Garnisonkirche in Potsdam“. Vis-à-vis hängt das expressionistische Ölgemälde „Dorf in Südtirol“ – starke Farbkontraste und markante Formen, die Pinselführung ist eher unruhig und grob. Kaum zu glauben, dass beides Werke von ein und demselben Künstler sind. Auch die Motive zeigen eine weitgefächerte Bandbreite: Landschafts- und Städtemotive, Porträts, religiöse Szenen, Kriegsbilder.

Zusammengestellt wurde die Ausstellung von Jörn Barfod, Kunsthistoriker und Vorsitzender der Rudolf-Hengstenberg-Gesellschaft (RHG), und weiteren Mitgliedern des gemeinnützigen Vereins, der 1996 in Bremen-Nord gegründet wurde und einen Großteil des Hengstenberg-Nachlasses verwahrt und betreut. Anfang der 2000er-Jahre hatte Hengstenbergs Witwe Lilli der RHG den künstlerischen Nachlass ihres Mannes übergeben: „Damit das, was mein Mann geschaffen hat, bewahrt und gezeigt wird.“

Rudolf Hengstenberg wurde 1894 in Untermais bei Meran in Südtirol geboren und lebte nach Stationen in Berlin und Stuttgart von 1946 bis zu seinem Tod im Jahr 1974 in St. Magnus. 1919 hatte er zunächst ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule in Berlin begonnen, wechselte 1920 aber an die Kunstakademie Stuttgart. Im Zweiten Weltkrieg wurde Hengstenberg als dokumentarischer Kriegsmaler eingesetzt. Seine Kriegsmotive zeigen, so Hagen Schmidtmann, zweiter Vorsitzender der RHG, „wenig Heroisches, sondern das Grauen des Krieges.“ Hengstenberg habe bei seinen Motiven eine Gratwanderung zwischen Auftragserfüllung und eigener Kritik riskiert.

1931 war der Künstler der NSDAP beigetreten. 1937 wurden zwei seiner Arbeiten als „entartet“ gekennzeichnet und beschlagnahmt. Gleichwohl übernahm Hengstenberg 1943 die Leitung der Nordischen Kunsthochschule in Bremen. Zurück an der Front geriet er 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft, kehrte aber bald zu seiner Frau Lilli zurück, die er 1942 geheiratet hatte. Nach seiner sogenannten Entnazifizierung als Mitläufer arbeitete er als Kunstlehrer und realisierte Aufträge, darunter Wandgemälde in Schulen und im ehemaligen Funkhaus von Radio Bremen. Später illustrierte Hengstenberg die Neuausgaben von Else Urys „Nesthäkchen“.

Nach seinem Tod 1974 wurde er auf dem kirchlichen Friedhof in Lesum begraben und geriet in Vergessenheit. Nach seiner Wiederentdeckung durch eine große Gedächtnisausstellung Ende 1994 in Potsdam entstand jedoch großes Kaufinteresse – der Zusammenhalt des Nachlasses und sein Verbleib als Kulturgut in Bremen war gefährdet. 1996 gründete sich deshalb die RHG in St. Magnus. „Durch eine gesicherte Unterbringung, wissenschaftliche Auswertung und öffentliche Vermittlung durch Ausstellungen und Publikationen will die Rudolf-Hengstenberg-Gesellschaft dieses Kulturgut erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich machen“, so der Verein, der sich über Kooperationen und Ausstellungsmöglichkeiten freut.

„Und wir nutzen gerne die Chance, einen Künstler zu zeigen, der viele Jahre in der Region gelebt und gemalt hat, über den aber nur wenig bekannt ist“, so Holger Schleider, Ehren-Vorsitzender des Heimat- und Museumsvereins für Vegesack und Umgebung. Bremen-Nord findet sich auch auf Hengstenbergs Bildern wieder. Das Bild „Am Kapellenberg“ ist Hagen Schmidtmann, der als Allgemein- und Sportmediziner in St. Magnus tätig ist, besonders ans Herz gewachsen. Schmunzelnd deutet er auf das Ölgemälde: „Hier, das Haus, in dem Licht brennt – das ist meine Praxis.“ Auch die Vegesacker Strandpromenade, die Lesummündung und eine „Hochzeit auf dem Deich (Lemwerder, 1957) sind zu sehen.

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Info

Die Ausstellung „Rudolf Hengstenberg“ wird noch bis 27. Oktober im Schloss Schönebeck, Im Dorfe 3, gezeigt.

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