Dass es vor dem Anpfiff in der Gerüchteküche brodelte, ist üblich in diesem Geschäft und in dieser Situation – da unterscheidet sich der Profi- nicht vom Amateurfußball. Nach drei Niederlagen aus drei Spielen wurde die Heimpartie der Bremen-Liga gegen den FC Oberneuland von vielen als Schicksalsspiel für Trainer Ugur Biricik betrachtet. Ob es das tatsächlich war, bleibt ungeklärt. Denn die SAV schaffte die Kehrtwende und holte sich mit einem verdienten 2:1 (2:1)-Sieg die ersten drei Zähler.
„Kein Schicksalsspiel, aber ein wichtiges Spiel, um Zeichen zu setzen“, stufte Ugur Biricik Saisonpartie Nummer vier nach dem Schlusspfiff ein und stärkte seine Position. Vor dem Anpfiff hatte Abteilungsleiter Bernd Siems im Mannschaftskreis das Wort ergriffen und wenig später auf die Frage, ob er den Spielern Dampf gemacht habe, auf die ihm eigene Art so geantwortet: „Nein, ich habe sie zu den drei Niederlagen beglückwünscht.“ Später sprach er dann von Worten, die im Berufsleben wohl einer Abmahnung geähnelt hätten. Wie auch immer: Die Ansprache von Bernd Siems wie die von Ugur Biricik hatte offenbar gesessen, an der Einstellung gab es im Gegensatz zum 1:4 in der Vorwoche gegen Geestemünde nichts zu bemängeln. Teammanager Harun Hadziomerovic lobte: „Überragend Männer. Jeder für jeden.“
Auf dem Weg zum ersten Sieg hatte Ugur Biricic aber offenbar nicht nur die richtige Ansage gemacht, sondern war auch ins Risiko gegangen und hatte etablierte Kräfte wie Innenverteidiger Mario Vukoja und Stürmer Mücahit Özkul auf die Bank gesetzt. Vukoja bezeichnete sich dann selbst auch als Sündenbock, gestand zur Halbzeit aber auch ein: „Es läuft ja.“ Und das verwunderte nach einem Start, der die SAV durchaus in eine Schockstarre hätte verfallen lassen können. Denn nach 50 Sekunden führte der FCO bereits mit 1:0, Jan Niklas Hiegermann hatte den fehlerfrei spielenden SAV-Keeper Jasin Jashari freistehend überwunden. Handyaufnahmen zeigten, dass der Treffer mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Abseitsposition erzielt worden war.
Doch die SAV zerbrach nicht an diesem Gegentor und den erstmals in Führung liegenden FCO beflügelte der Treffer nicht. Allmählich gewannen die zaghaft startenden Nordbremer an Überzeugung und übernahmen in einer Partie, die Pokal-Charakter vermuten ließ, das Kommando. Allen voran die auf der Doppelsechs spielenden Mola Khan und der auf den letzten Drücker vom FC Oberneuland gekommene William Hildebrand rissen die anderen mit starker Zweikampfführung und immer gefährlicher werdenden Vorstößen mit. Der verdiente Lohn: Ein von Mola Khan dicht und scharf vor das FCO-Tor getretener Eckball flog an fünf, sechs Spielern beider Lager vorbei, ehe Mussa Tasmin den Ball irgendwie zum 1:1 (15.) über die Linie beförderte. Zehn Minuten später war die SAV-Welt so richtig in Ordnung, denn nach feiner Vorarbeit von Mola Khan ging Jerome Albritton über links auf den herausstürzenden FCO-Schlussmann Ole Bahr zu, umkurvte ihn und schob zum 2:1 ein.
Nach der Halbzeit überstand die SAV eine zehnminütige Drangphase des FCO und ließ sich auch von gravierenden personellen Problemen nicht beirren. Denn erst hatte sich Mola Khan nach einem Kopfballduell bei der Landung eine Knieverletzung zugezogen (43.), dann mit William Hildebrand der ausgelaugte zweite Sechser das Feld verlassen (70.) und zudem der bärenstarke Abwehrchef Christian Böhmer mit Leistenbeschwerden ausgewechselt werden müssen. Doch als Kollektiv bekamen es die Platzherren hin, Schaden in Form des Ausgleichstreffers fernzuhalten. Was ihnen allerdings nicht gelang, war trotz einer Handvoll bester Möglichkeiten, mit dem dritten Treffer für Ruhe zu sorgen. Dass Serdar Güngör mit einem an ihm verschuldeten Elfmeter an Ole Bahr scheiterte (77.), passte ins Bild. „Wenn wir von den Chancen ein, zwei reinmachen, hätten wir nicht zittern gemusst. Aber die Mannschaft hat Charakter gezeigt“, bilanzierte SAV-Coach Ugur Biricik, der den Verzicht von etablierten Kräften so begründete: „Die Leistungen haben nicht gestimmt. Dann spielen eben andere.“
Während bei der SAV durchgeatmet wurde, stieg der Druck beim ebenfalls hochgehandelten FCO. „Wir sind noch in der Findungsphase. Es fehlen Führungsspieler, Taktgeber. Die Köpfe sind zu, die Spieler haben Angst vor Fehlern“, stellte Trainer Andreas Schwarzenberger fest. Dafür, dass das schnelle 1:0 keine positive Wirkung hatte, hatte er diese Erklärung: „Wir haben zum ersten Mal in dieser Saison geführt und hatten dann Angst, etwas zu verlieren.“