Wer das Buch „Schiffe – Reeder – Kapitäne“ auf Seite 54 aufschlägt, sieht eine düster-dramatische Szene auf hoher See: Unter grauen Wolken kämpft sich der Dampfer „Falke“ durch hohe Wellen, um die Besatzung eines sinkenden Schiffes zu retten. Eine ganz andere Stimmung auf Seite 74: Der Raddampfer „Lucy Ashton“ ist unter freundlich blauem Himmel unterwegs.
Auf Seite 115 dann ist die BV 26 zu sehen, die unter dem Namen „Wietze“ sicherlich noch einigen Nordbremer bekannt ist. Die 1902 gebaute „Wietze“, so ist in dem Buch nachzulesen, sollte ab 2000/2001 durch die BBV-Werft (Bremer Bootsbau Vegesack) in ihren Originalzustand versetzt werden. Dazu kam es nicht; die BBV ging 2012 in die Insolvenz, die „Wietze“ wurde 2019 zum Schrottwert nach Schweden verkauft, wo der neue Eigner das Schiff restaurieren will.
Der Bremer Norden verfügt über eine weit zurückreichende maritime Geschichte rund um den ersten künstlichen Hafen Deutschlands in Vegesack und die zahlreichen Werften an Weser und Lesum. Zeugnisse dieser Geschichte bewahrt und zeigt der Heimat- und Museumsverein für Vegesack und Umgebung im Schloss Schönebeck. Jacht- und Bootsbau, Walfang, Seenotrettung, Heringsfischerei, Dampf-, Motor- und Segelschifffahrt – all diese Bereiche werden im Museum mit Fotos, Modellen, Geräten und Handwerkszeug dokumentiert. Außerdem verfügt das Museum über eine Sammlung von 103 Kapitänsbildern und Schiffsporträts, überwiegend aus dem 19. Jahrhundert bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein.
Zu sehen sind Segelschiffe, Dampfer und Motorschiffe, Fischereifahrzeuge und Segeljachten verschiedenster Art. Ein Teil der Bilder wurde von lokalen Marinemalern wie Oltmann Jaburg und Carl Justus Fedeler gemalt. Die Bilder stammen zu einem großen Teil aus dem Privatbesitz von Kapitänen aus Bremen-Nord. Ihren Weg ins Museum fanden die Bilder dann häufig über die Nachfahren der Kapitäne.
Kapitän Diether Dauscher widmet sich in seinem gerade erschienenen Buch „Schiffe – Reeder – Kapitäne. Kapitänsbilder und Schiffsporträts im Heimatmuseum Schloss Schönebeck“ dieser umfangreichen Bilder-Sammlung. Alle dargestellten Schiffe werden ausführlich beschrieben. Neben den technischen Angaben hat Dauscher auch die „Lebensläufe“ und Schicksale der Schiffe vom Stapellauf bis zum Ende der Fahrzeit akribisch recherchiert. Das „Ende der Fahrzeit“ bedeutet in den meisten Fällen den Untergang. Viele Schiffe wurden auch abgewrackt oder gelten als verschollen. Die Bilder sind alles, was von ihnen geblieben ist.
Diether Dauscher, Jahrgang 1952, begann seine seemännische Laufbahn im Alter von 17 Jahren. Ausbildung und nautisches Studium führten ihn zum Kapitän mit Patent AG. Nach 20-jährigem Einsatz in der Stückgutfahrt, der Tankschifffahrt und auf Containerschiffen auf weltweiter Fahrt folgte eine Tätigkeit an Land in einem Sachverständigenbüro mit nachfolgender Bestellung durch die Handelskammer Bremen zum vereidigten Schiffsbesichtiger und Sachverständigen für Transportschäden.
„Berufsbedingt“, so ist es in seinem Buch zu lesen, „bestand seit vielen Jahren großes Interesse an Schifffahrtsgeschichte, dabei insbesondere die intensive Beschäftigung mit dem Bereich der Marinemalerei, mit Schiffsporträts und Kapitänsbildern.“ Bei Kapitänsbildern handelt es sich nicht etwa um Porträts von Kapitänen, sondern um Bilder von Schiffen, die meist im Auftrag des Kapitäns als Erinnerungsstücke angefertigt wurden. Kapitänsbilder waren vor allem vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert verbreitet. Danach löste die Fotografie das gemalte Schiffsporträt ab.
Diether Dauscher stellt in seinem Buch nicht nur die Marinemaler aus Vegesack und dem weiteren Bremer Raum vor, sondern auch die verschiedenen Segelschiffstypen, die auf ihren Bildern dargestellt sind. Jedem Kapitänsbild oder Schiffsporträt ist mindestens eine Buchseite gewidmet. Das reich bebilderte Buch bietet nicht nur eine Fülle von Informationen über Kapitänsbilder und Schiffsporträts, sondern ermöglicht – gerade an ungemütlichen Herbsttagen – eine informative Bilderschau auf dem heimischen Sofa. Gleichzeitig lädt es zu einem Besuch im Heimatmuseum ein, wo die Bilder neben zahlreichen anderen maritimen Exponaten eingehend betrachtet werden können.
Weitere Informationen
Das Buch „Schiffe – Reeder – Kapitäne. Kapitänsbilder und Schiffsporträts im Heimatmuseum Schloss Schönebeck“ (Hardcover) ist unter der ISBN 978-3-95651-239-1 im Kellner Verlag erschienen und kostet 19,90 Euro. Es umfasst 140 Seiten und ist unter anderem erhältlich am Tresen im Museum Schloss Schönebeck.